"Der einfachste Weg ist, alle GewerkschaftsführerInnen umzubringen..."
Fijáte 198 vom 17. Nov. 1999, Artikel 1, Seite 1
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"Der einfachste Weg ist, alle GewerkschaftsführerInnen umzubringen..."
In den letzten Wochen häuften sich die Berichte über die Arbeitskämpfe auf den Bananenfincas in der Region Izabal, an der Atlantikküste Guatemalas. Der momentane Höhepunkt wurde Mitte Oktober erreicht, als eine bürgerwehrähnliche Gruppe die Gewerkschaftsführer der BananenarbeiterInnengewerkschaft gewaltsam zum Rücktritt zwang. Dies hat eine nationale und internationale Solidaritätswelle ausgelöst. Der nachfolgende Artikel zeigt auf, dass den Bananenmultis alle Mittel recht sind, um den Aufbau von Gewerkschaften zu verhindern. Er ist eine Chronik der Ereignisse der letzten eineinhalb Jahre. Der Artikel von Marlies Küpfer erscheint in der Dezemberausgabe der Zeitschrift Correos de Centroamérica. Anfang Februar 1998 fing in den Bananenfincas in der Region von Izabal an der Atlantikküste Guatemalas ein Konflikt zwischen FincaarbeiterInnen und Fincabesitzern an, der sich zu einer langen Sache entwickeln sollte, gleichzeitig aber nicht der Erste seiner Art war. Die ArbeiterInnen der Fincas Alabama, Arizona, Mopa und Panorama verlangten bessere Arbeitsbedingungen und die juristische Anerkennung ihrer Gewerkschaft. Die Fincabesitzer reagierten darauf, indem sie zuerst die 22 Mitglieder des Komitees entliessen und in der Folge alle 400 ArbeiterInnen, mit der Ziel, den Versuch der ArbeiterInnen, sich zu organisieren, im Keim zu ersticken. Um gegen die Entlassungen zu protestieren, besetzten die ArbeiterInnen die Fincas, worauf die Besitzer vom Staat deren Räumung verlangten. Ein erster Räumungsversuch im April 1998 kam nicht zur Ausführung, weil die 400 Polizisten sich 3000 ArbeiterInnen gegenübersahen, die nicht bereit waren, einfach zu gehen. Die Inhaftierung zweier Gewerkschaftsführer der Gewerkschaft der BananenarbeiterInnen von Izabal (SITRABI) goss noch mehr Oel ins Feuer. Diese kamen am 27. April gegen eine Kaution von 20'000 Quetzales (ca. 2500 US-$) wieder auf freien Fuss, während die Räumungsbefehle durch einen Rekurs, von SITRABI, vorläufig ausser Kraft gesetzt waren. Auf Druck linker Kongressmitglieder fing der Arbeitsminister Luís Felipe Linares Verhandlungen mit den Arbeitgebern und den Gewerkschaften an. Nachdem am 28.April das Appellationsgericht den Räumungsbefehl für rechtskräftig erklärte, drohten die Arbeiter-Innen, welche die betroffenen Fincas Mopa und Panorama besetzt hielten damit, dass beim Versuch, die Räumung durchzuführen, Blut fliessen werde. Sie seien entschlossen, sich ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisation nicht nehmen zu lassen. Am 4. Mai 1998 blockierten 5000, in zwölf Gewerkschaften organisierte BananenarbeiterInnen die Strasse zwischen Puerto Barrios und Entre Rios, um weiterhin ihrer Forderung nach Wiedereinstellung der Entlassenen und für gewerkschaftliche Organisation, Lohnerhöhung und bessere Lebensbedingungen Nachdruck zu verleihen. UNSITRAGUA (ein nationaler Gewerkschaftszusammenschluss, in dem sehr viele Campesino-Gewerkschaften Mitglieder sind) teilte mit, dass ArbeiterInnen der Fincas Alabama und Panorama von Privathelikoptern aus beschossen und zwölf von ihnen verletzt worden waren. Die besetzenden ArbeiterInnen zogen nach 24 Stunden ab, nachdem eine Komission mit hohen Regierungsfunktionären, dem staatlichen Menschenrechtsbüro, den Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen gebildet worden war. An der ersten Sitzung dieser Komission teilte der Menschenrechtsprokurator mit, dass Mitglieder des Menschenrechtsbüros auf einem Besichtigungsrundgang duch die Fincas von bewaffnetem Sicherheitspersonal bedroht worden waren. Beim Verlassen einer Sitzung ebendieser Komission wurden zwei Gewerkschafter von SITRABI verhaftet, was tags darauf zu einem Streik auf dreizehn Fincas führte. Mit den Besitzern einer Finca namens Panchoy konnte ausgehandelt werden, dass die entlassenen ArbeiterInnen wieder einstellt wurden und die Arbeit wieder aufgenommen wurde. Am 10. und 11. Juni 1998 versuchten "Ordnungskräfte" die Finca Mopa zu räumen, mussten aber angesichts der Übermacht und Entschlossenheit der BesetzerInnen ihr Unterfangen wieder aufgeben. Ein von der oben erwähnten Komission vorgelegter Vorschlag zur Beilegung der Konflikte wurde von den Fincabesitzern abgelehnt, u.a. mit der Begründung, es sei gar nicht möglich, die ArbeiterInnen wieder einzustellen, da diese die Plantagen so nachhaltig zerstört hätten, dass es Jahre dauern werde, bis darauf wieder produziert werden könne. Die lateinamerikanische Koordination der BanananarbeiterInnengewerkschaften (CLSB) beschloss ihrerseits, die laufenden Arbeitskämpfe gegen die transnationale Chiquita Brands in Panama und Guatemala zu unterstützen. Zur gleichen Zeit gab UNSITRAGUA bekannt, dass mehrere Männer, die von den Fincabesitzern angeheuert worden waren, "Kriegsausrüstung" (Gewehre, Granaten, Tränengaspetarden) auf die Fincas brachten und damit die Leute bedrohten und einschüchterten. Die ArbeiterInnen befürchteten einen brutalen Räumungsversuch von Seiten der Besitzer. Im August bestätigte das Arbeitsgericht den in erster Instanz angefochtenen Entscheid, welcher den seit Februar andauernden Streik als illegal erklärte. Daraufhin kündigten die Fincabesitzer an, dass sie in den nächsten Tagen alle Angestellten, die den Streik unterstützten, entlassen würden. Neben den lateinamerikanischen BanananarbeiterInnen-Gewerkschaften fingen jetzt auch Gewerkschaften in einigen europäischen Ländern an, sich öffentlich gegen die Politik der Bananenmultis zu äussern. Der Auslöser dafür war das Auftauchen von paramilitärischen Gruppen sowohl auf den Fincas in Guatemala wie auch in Kolumbien. Im November 1998 verwüstete der Hurrikan Mitch grosse Teile der Bananenanbauregionen Zentralamerikas. Ein Grossunternehmen wie Chiquita Brands oder Del Monte Fresh Products trifft eine solche Naturkathastrophe nicht auf dieselbe Weise wie die Kleinbauern. Grossunternehmen haben natürlich entsprechende Versicherungen abgeschlossen. Das hindert sie aber keineswegs daran, die Situation als Vorwand zur Entlassung von tausenden von Angestellten zu benützen. Die Corporación Bananera z.B., eine Tochterfirma der Standard Fruit Company (Dole) entliess 600 Arbeiter-Innen, was sie mit vom Mitch angerichteten Schäden begründete. Da die BananenplantagenarbeiterInnen aber nur eine Gruppe unter vielen Mitchgeschädigten waren, blieb es relativ still um ihr Schicksal. In die Schlagzeilen gerieten sie erst wieder, als im März 1999 Schlag auf Schlag vier Gewerkschaftsführer ver-haftet wurden, drei von ihnen von der Polizei, der vierte von der Privatpolizei der Companía Bananera SA (COBSA, ebenfalls Dole). Dieses Vorgehen rief auf nationaler Ebene einige empörte Reaktionen verschiedener Volksorganisationen und für einmal auch der URNG hervor. UNSITRAGUA wies darauf hin, dass die weiteren, über 100 Haftbefehle gegen GewerkschafterInnen nur deshalb nicht ausgeführt würden, weil durch die internationale Kampagne Aufsehen erregt worden war und die hiesigen von ausländischen Gewerkschaften Unterstützung erhalten hatten. Anfang Juni verkündeten die verschiedenen Bananenproduzenten, dass die Mitch-Wideraufbauprojekte erste Resultate zeigten. Der Arbeitsminister Linares verkündete seinerseits, das Projekt "Lebensmittel gegen Arbeit" werde während weiteren drei Monaten fortgesetzt. Das Ziel sei es, den ArbeiterInnen, die nach dem Mitch ohne Anstellung blieben, eine Überlebensmöglichkeit zu geben. BANDEGUA (Del Monte) teilte mit, fast alle ihre Plantagen wieder in Betrieb nehmen zu können. COBSA (Dole) hingegen gab bekannt, aus Mangel an finanziellen Mitteln nur 300 von 1000 Hektaren sanieren zu können. Nach oben |
Die Gewerkschaftsseite betonte einmal mehr, dass die Bosse den Mitch ausnützten, um die Gewerkschaften zu zerstören und ihre Fincas ohne die Entlassenen wieder aufzubauen. Sie betonten ebenfalls, dass sie vom Staat keinerlei Hilfe bekommen hätten. Laut UNSITRAGUA dauert auf den acht Fincas im Besitz von Dole ein Arbeitstag von fünf Uhr morgens bis neun Uhr nachts. Am 27. September dieses Jahres entliess BANDEGUA (Del Monte) 897 ArbeiterInnen dreier Fincas. Begründung: Die geringe Nachfrage nach Bananen auf dem Weltmarkt und die durch anhaltend starke Regenfälle verursachten Produktionsausfälle. Die Gewerkschaft SITRABI hielt dem entgegen, dass die drei Fincas verkauft werden sollten, also sehr wohl produktiv seien. Am 2. Oktober streikten die 2000 ArbeiterInnen der anderen acht Del Monte- Fincas, während die Entlassenen vor dem Haus des möglichen zukünftigen Besitzers demonstrierten. Die breite Solidarität unter den ArbeiterInnen kam unter anderem deshalb zustande, weil die (noch) nicht direkt Betroffenen befürchteten, ihnen könne es ebenso ergehen, speziell weil alle Fincas durch den über die Ufer tretenden Fluss Motagua und die anhaltenden Regenfälle in Mitleidenschaft gezogen waren. Und dann eskaliert die Situation noch mehr: Am 13. Oktober wurde bekannt, 22 Gewerkschaftsführer von SITRABI seien von der Bevölkerung von Morales dazu gezwungen worden, zurückzutreten. Das, weil ebendiese Bevölkerung nicht mitansehen könne, wie die Bananenproduktion gestoppt werde, da sie davon in Mitleidenschaft gezogen werde. Ihr Rücktritt war in der Nacht vor einer geplanten Strassenblockade am Eingang von Morales, erzwungen worden. Der Arbeitsminister erklärte daraufhin, der erzwungene Rücktritt der Gewerkschafter sei nicht rechtskräftig, da nur die Vollversammlung der BananenarbeiterInnen oder ein Gerichtsentscheid diesen aussprechen könne. Ebenfalls wurde bekannt, dass die Gewerkschafter mit dem Tod bedroht worden sind. Erst in der darauffolgenden Woche, nachdem alle Gewerkschaftsführer und ihre Familien in der Hauptstadt eine sichere Zuflucht gefunden hatten, wurde bekannt, was in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober wirklich vor sich gegangen war: An besagtem Abend kamen schätzungsweise 200 schwerbewaffnete Männer zum Gewerkschaftshaus, nahmen dort zwei Mitglieder des Exekutivkomitees fest, fuhren mit ihnen zum Haus des Generalsekretärs der Gewerkschaft, den sie, bevor sie ihn ins Auto verluden, verprügelten. Ebenso zwangen sie die Gewerkschafter dazu, die weiteren Mitglieder des Exekutivkomitees und andere Gewerkschaftsführer in das Gewerkschaftshaus zu rufen. Einer der Gewerkschafter beschrieb den Hergang des Geschehens folgendermassen: "Der erste, der sprach, war der Präsident der lokalen Handelskammer, der mitteilte, BANDEGUA habe sie dahingehend informiert, dass das Unternehmen Guatemala verlassen werde, wenn die Demonstration vom 14. Oktober stattfinden würde. Er sagte uns, dies dürfe nicht geschehen, denn sonst würde Morales zu einer Geisterstadt, und deshalb müssten wir zurücktreten. Dann sprach der Komandant der Bewaffneten und erklärte, es gebe nur einen Weg, um das Problem zu lösen und der sei, alle Gewerkschaftsführer umzubringen. Er ordnete an, uns zu fotographieren, so dass wir jederzeit wiedererkannt werden könnten. Er zwang uns, über das Gemeinderadio die ArbeiterInnen aufrufen, am nächsten Tag nicht an der Demonstration teilzunehmen und den entlassenen ArbeiterInnen von Bobo anzuordnen, ihre Abfindung zu kassieren und von den Plantagen zu verschwinden." Zwei der Gewerkschaftsführer wurden zur lokalen Radiostation mitgenommen und dort mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, den ArbeiterInnen mitzuteilen, es sei eine Einigung mit BANDEGUA erreicht worden und es bestehe keine Notwendigkeit für die Demonstration. In der Zwischenzeit hatten die Bewaffneten einen Juristen herbeigeschafft, der die Rücktritte der Gewerkschaftsführer notifizierte. Ebenso wurden sie gezwungen, ihre Arbeit bei BANDEGUA zu kündigen. Währenddessen wurden im Gewerkschaftshaus die Gewerkschftsführer verspottet und gefilmt, während sie unter Zwang aussagen mussten, ihr Rücktritt sei freiwillig. Um 2 Uhr morgens wurden sie mit dem Befehl, Morales zu verlassen und nie mehr wierderzukommen, freigelassen. Noch ein interessantes Detail: Das Gewerkschaftshaus liegt nur ca. 400 m vom Polizeiposten entfernt, aber trotz dem Hin und Her von Fahrzeugen mit schwer bewaffneten Insassen und den Bewaffneten, die das Gewerkschaftshaus umstellt hatten, mischte sich die Polizei zu keinem Zeitpunkt ein. MINUGUA bezeichnet diese Vor-kommnisse als die schlimmste Verletzung der Friedensverträge seit dem Mord an Bischof Gerardi. Die Gewerkschaftsführer und ihre Familien stehen zur Zeit unter dem Schutz von MINUGUA, sind aber auf der Suche nach einem Exilland, da sie davon ausgehen, dass die Leute, die sie bedroht haben, entsprechende Beziehungen haben, um sie überall in Guatemala aufspüren und umbringen zu können. Am 25.Oktober fand im Sitz der Guatemaltekischen ArbeiterInnenunion UGT, eine Pressekonferenz statt, an der auch der Exekutivdirektor des "Projektes für ArbeiterInnensolidarität USA-Lateinamerika" teilnahm, um direkt über die Protestaktionen sowohl gegen Del Monte Fresh Products wie auch über das Verhalten der guatemaltekischen Regierung in dieser Geschichte zu informieren. Auch bei europäischen Organisationen riefen die Ereignisse Besorgnis und Proteste hervor. Das Arbeitsministerium informierte in einem Inserat, dass sich, nachdem BANDEGUA die Entlassungen ausgesprochen hatte, SITRABI an das Ministerium gewandt habe, welches sogleich intervenierte und BANDEGUA darauf aufmerksam machte, dass die Entlassungen illegal seien. Die Gewerkschaft habe sich sehr kooperativ gezeigt, habe sogar die Möglichkeit eingebracht, dass die ArbeiterInnen selber die Fincas übernehmen und weiterführen könnten. Das Arbeitsministerium habe, als es von den Protestaktionsabsichten der Gewerkschaft erfuhr, ihr von illegalen Aktionen abgeraten, was aber in keiner Weise das Vorgehen gegen diese rechtfertige. BANDEGUA ihrerseits bezeugt in einem Inserat, überhaupt nichts mit den Geschehnissen in der Nacht des 13. Oktobers zu tun zu haben und schreibt, falls die Rücktritte der Gewerkschaftsführer gegen deren Willen gewesen seien, würde BANDEGUA diese Rücktritte nicht anerkennen. Zum grossen Erstaunen der Schreiberin dieses Artikels bedauerte auch der CACIF ( rechter Unternehmerverband) in einem Inserat die Vorkomnisse und rief Staat und Justiz dazu auf, die Schuldigen festzustellen und vor Gericht zu bringen. Bis jetzt hat die guatemaltekische Regierung keine Schritte unternommen, um die Männer zu verhaften, welche die Gewerkschafter unter Waffenandrohung zum Rücktritt zwangen. Den Behörden sind die Namen von mindestens vierzig an der Aktion Beteiligten bekannt. Es könne jedoch nichts unternommen werden, solange keine offizielle Anzeige vorliege, hiess es. Die Gewerkschafter ihrerseits sind aber erst dann dazu bereit,eine Anzeige einzureichen, wenn ihnen und ihren Familien Schutz zugesichert wird. |
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