Politische Paketgebühren
Fijáte 311 vom 2. Juni 2004, Artikel 2, Seite 3
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Politische Paketgebühren
Guatemala, 25. Mai. Turbulent ging es zu in den letzten Tagen der Kongresssitzungen. Mit neu gemischten Karten geht dieser nun in die Sommerpause: Der Regierungspakt zwischen der Regierungspartei Grosse Nationale Allianz (GANA), Nationale Einheit der Hoffnung (UNE) und Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) ist gebrochen, die Patriotische Partei (PP) unter Sicherheitsbeauftragtem Pérez Molina hat sich aus der Koalition der GANA zurückgezogen und Efraín Ríos Montt hat als Parteichef der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) auf der Bühne des politischen Geschehens an Boden gewonnen. Zwei koinzidierende Sachlagen führten zu diesen Veränderungen. Für die Zeit während der Sitzungspause musste eine vierköpfige Permanente Kommission bestimmt werden, die die Aufgaben des Kongresses in den nächsten zwei Monaten stellvertretend übernimmt. Zwei davon waren vom Kongressvorstand, den die UNE innehat, zu ernennen, die beiden anderen vom Kongressplenum zu wählen. Dieser Kommission wird aufgrund der Terminlage die Entscheidung über den heissdiskutierten und von vielen Seiten kritisierten Fiskalpakt obliegen, den Präsident Berger inzwischen vollständig vorgestellt hat (siehe ¡Fijáte! 310). PAN und UNE hatten schon bald signalisiert, das Fiskalpaket nicht zu unterstützen, da er die Ärmsten am meisten belaste. Gleichzeitig fehlen der GANA die notwendigen Stimmen im Kongress, um ihre Pläne allein durchzuziehen. Die Einfache Mehrheit von 80 Stimmen der insgesamt 158 war demzufolge nur in Kooperation mit der FRG und den Unionistas zu erreichen. Doch hatte die GANA in ihrer Wahlkampagne gerade die ehemalige Regierungspartei aufs heftigste kritisiert und jegliche politische Annäherung an dieselbe komplett ausgeschlossen. Entsprechend gross war die nationale Entrüstung nun, als bekannt wurde, dass Berger sich mehrmals mit Efraín Ríos Montt getroffen hat und die FRG der aktuell regierenden GANA bei der Wahl zweier GANA-Abgeordneten der Berger-affinen Partei M13 für die Permanente Kommission sekundierte. Schnell machten Mutmassungen über einen potentiellen Deal zwischen GANA und FRG die Runde. Als Gegenleistung für ihre Stimmen habe die FRG möglicherweise die gerichtliche Verschonung von Ríos Montt und weiterer FRG-Leute, die derzeit wegen ihrer Verantwortung für den ,,Schwarzen Freitag" vor Gericht stehen (siehe ¡Fijáte! 310), erpresst. Oder/und die glimpfliche Behandlung von Eduardo Weymann, Ex-Finanzminister und beschuldigt wegen Beteiligung an der Unterschlagung und Fälschung im Rahmen des Millionenskandals in der Steuerbehörde SAT, aufgrund derer er bereits seit einigen Wochen in Haft sitzt. Auch die Wahl der Beamten des Höchsten Gerichtshofes (CSJ) sowie des Nationalen Rechnungsprüfers bedürfen eventuellen parteilichen Beistandes. Ein weiteres Gerücht, dass als Dealgegenleistung Ríos Montts Sohn, Ex-Verteidigungsminister, der jedoch nach wenigen Monaten selbst sein Amt niedergelegt hatte, nicht behelligt werde, wurde inzwischen entkräftet. Dem Generalssohn, dem ebenso wie seinen Kollegen aus dem damaligen Vorstand des Finanzressorts des Verteidigungsministeriums, Unterschlagung, Geldwäsche u. ä. vorgeworfen wird, hängen bereits zwei Anklagen an. Nach oben |
Er wird mitverantwortlich gemacht für das Fehlen von 37 Mio. Quetzales (ca. US$ 4,6 Mio.) in der Ressortkasse sowie für den Betrug um rund US-$ 22 Mio. im Militärvorsorgeinstitut (IPM) zu Lasten der Pensionen der Militärangehörigen. Derweil negieren sowohl Berger als auch die FRG jegliche unsauberen Vereinbarungen. Während Berger die Annährung als ,,Antrag auf Unterstützung für Projekte zum Wohle aller GuatemaltekInnen" bezeichnete, wies Ex-Vizepräsident Juan Franzisco Reyes darauf hin, dass seine Partei, die FRG, auch mit anderen Parteien im Gespräch sei und es kein Abkommen gäbe: ,,Das wird man schon sehen, wenn es zum Fiskalpakt kommt". Doch allein die Tatsache, dass Berger ohne Mitwissen seiner Koalitionspartner, der Patriotischen Partei (PP) und der Partei der Nationalen Solidarität (PNS) sich auf den im GANA-Wahlkampf als Teufel verschrienen Ríos Montt überhaupt eingelassen hat, stellte für die PP, der seit Anfang der GANA-Legislatur grundlegende Macht-Differenzen mit der dritten Koalitionsgruppe M-13 nachgesagt werden, den Tropfen dar, der das Fass zum Überlaufen gebracht und somit die Partei zum Verlassen der Koalition veranlasst hat. Somit hat auch Otto Pérez Molina sein Amt als Sicherheits- und Verteidigungsbeauftragter, der in den ersten Monaten als einer der aktivsten und ob seiner Militär- und Sicherheitsreformen präsentesten Regierungsakteure imponierte, niedergelegt und ist auf seinen Abgeordnetenplatz im Kongress zurückgekehrt. Nichtsdestotrotz versicherte Berger, dass die in die Wege geleiteten Militärreformen auf jeden Fall weitergeführt würden. UNE und PAN kündigten derweil ihren Positionswechsel an: ,,Wir gehen zur Opposition", so UNE-Chef Álvaro Colom. Damit hat auch das Projekt des Regierungspakts, auf das sich GANA, UNE und PAN bereits im Vorfeld der Wahlen geeinigt hatten, sein Ende gefunden und gezeitigt, dass diesem Ansatz jegliche programmatische Grundlage fehlte. Nicht erst die Diskussionen um das Fiskalpaket brachten diesen Turm ins Schwanken. Für Berger scheint die Sache relativ gelassen zu nehmen, was hinsichtlich politischer Projekte jedoch auch eine gewisse Unsicherheit in sich birgt: ,,Keine Allianz ist dauerhaft". Und der Bruch mit PAN und UNE gäbe keinen Anlass zur Sorge. Vielmehr handele es sich dabei um ein politisches Spiel, das Teil der Demokratie sei, so der Präsident. Dabei wird die Regierbarkeit durch konjunkturelle Allianzen noch weniger gestärkt. Wie weit die Bevölkerung sich dieser Ansicht Bergers anschliesst, bleibt abzuwarten. Derweil dominieren jedenfalls heftige Kritik sowohl am Fiskalpaket als auch an der Strategie, die FRG bei wesentlichen politischen Entscheidungen mit ins Boot zu nehmen. Auf diese Weise hatte diese mehr als leichtes Spiel, nach ihrem unrühmlichen Abgang im Rahmen der Wahlen, wieder auf die Bühne des politischen Geschehens zurückzukehren und sich massgeblich an Regierungsgeschäften zu beteiligen. Momentan suchen sich manche Parteiangehörige einen neuen Platz im Kongress. Nach dem Austritt der PP mit neun Leuten, haben sich unterdessen bereits drei ehemalige PAN-Mitglieder und drei der FRG der Regierungspartei angeschlossen, einige andere sich unabhängig erklärt. |
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