Zwischenfälle nach Bekanntgabe der Wahlresultate
Fijáte 198 vom 17. Nov. 1999, Artikel 5, Seite 6
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Zwischenfälle nach Bekanntgabe der Wahlresultate
Guatemala, 16. November. Von der Hauptstadt bis in die kleinsten Gemeinden an der Pazifikküste, im Norden und Westen des Landes, haben die Wahlresultate zu tätlichen Auseinandersetzungen, Vorwürfen des Wahlbetruges und zur Forderung nach Annulierung der Ergebnisse geführt. Die Republikanische Front Guatemalas (FRG) hat am 10. November beim Obersten Wahlgericht die Ergebnisse in der Hauptstadt angefochten und eine Wiederholung der Wahlen verlangt. Sie wirft der Regierungspartei vor, die BürgermeisterInnenwahlen manipuliert zu haben. Das Oberste Wahlgericht hat diesen Rekurs als unbegründet und nicht dem Wahlreglement entsprechend, abgelehnt. Im Moment ist noch ein zweiter, vom Generalsekretär Rios Montt persönlich eingereichter Rekurs offen. Die Wahlbehörden des Departementes Escuintla hingegen, haben die Wahlen in Santa Lucía Cotzumalguapa und Puero Itzapa als ungültig erklärt und eine Neuwahl angeordnet. In Santa Lucía Cotzumalguapa haben über 500 Personen gegen die Wiederwahl des FRG- Bürgermeisters César Duarte protestiert und damit gedroht, das Bürgermeisteramt anzuzünden. Da ein Teil der Wahlzettel verbrannt wurde, war es unmöglich, eine zweite Stimmenauszählung vorzunehmen und der Wahlvorgang muss wiederholt werden. In Itzapa wurden sämtliche Stimmzettel gestohlen. In Chuarrancho, einer Gemeinde des Departementes Guatemala, haben Mitglieder der FRG nach Bekanntgabe der Niederlage ihres Kandidaten sämtliche Wahlzettel zerstört. Gewonnen hat in dieser Gemeinde der Kandidat der PAN. In der Gemeinde Purulhá, Baja Verapaz, wurde vom wiedergewählten PAN-Bürgermeister, Sebastián Castro García der sofortige Rücktritt gefordert. Ihm wird vorgeworfen, während der vergangenen Regierungsperiode Gelder veruntreut zu haben. BürgerInnen der umliegenden Dörfer errichteten am Eingang von Purulhá Strassenblockaden, bewarfen das Haus Castro Garcías mit Steinen und drohten damit, ihn zu lynchen. Castro García erhielt 26 Stimmen mehr als sein Konkurrent der FRG, Guillermo Ramos Palacios. Vor rund 5000 Personen, in Anwesenheit von MINUGUA und des Menschenrechtsprokurators, unterschrieb Castro García seinen Rücktritt, worauf sich die Menschenmenge beruhigte. Die Wahlbehörde akzeptierte jedoch den Rücktritt nicht. Zuerst müsse er sein Amt antreten, bevor er es wieder kündigen könne. In Quezada, Jutiapa, haben Personen, die sich nicht einer Partei zugehörig erklärten, jedoch den Kandidaten der FRG unterstützen, das Bürgermeisteramt besetzt und sämtliches Mobiliar zerstört. Sie protestierten damit gegen die Wiederwahl des PAN-Kandidaten, Jaime Martínez, der ihrer Meinung nach nur durch Wahlbetrug wieder an die Macht gekommen ist. Martínez wird ausserdem vorgeworfen, die Statue einer Dorfheiligen gestohlen zu haben. In Chiquimulilla, Santa Rosa, haben hunderte von Personen gegen die Wiederwahl des PAN-Bürgermeisters Mario de Jesús Melgar Arias protestiert und ebenfalls damit gedroht, das Bürgermeisteramt anzuzünden. In Quetzaltenango, der zweitgrössten Stadt Guatemalas, wird die Wiederwahl des vom Comité Civico Xel-Ju aufgestellten Bürgermeisters Rigoberto Quemé Chay angefochten. Mit 11'507 Stimmen erhielt er lediglich 86 Stimmen mehr als sein Gegner von der FRG, Labrenti Cabrera, der sofort die Anfechtung des Ergebnisses verkündete. Nach oben |
Bei Bekanntgabe der Resultate versicherte die Präsidentin der zuständigen Wahlbehörde, Carolina Rodríguez de Robordelo, bei der Wahlkampagne des Xel-Ju sei es nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen und fordert eine Neuwahl, zu der jedoch das Comite Civico nicht mehr zugelassen ist. Sie sei gerufen worden, um Zeugin davon zu sein, wie VertreterInnen des BürgerInnenkomitees von Haus zu Haus gegangen sei und den Leuten Geld für ihre Stimmabgabe für Quemé Chay angeboten habe. Sie selber sei dabei tätlich angegriffen worden. Das BürgerInnenkomitee Xel-Ju seinerseits kritisiert, Rodríguez sei nicht in Begleitung eines Staatssanwaltes gewesen, der ihre Beobachtungen bestätigen könne und zweifelt an ihren Aussagen. Ausserdem wird ihr vorgeworfen, sie stehe der FRG nahe, und sei für diese Partei als mögliche Kandidatin für den Kongress zur Diskussion gestanden. Quemé Chay selber streitet alle Vorwürfe ab. Es existierten keinerlei Beweise und er werde gerichtlich gegen Rodríguez vorgehe, da sie ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl in ein Privathaus eingedrungen sei. Der Präsident des Kogresses und Mitglied der PAN, Leonel López Rodas, steht hinter Quemé Chay. Das Volk habe ihn ausgewählt und diese Wahl müsse akzeptiert werden. Ebenso sprechen verschiedene VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen ihr Vertrauen in Quemé Chay aus. Unter ihnen befindet sich Rigoberta Menchú, die im Namen ihrer Stiftung sprach, Frank LaRue von der Menschenrechtsorganisation CALDH, Miguel Angel Albizures von der Aktion gegen Straffreiheit und andere. Die Entscheidung, ob es in Quetzaltenango zu Neuwahlen kommt, steht noch aus. Die Koordination der Mayaorganisationen COPMAGUA, befürchtet, die Auseinandersetzung in Quetzaltenango könnte zu einem Konflikt zwischen Ladinos und Indigenas führen. Die Kampagne gegen Quemé Chay sei ein typisches Beispiel dafür, dass es gewisse rassistische Kreise gäbe, welche die Indigenas aus der Politik ausschliessen wollten. Andere AnalytikerInnen warnen davor, den Auseinandersetzungen rund um den Wahlprozess eine ethnischen Dimension zu verleihen. Vorfälle ähnlicher Art fanden auch in verschiedenen anderen Gemeinden statt. Interessant dabei ist, dass es fast immer um Streitereien zwischen der FRG und der PAN geht. Von verschiedenen BeobachterInnen werden diese Zusammenstösse auf die aggressive Stimmung während der Wahlkampagne zurückgeführt. Von den Leuten der Basis sei dies als Freibrief verstanden worden, diese Stimmung in Taten umzusetzen. Um solche Zwischenfälle in Zukunft vermeiden zu können, sei es nötig, das Wahlgesetz zu überarbeiten und einen Mechanismus einzuführen, mit dem Vorkommnisse dieser Art bestraft werden können. Die beiden Kandidaten der zweiten Wahlrunde, Berger und Portillo, werden davor gewarnt, diesen Ton auch im weiteren Wahlkampf weiterzuführen. Da es jetzt nur noch um sie zwei gehe, werde es zu einer noch stärkeren Polarisierung innerhalb der Bevölkerung kommen, was vor allem in den Gemeinden zu einem Klima der Unsicherheit bis Unregierbarkeit führen könne. Aber auch die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, die Ruhe zu bewahren und sich nicht provozieren zu lassen. Das Oberste Wahlgericht bezeichnet die Wahlen vom vergangenen 7. November als die schwierigsten und gewalttätigsten der letzten Zeit. In den sechzehn Jahren, seit denen es diese Wahlbehörde nun schon gibt, sei es nie zu so vielen problematischen und gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen wie dieses Mal. |
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