Menschenrechtsaktivist ermordet
Fijáte 259 vom 8. Mai 2002, Artikel 4, Seite 4
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Menschenrechtsaktivist ermordet
Guatemala, 29. April. Der Buchhalter der Stiftung der Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, Guillermo Ovalle de León, wurde beim Mittagessen in einem Restaurant von zwei unbekannten Männern erschossen. Der Vorfall sah zuerst nach einem Überfall auf das Restaurant aus (Version, die von den Behörden aufrechterhalten wird), entpuppte sich aber bald als gezielter Anschlag auf Ovalle, auf den mindestens 25 Schüsse abgegeben wurden. Zwei weitere Personen wurden verletzt. Wenige Minuten nach der Ermordung Ovalles gingen auf der in der Nähe des Tatorts gelegenen Stiftung Rigoberta Menchú anonyme Telefonanrufe ein mit Begräbnismusik im Hintergrund. NachbarInnen der Stiftung wollen im Verlaufe des Morgens fünf Personen gesehen haben, die im Viertel herumgeschlichen sind. Guillermo Ovalle de León war der Neffe des Direktors der Stiftung Rigoberta Menchú. Er erhielt bereits im Jahr 2000 Morddrohungen. In diesen Tagen soll in Cobán eine öffentliche Verhandlung im Prozess gegen die Angeklagten des Massakers von Xamán stattfinden. Die Stiftung leistet den Opfern dieses Massakers und ihren Hinterbliebenen juristischen Beistand. Ebenfalls wird in Madrid am 30. Mai eine Anhörung stattfinden im wiederaufgenommen Fall gegen die Verantwortlichen des Völkermordes in Guatemala, in dem Rigoberta Menchú als Klägerin auftritt. Diese Tatsachen bestärken den Verdacht der Stiftung und anderer Menschenrechtsorganisationen, dass es sich bei der Ermordung Ovalles um eine aussergesetzliche Hinrichtung handelt, an der klandestine Repressionsstrukturen von früher beteiligt sind. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen fordern die sofortige Untersuchung des Falles. Rigoberta Menchú, die eigens für das Begräbnis des Ermordeten aus ihrem mexikanischen Exil nach Guatemala reiste, verkündete, den Fall vor die UNO-Menschenrechtskommission zu bringen. Die Polizei blieb bei ihrer Theorie der 'allgemeinen Kriminalität' und verhaftete zwei mutmassliche Täter, auf die sie aufmerksam wurde, weil sie Schussverletzungen in Privatspitäler behandeln liessen. Leider ist die Ermordung Ovalles nur einer von zahlreichen Angriffen, die in den letzten Tagen auf Personen ausgeführt wurden, die sich politisch betätigen: Am Morgen des 26. März verschwand in Chiquimula der Sohn eines der Campesin@organisation CUC angeschlossenen Bauern. Der 14-jährige Junge wurde von einer Polizeistreife angefahren, deren Insassen sich sofort bereiterklärten, den Verletzten ins nächste Spital zu bringen - wo er nie eintraf. Die Version der Polizei ist, dass der Junge während der Einlieferung ins Spital gestorben ist, entsprechende Dokumente liegen in der Spitaladministration nicht vor. Nach oben |
Am 19. bzw. 20. April wurde in die Büros der beiden Parteien DIA und UNID eingebrochen. Was die Einbrecher interessierte, waren Dokumente und Daten von Parteimitgliedern. Um das ganze wie einen 'gewöhnlichen' Einbruch erscheinen zu lassen, nahmen sie aus beiden Büros Computer und Drucker mit - nicht hingegen die 400 Quetzales, die in einer der (durchsuchten) Schreibtischschubladen im Büro der UNID lagen. In einer Erklärung der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) hiess es, der Überfall sei als Einschüchterungsversuch gegen zwei politische Organisationen zu verstehen, die in Opposition zur FRG-Politik stehen. Ebenfalls am 19. April gaben Menschenrechts- und internationale Presseorganisationen die illegale Verhaftung und die anschliessende Reise ins Exil des Journalisten David Herrera bekannt. Herrera wurde am 10. April beim Verlassen seines Büros von vier Männern 'verhaftet' und in einem Fahrzeug an einen ihm unbekannten Ort gebracht. Dort drohten sie, ihn umzubringen und verlangten die Übergabe von einigen Kassetten, auf denen Herrera Interviews aufgenommen hatte. Herrera recherchierte u.a. im Fall Chocón, wo im Februar bei einer von der Anti-Drogeneinheit durchgeführten Razzia zwei Männer ermordet wurden. Nach dem Vorfall musste der Journalist David Herrera unter Begleitschutz von MINUGUA das Land verlassen. |
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