Wem gehorcht der Präsident?
Fijáte 366 vom 15. Aug. 2006, Artikel 1, Seite 1
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Wem gehorcht der Präsident?
Der Rat der zentralamerikanischen Menschenrechts-Ombudsmänner (und -Frauen), der sich Anfang August in Guatemala zu einem Treffen zusammenfand, sprach sich gegen die Ratifizierung der
In Guatemala, wo das Freihandelsabkommen mit den USA Anfang Juli in Kraft trat, zeichnet sich bereits die erste Krise ab, weil Präsident Während der Debatte um die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit den USA wurden gebetsmühlenhaft dessen Vorteile für die nationale Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und schlussendlich für die ProduzentInnen und Konsument-Innen gepriesen. Ein Monat nach der Inkrafttretung des Abkommens, dessen erklärtes Ziel die Öffnung der Märkte ist, sieht sich die guatemaltekische Regierung gezwungen, erste Massnahmen zu ergreifen, um die nationale Hühnchenfleisch-Produktion zu "schützen". Die Vorgeschichte ist einfach und exemplarisch: In Guatemala werden jährlich rund 200'000 Tonnen Hühnchenfleisch konsumiert (rund 15 Kilogramm pro Person), ca. 150'000 Tonnen stammen aus einheimischer Produktion, der Rest wird importiert. 22'000 Tonnen können im Rahmen des Freihandelsabkommens zollfrei aus den USA importiert werden. Nach Guatemala gelangen dabei vor allem Fleischstücke minderer Qualität, z.B. Flügel, die, bevor sie nach Guatemala geschickt werden, zwischen zwei und fünfzig Monate lang tiefgefroren waren. Umgekehrt sind die Auflagen sehr hoch, damit guatemaltekische ProduzentInnen qualitativ besseres und entsprechend teureres Fleisch (z.B. Hühnchenbrust) in die USA exportieren können, wo dieses Fleisch vor allem in den Fast-Food-Ketten massenweise Absatz findet. Die guatemaltekischen Hühnchenfleisch-ProduzentInnen verlangen nun, die Einfuhrzölle für Hühnchenfleisch ausserhalb des 22'000 Tonnen-Kontingents von 15 auf 164% zu erhöhen, wie es in anderen Ländern Zentralamerikas bereits praktiziert wird, damit dieses Fleisch teurer ist als das einheimische und es entsprechend nicht durch seine Dumpingpreise die guatemaltekische Konkurrenz lahmlegt. Um ihrer Forderung (Nach-)Druck zu verleihen, erhöhten die grossen Hühnchenfleischproduzenten Guatemalas Ende Juli den Preis für ihre Produkte um 11%, was rund 0.30 US-$ pro libra (450 g) Fleisch ausmacht. Dies als kleinen Wink mit dem Zaunpfahl an Präsident Berger, dass es die Industriesektoren waren, die ihn an die Macht brachten und denen er nun etwas schuldig ist. Und er reagierte. Nachdem Berger zwar zuerst nichts von einer Erhöhung der Einfuhrzölle wissen wollte, beauftragte er später die Finanz-, Arbeits- und Landwirtschaftsministerien, einen Vorschlag zu erarbeiten, der "das Budget der KonsumentInnen nicht belastet und gleichzeitig die nationale Hühnchenfleischproduktion schützt" - ein Ding der Unmöglichkeit. KritikerInnen der Massnahme sind überzeugt, dass die Mehrkosten den KonsumentInnen aufgehalst werden und dass dies zusammen mit einer durch die Gegen die Erhöhung der Einfuhrzölle für Hühnchenfleisch spricht sich auch der guatemaltekische Kongress aus, der ja überhaupt für die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens verantwortlich ist. Die Kongressabgeordneten drohen damit, ihrerseits Schritte zu unternehmen, falls der Präsident dem Druck der HühnchenfleischproduzentInnen nachgäbe. Ein Möglichkeit wäre zum Beispiel die Ausarbeitung eines Gesetzes, das die Exekutive zwingt, Erhöhungen oder Senkungen von Einfuhrzöllen vom Kongress absegnen zu lassen. Gemäss verschiedenen Abgeordneten widerspricht die geplante Massnahme ganz klar dem Geist des Freihandelsabkommens. Pablo Duarte von den Unionistas meinte z.B., man könne keine Monopole mehr zulassen und Mario Taracena von der Berger rechtfertigt sich, indem er die Vereinigten Staaten beschuldigt, ebenfalls ihre nationale Industrie zu schützen, "obwohl sie von freiem Markt sprechen". Er müsse sich um die Arbeitsplätze seiner Leute kümmern, meinte Berger, denn "es nützt uns nichts, wenn wir billiges Hühnchenfleisch haben aber niemanden mehr, der es kaufen kann". Berger zieht offenbar in Betracht, eine Klage wegen unlauterem Wettbewerbs bei der |
Das "Hühnchen"- Beispiel veranschaulicht auf einfache Weise, was KritikerInnen der Freihandelsabkommen schon immer sagten: Dass nämlich dieser vermeintlich freie Markt nicht für alle Beteiligten auf die selbe Weise frei zugänglich ist, und dass die Abkommen zwischen politisch unterschiedlich mächtigen Partnern und zwischen Ländern mit wirtschaftlich und sozial sehr verschiedenen Realitäten geschlossen wurde. Ein Zusammenschluss von neun zentralamerikanischen Menschenrechtsorganisationen nutzte die 125. ausserordentliche Session der Hauptsorge dieser Organisationen ist, dass das Freihandelsabkommen DR-CAFTA den selben Stellenwert hat wie die von den Signaturstaaten unterzeichneten internationalen Menschenrechtsabkommen, und dass nirgends festgeschrieben steht, dass die Menschenrechtsabkommen über jeglichen Wirtschaftsabkommen zu stehen haben. Ausserdem haben die meisten zentralamerikanischen Länder die wichtigen internationalen Menschenrechts- und Arbeitsrechtsabkommen unterzeichnet - im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten. Um die bestehenden Asymmetrien zu veranschaulichen, zählen die VerfasserInnen des Berichts ein paar Beispiele auf: - Die Fläche ganz Zentralamerikas entspricht 4.5% der Fläche der Vereinigten Staaten. - Die Bevölkerung Zentralamerikas entspricht 11.7% der Bevölkerung der Vereinigten Staaten. - Die zusammengezählten Bruttoinlandsprodukte der sieben zentralamerikanischen Länder entsprechen 0.5% des US-amerikanischen Bruttoinlandprodukts. - 36% der Arbeitskräfte in Zentralamerika sind im Landwirtschaftssektor tätig. In den USA sind es 2%. Zu diesen geographischen und demographischen Ungleichheiten kommt hinzu, dass die einzelnen Länder unterschiedliche Verfassungen und Gesetzgebungen haben. Erste negative Auswirkungen des DR-CAFTA zeigt das Dokument an Beispielen aus Sicher ist es noch zu früh, um allgemeingültige Schlüsse über die Auswirkungen des DR-CAFTA zu ziehen, doch die ersten Erfahrungen aus El Salvador und die Diskussion um die guatemaltekischen Hühnchen lassen darauf schliessen, dass gewisse Befürchtungen von FreihandelsgegnerInnen nicht bloss so genannt anti-imperialistischem Gedankengut entspringen, sondern sich durchaus - und schnell - in der lokalen Realität widerspiegeln. |
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