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"Was Rigoberta geschehen ist, ist ein Spiegel unserer täglichen Realität"

Fijáte 298 vom 3. Dez. 2003, Artikel 1, Seite 1

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"Was Rigoberta geschehen ist, ist ein Spiegel unserer täglichen Realität"

für eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird oder von einem Verwandten oder Nachbarn vergewaltigt wurde, mit ihren Eltern und der ganzen Gemeinde darüber zu sprechen? Ist sie damit nicht für den Rest ihres Lebens stigmatisiert? C.L.C.: In einer Gemeinde, in der die Maya-Gesetzgebung noch wirklich funktioniert und angewendet wird, ist es für die Frau einfacher, darüber zu sprechen, als wenn sie ihre Geschichte vor einem Gericht erzählen muss, wo sie niemanden kennt. Die Gemeinde hingegen bringt Verständnis auf. Und wenn der Täter bekannt ist als Trinker oder Schläger, hat er keine Chance, ungeschoren davonzukommen. Zum anderen ist es auch eine Geldfrage. Wenn eine Frau Geld hat, schafft sie es vielleicht, ein staatliches Gericht dazu zu bringen, ihren Peiniger zu verurteilen. Ist sie aber eine Indígenafrau ohne Geld... Vergessen Sie's! Es ist aber schon so, dass die MayaGesetzgebung immer weniger angewendet wird. Diese Tradition geht mehr und mehr verloren. Diesbezüglich setzen wir grosse Hoffnungen in die VGFriedensabkommenNF, denn dort werden unsere Rechte und unsere Traditionen geschützt. Hier in San Marcos gab es kürzlich ein Treffen der Indígenaorganisationen mit den Justizverantwortlichen, und es wird eine Zusammenarbeit mit den Friedensrichtern in den Gemeinden angestrebt, damit diese die Maya-Gesetzgebung kennen und respektieren lernen. Die anwesenden Richter waren sehr interessiert an einem Austausch. Frage: Was sind Ihre Forderungen an die neue Regierung in Bezug auf die Rechte der Maya-Frauen? C.L.C.: Unabhängig davon, wer die Wahlen gewinnt ­ denn letztendlich sind alle Parteien gleich ­ fordern wir die Umsetzung der Friedensabkommen. Weiter fordern wir eine Verfassungsänderung, weil dort die Wurzeln aller Diskriminierung vergraben sind. Die meisten unserer Gesetze wurden im Ausland geschrieben und von Guatemala übernommen. Sie haben nichts mit unserer Realität zu tun. Aber unabhängig davon, wer Präsident wird, werden wir unsere Arbeit weiterführen, werden unsere Analysen und Schlüsse ziehen und unsere Aktivitäten machen. Frage: Wie beurteilen sie den verbalen und tätlichen Angriff auf VGRigoberta MenchúNF im VGVerfassungsgerichtNF seitens Mitglieder der VGFRGNF? C.L.C.: Was Rigoberta dort erlebt

hat, ist das tägliche Brot der Maya-Frauen in Guatemala. Wir erleben das überall: Auf dem Markt sagt man Maria zu uns, im Bus schickt man uns in die hinterste Reihe. Nicht nur in den Schulen, in den Banken und in allen öffentlichen Institutionen, sondern auch in den Kirchen und evangelikalen Sekten werden die Maya-Frauen diskriminiert. Frage: Wie gehen Sie selber mit diesem Rassismus um? C.L.C.: Wenn ich die Zeit und den Nerv dazu habe, kläre ich die Leute über ein paar Begriffe auf. Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute sind sich selber nicht bewusst, was sie sagen. Und dann mache ich mir gerne die Mühe, ih-

nen zu erklären, was Sache ist. Wenn ich aber nicht mag, lass ich es einfach über mich ergehen. Aber ich lasse mich von solchen Sprüchen nicht fertig machen, denn ich weiss schliesslich, wer ich bin. Vielen Dank für das Gespräch!


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