Die Wahlen in Guatemala: Der grosse Sieger ist die FRG
Fijáte 198 vom 17. Nov. 1999, Artikel 3, Seite 4
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Die Wahlen in Guatemala: Der grosse Sieger ist die FRG
Bei einer für guatemaltekische Verhältnisse sehr hohen Stimmbeteiligung von 54%, gewinnt die Partei des Ex-Putschisten Efrain Rios Montt fast alles: Die Republikanische Front Guatemalas stellt für die nächsten vier Jahre die Mehrheit im Kongress, die Mehrheit im PARLACEN (Zentralamerikanisches Parlament) und die Mehrheit der BürgermeisterInnen. Die Entscheidung darüber, ob die FRG auch den Präsidenten stellen wird, fällt erst in der zweiten Wahlrunde am 26. Dezember. In dieser ersten Runde hat sie den Präsidentensitz mit 47,8% nur knapp verpasst (erforderlich sind 50% plus eine Stimme). Zweite Kraft ist die jetzige Regierungspartei des nationalen Fortschritts (PAN) mit 30,3% Stimmenanteil. Die linke Allianz Neue Nation (ANN), in der die Parteien URNG und DIA sowie die GruppierungUnid zusammengeschlossen sind, erreichte überraschende 12%. Die PAN hat für ihren Präsidentschaftskandidaten, den ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt, Oscar Berger, der zusammen mit der ehemaligen Erziehungsministerin Annabella Castro als Vizepräsidentschaftskandidatin antritt, nur gerade 30,3% der Stimmen erreicht und als "Trostpreis" mit Fritz García-Gallont den Bürgermeister der Hauptstadt gewonnen. Die Hauptstadt ist von allen Departementen der einzige Ort, wo die PAN für die Präsidentschaft eine Mehrheit der Stimmen erreicht hat. Gleichzeitig kursieren da aber auch Geschichten, die auf Ungereimtheiten hinweisen: Es wird behauptet, 300 Autobusse der Hauptstadt seien am Sonntagmorgen nicht in Betrieb gewesen, weil ihnen "jemand dies so befohlen habe." Die FRG nimmt das zum Anlass, die Wahlresultate in der Hauptstadt für ungültig zu erklären "weil eine grosse Anzahl SympatisantInnen der FRG nicht aus den Aussenquartieren an die Urnen gelangen konnten. Für die FRG ist klar, dass sie sonst sowohl den Bürgermeister der Hauptstadt gewonnen hätte wie überhaupt die Präsidentschaftswahlen schon in der ersten Runde. Eine Entscheidung zu diesen Klagen wird aber vom Obersten Wahlgericht (TSE) gefällt werden müssen. Die ANN hat mehr Stimmen auf sich vereinen können, als aus den Umfragen hätte vermutet werden können. Verschiedene Analysen haben aber schon vorausgesagt, dass wohl gerade AnhängerInnen der ANN dies aus Furcht nicht öffentlich kundtun würden. Sie hat 12% der Stimmen auf sich vereinen können. Zahlen, Zahlen...Wie oben erwähnt, gewann die FRG überall mit Ausnahme der Hauptstadt. Und zwar ist frappant, dass der Abstand zum zweiten und dritten Platz überall ähnlich gross ist, ob dies nun in Ladino-Departementen sei wie z.B. in Zacapa, wo der Präsidentschaftskandidat Alfonso Portillo herkommt, (FRG 33'800, PAN 16'300, ANN 1'200) oder Escuintla (FRG 52'900, PAN 25'300, ANN 11'900) oder in Indigena-Departementen wie Totonicapán (FRG 26'100, PAN 13'000, ANN 8'700) oder Huehuetenango (FRG 55'700, PAN 27'200, ANN 16'400). Gerade auch in Departementen, die unter der Politik der verbrannten Erde von General Rios Montt ganz speziell gelitten hatten, erzielt dieser sehr gute Resultate: Quiché (FRG 40'800, PAN 23'700, ANN 17'300), Alta Verapaz (FRG 50'000, PAN 21'300, ANN 20'500). Überall ist die FRG herausragende Siegerin. Wo überhaupt Unterschiede festzustellen sind, dann in der Tatsache, dass die ANN in gewissen Departementen der PAN fast den zweiten Rang abzulaufen vermag. Im künftigen Kongress wird die FRG mit 64 Sitzen eine starke Mehrheit haben. Die PAN, bisher mit einem knappen Mehr im Kongress vertreten, erhält nur noch 37 Sitze, die ANN 9. Im Falle der ANN sind dies: Nineth Montenegro, Ricardo Rosales Roman, Alberto Mazariegos, Carlos Mejía, Adolfo Fernández, Gregorio Chay, Jorge Balsells, Alfonso Bauer Paiz sowie Pablo Ignacio Ceto.Je zwei Kongressabgeordnete stellt das Bündnis Demokratische Union/Grüne Organisation, die Fortschrittliche Freiheitspartei (PLP) und für die Christdemokraten (DCG) wird der ehemalige Präsident Vinicio Cerezo Einsitz nehmen. Die kleinen Parteien, FDNG, ARDE, AD, MLN, Arena und UCN werden keinen Sitz im Kongress bekommen und entsprechend dem guatemaltekischen Parteiengesetz keine Existenberechtigung als Partei mehr haben. Es wird also im neuen Kongress nicht einmal durch eine Allianz PAN-ANN möglich sein, eine Abstimmung gegen die FRG zu gewinnen. Die FRG hat bereits kundgetan, dass Rios Montt, der als Kongressabgeordneter gewählt wurde, zum ersten Kongresspräsidenten gewählt werde. Niemand wird dies verhindern können. Genausowenig wird die FRG daran zu hindern sein, das Gesetz abzuändern, das es einem ehemaligen Putschisten verbietet, an den Präsidentschaftswahlen teilzunehmen und so wird dann in vier Jahren Rios Montts langgehegter Wunsch in Erfüllung gehen, als Präsidentschaftskandidat an den Wahlen teilzunehmen. Auch auf Gemeindeebene hat die FRG abgeräumt, im Gegensatz zum Kongress kommen da aber auch die kleineren Parteien mehr zum Zug. Immerhin 25 Gemeinden werden in nächster Zeit von sog. Comite Civicos regiert , lokalen BürgerInnenzusammenschlüssen, die nicht den selben Kriterien unterstellt sind wie die Parteien. Die FRG wird 147 BürgermeisterInnen stellen, die PAN 106 und die ANN 12. Die Parteien, die als solche verschwinden werden, stellen doch zusammen immerhin 26 BürgermeisterInnen, Asisclo Valladares' PLP, auf Landesebene vierte Kraft, wird vier stellen. Nach oben |
In welchen Gemeinden die einzelnen Parteien BürgermeisterInnenämter besetzen, war bis zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Wir hoffen, diese Daten im nächsten "fíjate" veröffentlichen zu können. Im Zentralamerikanischen Parlament PARLACEN besetzt die FRG 10 Sitze, die PAN 7, die ANN 2 und die PLP einen Sitz. "Glückwünsche dem FRG und Guatemala mein Beileid"So fängt der Kolumnist Pablo Rodas Martini in "El Periodico" seine Kolumne an. Er fährt weiter: "Das Volk konnte entscheiden und wählte die FRG und Alfonso Portillo, damit sie die nächsten 4 Jahre regieren. Mein Beileid ans guatemaltekische Volk, weil es sich nicht damit zufrieden gab, dem Präsidentschaftskandidaten der FRG seinen Triumph zu ermöglichen, sondern seiner Partei auch die Mehrheit in den Gemeinden gab und noch schlimmer, die Mehrheit im Kongress. ... Das Szenario in dieser neuen Konstellation ist eine Linke, die versuchen wird, ihre Basis zu erweitern, eine PAN, die versuchen wird, ihren Bürgermeister der Hauptstadt mit allen Ränken zu verteidigen, und eine FRG, die versuchen wird, in der Verwaltung der abtretenden PAN-Regierung herumzustöbern. Aber auch ein Unternehmersektor, der hoffen wird, dass keine "Dummheiten" in der Anwendung wirtschaftlicher Massnahmen gemacht werden. Die internationale Gemeinschaft wird aufmerksam auf die Einhaltung der Friedensverträge und sozialen Investitionen schauen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft und der Opposition suchen. Man wird sehen müssen, ob nicht die Repression gegen die Feinde des Efferegismus und gegen MINUGUA anfangen wird." Der Kolumnist der Prensa Libre, Sam Colop, schreibt: "Wie gut, dass es auf der Welt Menschen gibt, die es kümmert, ob ein Land von einer Person mit krimineller Vergangenheit regiert werden wird, denn es sieht so aus, als ob es diejenigen, über die er regieren wird, am wenigsten kümmert. Armes Land! Das heisst noch nicht, dass es besser gewesen wäre, die PAN zu wählen; aber es ist etwas dran, dass jedes Volk die Regierung hat, die es verdient; ich hingegen glaube nicht, dass Guatemala es verdient, mit der "Bande des Generals" in die Vergangenheit zurückzukehren." Die Rede ist von Alfonso Portillo, zum zweiten Mal Präsidentschaftskandidat des FRG. Er hat im Laufe der Kampagne, als ihm dies vorgeworfen wurde, zugegeben, dass er vor 17 Jahren im Mexikanischen Bundesstaat Guerrero 2 Menschen umgebracht hat. Er wurde deswegen nie gerichtlich verfolgt. Er sagt, er habe in Notwehr gehandelt. Jedenfalls scheint diese Tat aus seiner Vergangenheit seiner Popularität keinen Abbruch getan zu haben. Wählen "die Lämmer ihren Schlächter" selber?Wie kam es zu diesen Resultaten? Wie ist es möglich, dass ein Volk bei einer für Guatemala stattlichen Stimmbeteiligung von 54% der Stimmberechtigten die Partei eines Putschisten aus der blutigsten Zeit des Bürgerkrieges an die Macht zurückwählt? Da gibt es verschiedene Faktoren, die zusammenspielen: - Ein Teil der Stimmen, die gegen die Regierungspartei wählten, sagen: Wir haben genug, so nicht mit uns! Sie haben genug von der neoliberalen Politik der PAN, den Privatisierungen der grossen Staatsbetriebe wie Post und Telefon, welche zu drastischen Preiserhöhungen geführt haben. Dazu kommt, dass der Gewinn des Verkaufs zu einem schönen Teil in die Taschen von PAN-Mitgliedern geflossen zu sein scheint. Die Hilfe, die nach dem Hurrikan Mitch nie bis zu den Geschädigten kam, ist ein anderes Beispiel dafür, was das Volk der Regierung vorzuwerfen hat. - La manita (die Hand, wie wegen seinem Symbol die FRG im Volk genannt wird) steht für viele für eine Politik des Durchgreifens, die starke Hand, die die Geschicke des Volkes lenken und der steigenden Kriminalität ein Ende bereiten wird. - Portillo ist ein Populist. Dazu kommt, dass er absolut keine Berührungsängste hat. So macht es ihm- wenn ihm dies opportun erscheint- nichts aus, als Präsidentschaftskandidat einer rechten Partei am 20. Oktober, Jahrestag der Revolution von 1944 zu verkünden, er werde als Präsident die Errungenschaften eben dieser Revolution hochhalten. Er als Ladino aus Zacapa schimpft gegen den Rassismus, die Diskriminierung der Indigenas, die Benachteiligung der "armen Bauern". " - Nicht zu unterschätzen ist die effektive soziale Basis der FRG: Mehrheitlich Indigenas, die in den Zivilpatroullien (PAC) organisiert waren, dort zu etwas Ansehen und Macht gelangt waren und diesen Zeiten nachtrauern. Die, die Angst davor haben, selber wie Kollegen von ihnen, vor Gericht zur Verantwortung gezogen zu werden für begangene Morde. Was kann sie besser schützen, als die Partei dessen an der Regierung, für den sie die Taten begangen haben? Die ganze Umerziehung der Leute, die in Modelldörfern angesiedelt wurden, der jüngeren Männer, die oft gegen ihren Willen in die Armee gesteckt wurden, war recht effizient gemacht und zeigt hier ihre Resultate. - Es war sowohl nach der Veröffentlichung des REMHI-Berichtes "Nunca Mas" wie des Berichtes der Wahrheitskomission zu beobachten: Es gibt in der guatemaltekischen Gesellschaft breite Kreise, die nicht bereit sind zu glauben, was in der Vergangenheit geschehen ist. Sie behaupten lieber, sowohl die katholische Kirche wie die internationale Wahrheitskomission lügten, als die Augen für die Greuel zu öffnen, vor denen sie sie bis dahin erfolgreich verschlossen hatten. Die FRG mit dem Genozidleugner Rios Montt an der Spitze, garantiert ihnen als einzige, dass sie "weiterschlafen" dürfen. Ausblick auf den 26. Dezember, die 2. Wahlrunde. Wie geht es jetzt weiter?An einzelnen Vorkommnissen in Gemeinden, in denen nicht die FRG-KandidatInnen ins BürgermeisterInnenamt gewählt wurde, sondern der Kandidat/die Kandidatin der PAN, kann man ablesen, wie gespannt die Situation ist. Ramiro De Leon Carpio als ehemals respektierter Menschenrechtsprokurator und nachher von 1993 bis 1995 Präsident, seit einem halben Jahr Mitglied der FRG, drohte den Beamten des Wahlgerichts "es könne Blut fliessen", wenn sie sich nicht beeilten, die "korrekten" Wahlresultate zu verkünden. Berger, Präsidentschaftskandidat der PAN, versicherte, bezogen auf die Kampagne zur zweiten Wahlrunde: "Jetzt fängt der Krieg an." Alvaro Colom, Kandidat der ANN hat bereits mehrfach versichert, sie würden sich mit keiner der beiden rechten Parteien verbünden. Ihm gehe es jetzt darum, ein breites linkes Oppositionsbündnis zu schaffen. Sie würden ihren ParteigängerInnen gegenüber Stimmfreigabe verkünden. Asisclo Valladares (PLP) sprach sich bisher gleich aus. Die UCN hingegen hat Portillo jetzt schon ihre Unterstützung für die zweite Wahlrunde angeboten, bringt jedoch einen verschwindend kleinen Stimmenanteil mit sich. Werden diejenigen, welche aus Protest gegen die aktuelle Regierung ihre Stimme der FRG gegeben haben, doch davor zurückschrecken, ihm die vollumfängliche Macht zu geben und im zweiten Wahlgang die PAN wählen? Werden die WählerInnen der ANN lieber die PAN wählen, um ein FRG-Machtmonopol zu verhindern. Sind viele von ihnen frustriert, weil sie an einen möglichen Sieg ihres Kandidaten geglaubt hatten und werden nicht mehr teilnehmen, oder geben sie sich mit den gewonnenen Kongressitzen zufrieden? Allgemein wird mit einer geringeren Stimmbeteiligung gerechnet, weil es der zweite Wahlgang ist und weil dieser während der Weihnachtsferien stattfindet. |
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