Rigoberta Menchú klagt Militärs an
Fijáte 200 vom 15. Dez. 1999, Artikel 6, Seite 5
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Rigoberta Menchú klagt Militärs an
Guatemala, 2. Dezember. Die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú reichte stellvertretend für die über 200'000 Opfer des Genozides in Guatemala beim Nationalen Spanischen Gerichtshof eine Klage gegen die verantwortlichen Militärs ein. Ihre Klage basiert auf drei spezifischen Fällen: Der Überfall auf die spanische Botschaft am 31. Januar 1980, bei dem 37 Personen starben, unter anderen der Vater der Klägerin sowie drei spanische Staatsangehörige; die Ermordung von vier spanischen Priestern, sowie die Ermordung und Folterung anderer Familienangehöriger Menchús, u.a. ihrer Mutter, während der Militärdiktatur. Begleitet wurde Rigoberta in Spanien von Mario Polanco der Gruppe gegeseitiger Hilfe, GAM, der aussagte, weitere Fälle von Menschenrechtsverletzungen vorlegen zu können. Menchú hofft, dass sich auch die Familienangehörigen der spanischen Opfer ihrer Klage anschliessen. Der Nationale Spanische Gerichtshof untersucht seit 1996 Fälle von Menschenrechtsverletzungen während der Diktaturen in Argentinien und Chile. Im Fall Chiles führten sie zur Verhaftung des Generals Augusto Pinochet in London vor gut einem Jahr. Als Hauptverantwortliche für den Völkermord, Folter und Staatsterror klagt die Nobelpreisträgerin die Generale Efraín Ríos Montt, Oscar Humberto Mejía Víctores, Fernando Romeo Lucas García, Angel Aníbal Guervara Rodríguez , Benedicto Lucas García sowie den Oberst Germán Chupina Barahona an. Sie sei aber durchaus bereit, im Verlauf der Verhandlung auch noch andere Namen zu nennen, meinte Menchú. In einem von der Rigoberta Menchú-Stiftung veröffentlichten Kommuniqué hiess es, die Klage stütze sich hauptsächlich auf die Ergebnisse und Schlüsse der Untersuchung der Wahrheitskommission CEH 'Erinnerung des Schweigens' sowie auf den Bericht des erzbischöflichen Menschenrechtsbüros 'Guatemala - nie wieder'. Ebenso beziehe sie sich auf die internationalen Menschenrechtsabkommen, auf die guatemaltekische Verfassung sowie auf Präzedenzfälle und hoffe, dass diese Verbrechen nicht unbestraft blieben. Menchú fordert die sofortige Aufnahme des Verfahrens und den Beginn der Beweisführung gegen die von ihr angeklagten Personen. Der Nationale Spanische Gerichtshof beauftragte den Richter Guillermo Ruiz Polanco mit dem Fall und es ist zu erwarten, dass sich der Gerichtshof innerhalb der nächsten acht Wochen zur Klage äussert. Die Klage Rigoberta Menchús hat in Guatemala die verschiedensten Reaktionen ausgelöst. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen, u.a. die Familienangehörigen und FreundInnen von Veschwundenen, die Myrna Mack-Stiftung sowie die Koordination der Mayaorganisationen COPMAGUA unterstützten die Aktion Rigobertas. Nach oben |
Der Präsidentschaftskandidat der ultrarechten FRG, Alfonso Portillo, nahm an einer Wahlveranstaltung in Jutiapa Stellung zur Anklage: "Wer eine Klage gegen den General Ríos Montt lanciere, respektiere das Land nicht und habe kein Vertrauen in dessen interne Gesetze." Ríos Montt selber meinte, falls er tatsächlich die spanische Botschaft angezündet hätte, müsste er logischerweise auf den Fotos von diesem Ereignis erscheinen. Der Militäranwalt Julio Cintrón Gálvez bezeichnete die Aktion Menchús als Verrat und Verletzung der Verfassung und reichte seinerseits eine Klage bei der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft gegen sie ein. Der Aussenminister, Eduardo Stein, meinte, dasselbe was Pinochet geschehen sei, könne auch den von Menchú angeklagten Generälen blühen. Guatemala habe die selben internationalen Menschenrechtsabkommen unterzeichnet wie Chile und entsprechend würden wohl auch die Fälle ähnlich behandelt. Falls Spanien ein Auslieferungsgesuch stelle, würde dieses sofort an die guatemaltekischen Justizbehörden weitergeleitet. Als 'egoistisch' und als 'politischen Schachzug' qualifizierten die Kolumnisten verschiedener guatemaltekischen Tageszeitungen die Klage Rigobertas. Oscar Clemente Marroquín beschuldigte sie in La Hora, der FRG wahltaktisch schaden zu wollen, was inhaltlich der Klage bloss schade. Wer sich der Gerechtigkeit verpflichte, müsse das ohne Eigen- oder Parteiinteresse tun, meinte Marroquin weiter. Die Prensa Libre ihrerseits kritisierte, dass Rigoberta ihre persönliche Genugtuung suche, währenddem sämtliche in den Krieg involvierten Parteien an einer Versöhnung interessiert seien. "Frieden bedeutet nicht Gerechtigkeit" hiess der Artikel, der implizierte dass, wer dem bewaffneten Kampf abschwört, kein Recht darauf habe, Vergangenes zu kritisieren: "Allein die Tatsache, dass die ehemalige Guerilla neu im Kongress vertreten ist und in einer konstruktiven Form über die nationale Politik diskutiert, ist ein grosser Fortschritt. Die Aufgabe Menchús ist es, Frieden zu stiften und nicht, alte Geschichten aufzuwärmen". Einen Tag später schrieb Sam Colop, ebenfalls im Editorial der Prensa Libre: "Ich bin nicht einverstanden mit denjenigen, die sagen, die Nobelpreisträgerin dürfe die Wasser nicht mehr aufwühlen, weil "Friede nicht gleichbedeutend mit Gerechtigkeit" sei. Friede bedeutet nämlich auch nicht Ungerechtigkeit oder Amnesie. Weshalb soll Menchú angesichts dieser Ungerechtigkeiten schweigen? Vergessen, ohne vorher Gerechtigkeit zu üben, beinhaltet das Risiko, schwere Verbrechen zu decken und Vergangenes zu wiederholen." |
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