Hurrikan Stan wütet in Guatemala
Fijáte 345 vom 12. Okt. 2005, Artikel 3, Seite 4
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Hurrikan Stan wütet in Guatemala
Departements, 07. Okt. Die Erde bricht weiter in sich zusammen, diverse Flüsse sind über die Ufer getreten, die Zahl der Toten und Verschwundenen steigt stetig und die Verzweiflung der Bevölkerung, die von Hurrikan Stan betroffen ist, wächst. Dieser hat in Form von heftigen Regenfällen seit dem letzten Wochenende grosse Teile des Landes unter Wasser gesetzt, Erdrutsche und Schlammlawinen haben mittlerweile Brükken, Strassen und ganze Dörfer mit sich gerissen. Besonders betroffen sind die Departements im Westen des Landes, sowohl an der Küste als auch im Hochland, doch auch Petén im Norden und Izabál im Osten melden Verwüstungen. Die Verkehrsverbindungen über Land nach Mexiko und El Salvador sind versperrt vom nationalen Wegenetz ganz zu schweigen. Obwohl der Regen unterdessen nachgelassen hat, stehen das Wasser und der Schlamm noch teilweise bis zu drei und mehr Metern hoch in den Städten und Dörfern, viele Regionen sind völlig abgeschnitten, da die Strassen kaputt oder von Erde und Felsen blockiert sind. Strom-, Wasser- und Telefonleitungen sind beschädigt, Benzin, Trinkwasser und Lebensmittel werden knapp. Nach einer ersten Verharmlosung der Situation am Dienstag rief Präsident Oscar Berger schliesslich für dreissig Tage den nationalen Katastrophenzustand aus. Da die Unterstützung von aussen auf sich warten liess, waren es die AnwohnerInnen, die sich selbst und ihren NachbarInnen zunächst zur Hilfe kommen mussten. Inzwischen sind das Militär und die Polizei unter Leitung der Nationalen Koordinationsstelle zur Verminderung von Desastern (CONRED) ausgerückt, um die Strassen freizuräumen, provisorische Brücken zu bauen, gemeinsam mit den BewohnerInnen Leichen zu bergen, durch die Wasser und Erdmassen Eingeschlossene zu befreien und evakutierte Siedlungen vor Diebstählen zu schützen. Gleichzeitig sind Spendenfreude und Helferswillen gross: Nicht nur in der Hauptstadt werden an vielen Punkten Sachspenden und Nahrungsmittel, die laut Medien tatsächlich in ansehnlichen Mengen gebracht werden, entgegengenommen und von Freiwilligen sortiert. Armeehelikopter und Flugzeuge des Aeroclub sorgen für die Verteilung der Gaben, die jedoch lange nicht an all die Orte des Landes gelangen, wo die Hilfe dringend benötigt wird. Derweil werden bereits, vor allem bei Kindern, erste Erkrankungen wie Atemwegs- und Darminfektionen gemeldet, währenddessen nicht nur CONRED und ihre Helfenden, sondern auch die Krankenhäuser in den betroffenen Regionen völlig überfordert sind. Mittlerweile hat sich im Kongress eine Task-force-Gruppe gebildet und anstehende Verantwortlichkeiten zwischen den Ministerien verteilt. 4 Mio. Quetzales aus dem Kongresshaushalt sollen gleichmässig an die Munizipale wie Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz und CONRED gespendet werden. Nach oben |
Doch nicht genug der Katastrophen überkam die Bevölkerung am Freitagvormittag eine neue Angst: Ein Erdbeben der Stärke 5,8 auf der Richterskala setzte vor allem das Departement Santa Rosa in Alarmbereitschaft, sind dort doch neue Erdrutsche vom Vulkan Tecuamburro zu befürchten. In Totonicapán nahm das Beben gleich zehn Häuser mit sich, der Geruch von Schwefel liess auf eine zusätzliche Aktivität des Vulkans Santa María schliessen. Auch im übrigen Land, wo durch die Regenfälle die Erde und Hänge gelockert sind, steigert das Beben die Gefahr von weiteren Erdlawinen. Im Munizip Santiago Atitlán, am Atitlán-See, Departement Sololá, begruben die Schlammmassen des Hurrikans zwei komplette Gemeinden unter sich, die völlig vom Erdboden verschwunden scheinen. Die Zahl von 50 Toten gilt als bestätigt, hunderte der BewohnerInnen werden noch vermisst. Bis Freitagabend ist landesweit die Rede von 134 Toten und 44´519 betroffenen Personen, von denen 31´407 in improvisierten Notunterkünften Zuflucht gefunden haben. Doch diese Angaben müssen als vorläufig gelten, sind doch noch lange nicht alle Katastrophengebiete von den Hilfskräften erreicht, geschweige denn kontaktiert und selbst an Orten, wo bereits gerettet wird, was zu retten ist, werden noch viele Menschen vermisst. Laut Prognosen sollen die Überschwemmungen in den nächsten zehn Tagen zurückgehen. Doch was wird dann? Viele Felder sind überschwemmt gerade jetzt zur Erntezeit - Geflügel, Vieh und Weiden verloren. Wenn es nicht Stan ist, dann werden es wohl die zu erwartenderweise noch weiter über die jetzt schon so hohen Lebenshaltungskosten hinaus steigenden Preise und die daraus resultierende wachsende Armut sein, die neben allen anderen Dramen, in denen sich die Bevölkerung als Spielfiguren gedemütigt sieht, das Land zur chronischen Tragödienbühne verdammen. |
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