Das (Schul-)Jahr fängt ja gut an!
Fijáte 303 vom 11. Feb. 2004, Artikel 2, Seite 4
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Das (Schul-)Jahr fängt ja gut an!
Guatemala, 03. Feb. "Die neue Bildungsministerin, María del Carmen Aceña, kaum im Amt, sieht sich und ihr Ressort vor einer zyklopischen Herausforderung historischer und administrativer Art. Unter der Spitze des Eisbergs versteckt sich ein vielschichtiges Problem, das sich als äusserst komplex und dornig, mutierend und von alter Prägung der Erbin der vorhergehenden und vieler früherer ministerialer Amtsführungen präsentiert. Eine Hydra, voller unvorhersehbarer Ereignisse von Seiten ihrer Elemente und der Einstellungen, von denen als negativste die ihrer ProtagonistInnen imponieren. Das, was vor vier Jahren der ehemalige Bildungsminister Mario Torres ankündigte, er sei ein Superminister im Dienste der Kinder und Jugend, die der Alphabetisierung und Ausbildung bedürften, resultierte als eine der grössten Prostitutionen, als ein Gefährt für die Abzweigung von Geldern in Richtung Präsidentenamt und des aufgelösten Präsidialen Generalstabs (EMP) unter Zustimmung des Finanzministeriums. Möglicherweise ist es bereits vergessen worden, aber eins der vielen bestehenden Fragezeichen in diesem Zusammenhang bezog sich auf die Rechtfertigung des Auftrags, die Verteilung der Fonds für die Schulspeisung an eben den EMP zu delegieren, was keiner verwaltungstechnischen Logik entspricht." Soweit Jorge Fuentes in seinem Artikel ,,Ein nicht beneidenswertes Erbe", der in Incidencia democrática erschien. Den rund 2,3 Mio. SchülerInnen, die im Januar das neue Schuljahr in Vorund Grundschulen begonnen haben, stehen 14´933 Schuleinrichtungen zur Verfügung, die weiterführenden Schulen verfügen über 653 Einrichtungen für den Bildungszweig ,,básico" (Mittlere Reife) und 146 für den berufsbildenden Abschluss ,,diversificado". Angesichts der von der LehrerInnenvereinigung ANM seit langem angeprangerten defizitären Situation des Bildungssektors stellt sich die Frage nach dem Erfolg des Streiks und der Mobilisierung, die die Lehrenden Anfang 2003 51 Tage lang für die Verbesserung des Schulsystems demonstrieren liessen. Vielerorts ist die vorhandene Infrastruktur weiterhin von schlechtem Material, wenn nicht gar kaputt. Überall fehlt es an Lehrpersonal, Lehrmaterial und der berühmt-berüchtigten Schulspeisung, von der im vergangenen Jahr gerade die Hälfte der Lernenden zumindest einen Monat lang bedacht wurde, während rund zwei Drittel keine Schulbücher hatten. In vielen Schulen und universitären Institutionen in der Hauptstadt fehlt es an Wasser, Strom und Telefon. Von den rund 82´000 Lehrenden sind bei einem Anteil von etwa 41% indigener Bevölkerung ganze 15% für die Erteilung von bilingualem Unterricht befähigt. Von unterschiedlichen, auch internationalen Institutionen wie u. a. der Zentralamerikanischen Kommission für die Bildungsreform oder dem Iberoamerikanischen Menschenrechtsinstitut wurde in der Zwischenzeit lediglich der katastrophale Zustand bestätigt, der längst bekannt ist. Doch grundsätzlich geändert hat sich derweil nichts. In Kooperation mit dem UN-Entwicklungsprogramm PNUD und internationalen Institutionen ist immerhin der Plan in Angriff genommen worden, die Erweiterung des zweisprachigen Unterrichts zu realisieren. Während Präsident Oscar Berger in seinem Wahldiskurs die Aufstockung der Flächendeckung im Vorschulbereich um 50%, der Grundschule um 100% und den weiterführenden Schulen um 30% (básico) bzw. 20% (diversificado) nannte, sowie die Erhöhung des BIP-Anteils von derzeit 1,7% auf 2,5% für den Bildungssektor, womit Guatemala immer noch unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt von 3% liegen wird, stellen die Dezentralisierung des Schulsystems und die Institutionalisierung des Programms PRONADE, bei dem in ländlichen Gebieten die Eltern die staatlichen Bildungsgelder auf Freiwilligenbasis verwalten, die Prioritäten für die neue Bildungsministerin Aceña dar. Nach oben |
Aktuell ist diese jedoch mit einem ganz anderen Problem beschäftigt, das die Wogen in der LehrerInnenschaft Anfang dieses Jahres erneut hochgehen lässt. Drei Tage vor Amtsübergabe verabschiedete Ex-Präsident Alfonso Portillo in einem Regierungsdekret die Vergabe von 13´000 neuen, ,,festen" LehrerInnenverträgen. Abgesehen davon, dass mit diesen auch nur ansatzweise der Bedarf gedeckt würde, stellte sich schon sehr schnell diese Aktion als weitere Farce der Portillo-Regierung heraus: Weder verfügt(e) das Bildungsministerium über den Etat der für die Entlohnung notwendigen 300 Mio. Quetzales, noch entsprach das angewandte Verfahren dem Gesetz, laut dem die Stellen per Auswahlverfahren zu verteilen sind. Stattdessen erhielten vornehmlich FRGaffine Angestellte, die zum Teil noch nicht einmal über eine Lehrausbildung noch einen offiziellen Lehrauftrag verfügen, einen Job, während langjährig aktiven LehrerInnen ihr Vertrag nicht verlängert wurde. Während Anfangs die Illegalität und Unverantwortlichkeit des Dekrets kritisiert wurde, beschweren sich nun, nachdem Ministerin Aceña aufgrund der von Fachleuten ermittelten Ungereimtheiten Portillos Dekret temporär suspendierte, diejenigen, denen droht, die frisch ergatterten Arbeitsverträge wieder zu verlieren. Am 06. Februar realisierte die LehrerInnenschaft eine bereits angekündigte Demonstration, mittels der sie ihre Forderungen nach einer Anpassung des Gehalts, einer angemessenen Ausstattung des Lehrbetriebs sowie die Etaterhöhung von aktuell 3,3 Mrd. Quetzales (ca. US-$ 406,9 Mio.) auf 4,5 Mrd. Quetzales (ca. US-$ 562,5 Mio.) wiederholten. Zusätzlich setzen sie der Regierung zur Klärung der Lehrvertragssituation eine einmonatige Frist. Der Manifestation schloss sich ein Grossteil der Bevölkerung an, die, von den Gewerkschaften zusammengerufen, ihrerseits u. a. gegen die beständige Erhöhung der Lebenshaltungskosten und für bessere Löhne auf die Strasse gingen (siehe separater Artikel). |
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