Wie oft muss Bischof Gerardi noch sterben?
Fijáte 299 vom 17. Dez. 2003, Artikel 7, Seite 5
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Wie oft muss Bischof Gerardi noch sterben?
Guatemala, 23. Nov. Unter dem Titel ,,Wer tötete den Bischof?" liegt das Resultat einer dreijährigen Investigation der JournalistInnen Maite Rico und Bertrand de la Grange (ehemaliger Sprecher der UN-Mission für Guatemala MINUGUA) über die Ermordung von Bischof Juan José Gerardi am 26. April 1998 in Form eines Buchs vor, das in Guatemala die Gemüter bewegt. Die beiden rekonstruieren in journalistischer Form das Verbrechen an Bischof Gerardi, der zwei Tage nach der Präsentation des Berichts der bischöflichen Wahrheitskommission über die Verbrechen während des Bürgerkrieges ermordet worden war. Dabei stellen sie die Verurteilung zu 30 Jahren Gefängnis der drei Militärs Byron Disrael Lima, dessen Sohn Byron Lima und Obdulio Villanueva sowie von Pfarrer Mario Orantes zu 20 Jahren, in Frage. Gemäss Rico und de la Grange handelte es sich um eine Konspiration, in die hohe Militärs verwickelt sind, die eine Rechnung mit der damaligen Regierung Arzú zu begleichen hatten und diese im Hinblick auf die Wahlen 1999 schwächen wollten. Konkret werden die Namen von 12 Personen genannt, die zusammen mit Alfredo Moreno einem Schmuggelring angehörten, der während der Regierungszeit von Arzú aufgeflogen ist. Moreno ist ehemaliger Funktionär des Zollwesens und enger Freund gewisser Militär- und FRGKreise. Laut den AutorInnen haben die Militärs die Verbrecherbande ,,Valle del Sol" benutzt und bezahlt, um das Verbrechen auszuführen. Weiter beschuldigen sie das Menschenrechtsbüro des Erzbischofs (ODHA), konkret deren damalige Leiter Edgar Gutiérrez (heutiger Aussenminister) und Ronald Ochaeta, die Untersuchungen manipuliert und Zeugen bestochen zu haben. Auch die ODHA habe Arzú die Verantwortung für das Verbrechen in die Schuhe schieben wollen. Nach oben |
Dabei sei dieser selbst bloss ein Opfer der Konspiration gewesen, erklärten die beiden in einem Interview gegenüber der guatemaltekischen Presse. Auf die Frage, weshalb sich die ODHA für so etwas hergegeben haben soll, antworteten sie, dass es auch in der ODHA um Politik und Macht gehe, und dass Ochaeta und Gutiérrez von persönlichen Interessen geleitet waren, um einen Posten in der Regierung FRG zu bekommen eine ziemlich gewagte Unterstellung. Maite Rico und Bernard de la Grange, die bereits ein Buch über Subcomandante Marcos herausgegeben haben, verliessen Guatemala aus Sicherheitsgründen unmittelbar nach der Präsentation des Buches. Derweil bewegt das Buch im Land selber die Gemüter und die ersten 3´000 Exemplare waren nach zwei Wochen bereits ausverkauft. Im Allgemeinen wird das Buch als trivial und nicht allzu professionell recherchiert kritisiert. Während es die Anwälte der drei verurteilten Militärs in den höchsten Tönen loben, sind die katholische Kirche und speziell die ODHA bzw. die nicht mehr dort arbeitenden Edgar Gutiérrez und Ronald Ochaeta vor den Kopf gestossen und versuchen, sich zu rechtfertigen (Zitat Ochaeta: ,,Ein Buch voller Lügen"). Das Buch liest sich teilweise wie ein Krimi. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wem (ausser den AutorInnen, die in einem Land ohne Lesekultur wie Guatemala einen regelrechten Kassenschlager lancierten) etwas nützt. Im Moment trägt es nur zur Polarisierung und Verwirrung der Diskussion über das Verbrechen an Bischof Gerardi bei, wobei leicht vergessen wird, dass dieses Verbrechen nach wie vor seiner Aufklärung harrt. Das Buch ist wenige Tage vor der Verhandlung des Berufungsgerichts erschienen, in der das Urteil gegen die drei Militärs (wovon unterdessen einer bei einem Gefängnisaufstand ermordet wurde) und Pfarrer Orantes bestätigt oder widerrufen werden sollte. Unterdessen haben aber die zuständigen Richter erklärt, sie seien nicht bereit, sich dem Fall noch einmal anzunehmen, da sie bereits einmal geurteilt hätten. Dies bedeutet, dass neue Richter für den Fall berufen werden müssen, was die Verhandlung weiter verzögern wird. |
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