Generalstaatanwalt Juan Luis Florido wird gegangen
Fijáte 416 vom 13. August 2008, Artikel 5, Seite 4
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Generalstaatanwalt Juan Luis Florido wird gegangen
Guatemala, 05. Aug. Letztendlich überraschte es eher weniger, dass Generalstaatsanwalt Juan Luis Florido Solis gekündigt hat, wie Präsident Álvaro Colom am 29. Juli offiziell verkündete. Aus rein persönlichen Gründen, hieß die Erklärung. Florido selbst behauptet, seine Entscheidung sei bedingt durch eine gegen ihn und seine Institution gefahrene Negativkampagne. Kurz vorher war publik geworden, dass in der Staatsanwaltschaft wichtige Prozess- und Ermittlungsakten verloren gegangen seien. In der letzten Zeit, vor allem seit Amtsantritt der neuen Regierung war die Kritik an demjenigen Mann schlicht zu laut geworden, der eigentlich für die Bekämpfung der Straflosigkeit im Land zuständig war. Kulminiert war die Missbilligung Anfang Juli in der Forderung von Seiten der Gewerkschaftsvereinigung UASP nach Absetzung von Florido "wegen Unfähigkeit und des geringen Fortschritts der Ermittlungen" und kurz darauf in der Liste, die der Chef der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), Carlos Castresana Colom vorlegte. Diese benannte zahlreiche Personen auf bestimmten Posten im gesamten Bereich des staatlichen Sicherheitssektors, die laut der Untersuchungen der CICIG eindeutig hemmenden Einfluss auf das Funktionieren der jeweiligen Institutionen haben und deswegen besser ausgewechselt werden sollten. Auch wenn das genaue Timing der Bekanntgabe offenbar nicht abgestimmt war und Florido zunächst seine Kündigung noch dementierte, haben er und Colom jedoch gemeinsam die nähere Zukunft abgesprochen. Florido wird als Botschafter nach Chile gehen. Damit ist ihm erst einmal seine Immunität gewährt und er, ausser Landes geschafft, auch zumindest zeitweilig und annähernd sicher vor möglichen Unmutsäusserungen von denjenigen, denen er in seiner Amtszeit nicht genehm war. Zweimal wurde Florido von Ex-Präsident Óscar Berger zum Generalstaatsanwalt ernannt. Das erste Mal, Ende Februar 2004, löste er den entlassenen Carlos de León Argueta ab, um dessen offiziell vierjährige Amtszeit bis 2006 zu vervollständigen. Nachdem er von der Auswahlkommission beim nächsten Mal mit in die Gruppe der sechs wählbaren Kandidaten aufgenommen worden war, wurde er 2006 für weitere vier Jahre gewählt, auch dank der Unterstützung, die er im Unternehmenssektor sicher hatte. Somit bekleidete er die Generalstaatsanwaltschaft knapp vier Jahre lang, so lang wie nur ein Generalstaatsanwalt, Adolfo González Rodas (1998-2002), vor ihm. Gemäss eines Leitartikels in der Tageszeitung elPeriódico wurde Florido 2004 als Nachfolger von de León Argueta mit Wohlwollen von Seiten der öffentlichen Meinung willkommen geheissen. Seine erste Aufgabe bestand darin, Ordnung in die Staatsanwaltschaft zu bringen und Gelder aufzutreiben, um diese umzustrukturieren. Er engagierte sich in der institutionellen Stärkung und zumindest zu Beginn in der Koordination mit den anderen Rechtsinstitutionen wie dem Innenministerium, dem Justizorganismus und dem Institut der Pflichtstrafverteidigung. Florido sei einer der Hauptinitiatoren des Nationalen Forensikinstituts (INACIF) gewesen, dem die wissenschaftliche Beweisführung obliegt, heisst es in elPeriódico. Unter Florido wurden einige wichtige Baumassnahmen durchgeführt, die Staatsanwaltschaft wurde modernisiert, er investierte in Weiterbildung und in die Erweiterung der landesweiten Abdeckung durch lokale staatsanwaltschaftliche Präsenz. Der Vorwurf gegen Florido kaum Ermittlungserfolge vorweisen zu können fällt gleichzeitig zurück auf die Nationale Zivilpolizei (PNC) und die Zusammenarbeit der beiden Institutionen. Denn gemäss gesetzlicher Regelung obliegt es allein der Polizei kriminalpolizeiliche Untersuchungen durchzuführen. Von Seiten der PNC stehen der Staatsanwaltschaft für diese Aufgabe jedoch gerade einmal 150 ErmittlerInnen zur Verfügung. Und auch ist es an der Polizei angeordnete Festnahmen zu realisieren, ebenfalls mit äusserst wenigen zuständigen AgentInnen. Nach oben |
Als ein Stein im Schuh des Generalstaatsanwalts drückt seit langem die fehlenden grundlegenden Ermittlungen im Mord an den drei salvadorianischen Abgeordneten des Zentralamerikanischen Parlaments und ihres Chauffeurs sowie der anschliessende Mord an den für die vorherige Tat mutmasslich verantwortlichen Polizisten im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses el Boquerón im Februar 2007. Bereits wenige Monate und noch weniger Beweismaterial und Untersuchungsergebnisse später erklärte Florido den Fall für abgeschlossen, obwohl die intellektuellen Täter derMorde bis heute nicht eindeutig identifiziert und dingfest gemacht sind. Noch im Vorfeld der angekündigten Kündigung Floridos bewertete Iduvina Hernández, Direktorin der Sicherheits- Menschenrechtsorganisation Sicherheit in Demokratie (SEDEM) die Absetzung dieses Funktionärs zwar nicht als die vollständige Lösung, hielt sie jedoch für das Mindeste, das in diesem Moment getan werden kann, um Veränderungen im Sicherheitssektor zu ermöglichen. Derweil ist Verónica Godoy von der Beobachtungs- und Unterstützungsinstanz für die öffentliche Sicherheit (IMASP) der Ansicht, dass es "unabhängig von einer Evaluation seiner Amtsführung (von Florido, die Red.) strukturelle Probleme gibt, die nicht dadurch bedingt sind, wer die Staatsanwaltschaft leitet". Die grösste Schwäche der Staatsanwaltschaft ist, so Godoy, die Beweisführung. "Die Staatsanwaltschaft mischt sich mittels der Kriminalpolizei DINC sehr in die Ermittlungen ein, aber die Anklage wird dadurch nicht verbessert." Derzeit, erläutert die Expertin, teilten sich die Ermittlungen auf zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Forensikinstitut INACIF, und es sei dringend nötig, die jeweilige Rolle zu definieren, denn das Problem würde dadurch eigentlich nur noch weiter unterteilt. Als weitere Schwachstellen der Verbrechensaufklärung werden neben der fehlenden Koordination zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft der unangemessene Umgang mit dem Tatort, die dilettantische Verwendung von wissenschaftlichem Beweismaterial, das Fehlen von Kriterien und Informationssystemen zur Verbindung von Fällen in Bezug auf den/ die TäterIn oder ihren modus operandi, die willkürliche Auswahl von Fällen für die Ermittlung und der mangelhafte ZeugInnen- und Opferschutz häufig genannt. Ganz offensichtlich wurmte Florido die Kritik durch CICIG-Chef Castresana und die Tatsache, das er selbst und seine Institution als erste von der Internationalen Kommission unter die Lupe genommen worden sind, denn er konnte sich bei seiner letzten Pressekonferenz nicht den Kommentar verkneifen, die CICIG als solche würde noch gar nicht funktionieren, denn sie habe ihr Personal noch gar nicht vollständig zusammengestellt, gleichwohl würden sie in ein paar Fällen Unterstützung leisten. Aber diese sei bislang sehr gering gewesen und bestünde im Endeffekt bloss darin, Kopien von Akten einzufordern, die vom Personal der Staatsanwaltschaft aufgesetzt worden seien. Statthaltend wird José Amílcar Velásquez Zaráte den Posten des Generalstaatsanwalts übernehmen. Bislang war der Rechtsanwalt und Notar mit 15jähriger Erfahrung in der Institution Chef der Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt. Rein formell kann er von Präsident Colom auch als Interimsnachfolger Florido offizielle Mandatszeit bis Mai 2010 ernannt werden, da er die dafür erforderliche Bedingung erfüllt, bei der letzten offiziellen Wahl zur Kandidatenrunde gehört zu haben. |
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