Coloms Kabinett
Fijáte 402 vom 23. Jan. 2008, Artikel 4, Seite 5
Original-PDF 402 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte
Coloms Kabinett
Guatemala, 19. Jan. Erst wenige Tage vor Amtsübernahme gab der neue Präsident Álvaro Colom die Namen seines Kabinetts bekannt, die zwei Schlüsselpositionen des Innenministeriums und des der Verteidigung aus vermeintlichen Sicherheitsgründen gar erst am Tag seiner Vereidigung. Dies sorgte nicht nur für Zweifel an der Professionalität und Seriosität des präsidialen Teams, dessen Zusammenstellung spätestens seit dem Sieg in der Stichwahl am 4. November und nicht erst eine Woche vor dem "Anpfiff" erwartet wurde. Schwerer noch wiegt die Kritik: Eine Frau und ein Indígena finden sich auf den Leitungsposten der insgesamt 13 Ministerien des Präsidenten, der nicht nur eine sozialdemokratische Regierungsführung angekündigt hatte, sondern gar eine mit "Maya-Gesicht und Duft nach Tamal", einem traditionellen Maisgericht. Unbeachtet dessen steht Ana Ordóñez de Molina dem Bildungsministerium vor und Gerónimo Lancerio ist Minister für Kultur und Sport. Diesem hängt zudem der "Makel" an, dass er als Unternehmensadministrator für den Agrarexportverband Agexport zuständig war, mehr als zehn Jahre in Europa gelebt hat und mehrere Sprachen spricht - aber eben als Indígena gerade einmal für den Kulturposten in Frage kommt, bemerkt der Anthropologe und Kolumnist Kajkoj (Maximo) Ba Tiul. Während indigene und BäuerInnenorganisationen sich von Colom missbraucht fühlen, schliesslich habe er Dank der Wahlstimmen aus dem Landesinneren seinen Posten errungen, häufen sich die ersten schrägen Schachzüge im und um das Bildungsministerium. Während seiner Kampagne schloss Colom einen Pakt mit dem Nationalen LehrerInnenverband ANM. Dieser schloss u.a. ein, dass die Gewerkschaft bei der Ernennung der Person mitreden dürfe, die das Ministerium leiten werde. Ausserdem sollte laut Vereinbarung das Bildungs-Selbstverwaltungsprogramm PRONADE abgeschafft werden. Doch der neue Präsident erinnerte sich dann weder an den einen noch den anderen Punkt. Ordóñez de Molina ist Betriebswirtschaftlerin und war zuständig für ein Bildungsprojekt der US-amerikanischen Kooperation US-AID, unter deren Schirmherrschaft diverse von UnternehmerInnen unterstützte Vorhaben vom vorherigen Bildungsministerium umgesetzt wurden. Fern von Coloms Partei Nationale Einheit der Hoffnung (UNE) sicherte sie als Finanzministerin unter Ramiro de León Carpio dem Unternehmensverband CACIF die wirtschaftliche Grundlage. Und PRONADE läuft weiter. Zwar wurden zwei von drei KandidatInnen für die Vizeposten eingesetzt, die der ANM vorgeschlagen hatte, doch schon kurz nach Ernennung drohte der inzwischen als präpotent geltende ANM-Führer Joviel Acevedo mit landesweiten Streiks aufgrund der dritten Vizebesetzung, Ordóñez de Molina wankte und wollte schon nachgeben, Colom hingegen hält an der Entscheidung fest. Der Rest des Kabinetts wird in zwei Gruppen charakterisiert: Die eine, hinter dem neuen Finanzminister Juan Alberto Fuentes Knight, deckt den Part der Sozialdemokratie ab, die Vergabe von Regierungsposten an die anderen gelten als politische Zahlung, sprich, Schuldigkeit gegenüber den Financiers von Coloms Wahlkampagne. Einige haben schon einmal einen Regierungsposten unter vorherigen Präsidenten innegehabt, sich als solche jedoch keinen oder vor allem keinen guten Ruf verschafft. Neu sind drei präsidiale Sekretariate: eins für Interinstitutionelle Beziehungen, eins für Spezielle Anliegen und eins für das Regierungskabinett, drei Räte sollen die strategischen Bereiche koordinieren: Soziale Kohäsion, Ländliche Entwicklung und Demokratische Entwicklung. Als weitere Umstrukturierungsmassnahme wird allein der Nationale Friedensfonds (FONAPAZ) von einem Direktor geleitet, der alle anderen Fonds dieser Art als Koordinator vorstehen wird. Und schliesslich wird die Präsidiale Menschenrechtskommission (COPREDEH), die bislang Frank LaRue geleitet hat, mit dem Friedenssekretariat (SEPAZ) zusammengelegt, um Funktionsdopplungen zu vermeiden. Geleitet wird das neue Präsidiale Sekretariat für Menschenrechte und Frieden (SEPREDEHPAZ) von niemand anderem als dem nicht unbestrittenen bisherigen Protagonist des Kollektivs Sozialer Organisationen (COS), Orlando Blanco. Dessen COS-Kollege Carlos Barrera übernimmt einen Vizeposten im Finanzministerium. Zwar versichern die beiden, dass ihre Nähe, Freundschaft und Kommunikation mit Álvaro Colom auf die Gründung der Allianz Neue Nation (ANN) 1999 zurückgeht und die Übernahme eines Regierungspostens eine rein persönliche Entscheidung und Anerkennung ihres Werdeganges sei. Doch einige der Organisationen des COS vermuten auch hier die Begleichung von Kampagnenschulden: Das COS hatte in der zweiten Wahlrunde eine schliesslich gerichtlich suspendierte Kampagne lanciert, in der es mit Slogans wie "Wähl keine Militärs" auf die aktive Zeit als Militärkommandant während des internen bewaffneten Konflikts von Colom-Herausforderer Otto Pérez Molina anspielten. Ein dritter Begünstigter im ehemaligen COS-Bunde ist Secil De León, Koordinator des Verbandes für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte. Ausschliesslich für seine Organisation hatte er im Rahmen der Haushaltsdebatte 2008 im Kongress Lobby gemacht und sich 1 Mio. Quetzales des Staatshaushaltes gesichert. Auch dies stiess im COS auf heftige Kritik. Im Innenministerium wird Adela Camacho de Torrebiarte - weil zu "bourgeoise" für eine sozialdemokratische Regierung - abgelöst von einem ihrer Vizeminister, Vinicio Gómez. Camacho de Torrebiarte wird die Leitung des Beratungsstabes in Sicherheitsfragen (CAS) übernehmen, Gómez den gemeinsam mit seiner Vorgängerin eingeschlagenen Weg fortsetzen. So bestand einer seiner ersten Aktionen in der Entlassung von weiteren 260 Mitgliedern der Nationalen Zivilpolizei aufgrund von Vergehen oder ungeklärten kriminellen Verwicklungen. Nach oben |
Eine Reihe von Verwicklungen dunkelster Art umgibt bereits den neuen Verteidigungsminister Marco Tulio García Franco. Auch wenn dieser bestreitet, in letzter Zeit den Kontakt gepflegt zu haben, ist doch bekannt, dass er seine Berufung wohl dem pensionierten General Francisco Ortega Menaldo zu verdanken hat, wenn nicht gar dem Ex-Präsidenten Jorge Serrano Elías, der seit 1994 nach einem gescheiterten Putschversuch und mit diversen Korruptionsvorwürfen belastet in Panama residiert. Während Ortega Menaldo als Kopf des als "cofradía" bekannten Grüppchens innerhalb des Militärs gilt, das kurz gefasst in Verbindung stand/ steht mit dem organisierten Verbrechen und den Mafias im Land, gehörte auch der neue Verteidigungsminister der cofradía an und war unter Serrano Elías prominentes Mitglied der "Eliteeinheit" G-2 des Militärgeheimdienstes, damals geleitet von Ortega Menaldo. Unter Alfonso Portillo übernahm García Franco die Leitung des G-2. Neben García Franco hat Ortega Menaldo noch weitere seiner Leute in Schlüsselpositionen im Verteidigungsministerium gehievt. Gegen den neuen Generalinspektor Julio Villagrán wurde vor zwei Jahren wegen des Verschwindens von fünf entführten Personen ermittelt, doch die Klage wurde schliess-lich fallen gelassen. Ein offener Prozess dagegen hängt dem Vizeminister Carlos René Alvarado Fernández an wegen Falschaussage und Verdunklung von ihm bekannten Umständen und Tatsachen im Mord gegen Bischof Juan Gerardi. Der Sicherheitsexperte Sandino Asturias erläutert unterdessen, dass die von Colom getätigten Besetzungen nicht der Richtung der Sicherheitspolitik entsprechen, die der Präsident im Vorfeld angekündigt hatte. Als starken "Sicherheits-Mann" in der neuen Regierung identifiziert Asturias Carlos Quintanilla, ein Ex-Militär und Eigentümer eines privaten Sicherheitsunternehmens. Quintanilla ist der neue Chef des Sekretariats für Verwaltungsfragen und die Sicherheit des Präsidenten (SAAS). Leiter des Sekretariats für Strategische Analyse (SAE) ist Gustavo Solano, ebenfalls ein ehemaliger Militärs - und beides sind Institutionen, die im Rahmen der Friedensverträge als rein zivile Einrichtungen geschaffen wurden und den inzwischen aufgelösten Generalstab des Präsidenten ablösen sollte. Und zu guter letzt ist auch der neue Direktor des Gefängnissystems ein ehemaliger Militär. In der ersten Session des Kongresses wurden unterdessen nicht nur die Sitze im Vorstand verteilt, der weiterhin von UNE-Mitglied Eduardo Meyer geleitet wird und drei weitere UNE-Leute vorweist, zwei Vizeposten gingen an die Republikanische Front Guatemalas (FRG) und werden vom bisherigen Fraktionschef Aristedes Crespo und der Tochter von Efraín Ríos Montt, Zury Ríos, besetzt, einen letzten Sitz im Vorstand übernimmt die Einheit des Nationalistischen Wandels (UCN) und einen die Unionistas. Auch die 45 Arbeitskommissionen sind unter den Parteien aufgeteilt. Dem Zynismus zu Ehren, wird just die Menschenrechtskommission von der FRG übernommen, während deren Altvater Ríos Montt zwar im Land dem Prozess erst einmal entkommen ist und durch seine Wiederwahl als Abgeordneter eine gewisse Immunität geniesst, doch der Gerichtsprozess gegen ihn und weitere militärische und zivile Funktionsträger während des internen bewaffneten Konflikts wegen Völkermordes wird von Seiten des Spanischen Gerichtshofes weiterverfolgt. (siehe separater Artikel) |
Original-PDF 402 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte