Narcopolitik in Guatemala befürchtet
Fijáte 354 vom 01. März 2006, Artikel 3, Seite 4
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Narcopolitik in Guatemala befürchtet
Guatemala, 16. Feb. Der Drogenhandel in Guatemala könnte in den nächsten Generalwahlen die Politik in die Enge treiben, wenn er - den Anzeichen entsprechend - versuchen wird, mit KanditatInnen für Schlüsselpositionen daran teilzunehmen, so die derzeitigen Befürchtungen auf Regierungsebene. Innenminister Carlos Vielmann und der Präsidiale Kommissionär für Menschenrechte (COPREDEH), Frank La Rué, warnen vor der Möglichkeit, der "Drogenhandel verfolge ein Wahlprojekt. AnalystInnen vergleichen unsere Nation mit Kolumbien, wo die capos in den 80er Jahren in die Politik einstiegen". Bislang hätten die narcos lediglich die Wahlkampagnen finanziert, doch sie bereiteten sich nun auf die Teilnahme an den Wahlen 2007 vor, um Ämter im Kongress und in den Munizipien einzunehmen, so die Regierungsfunktionäre. Zugleich erklärt La Rué, dass die beklemmende Situation, in der das Land derzeit lebt und der hohe Gewaltindex von Seiten des Drogenhandels provoziert würden, damit dieser seine Ziele erreiche. Vielmann seinerseits versicherte, die Drogenhändler wüssten genau, wie sie die Bevölkerung am Schweigen hielten. Sie kauften Gefallen, wie es auch in Kolumbien vorkam, wo sie ganze Parzellen im Gegenzug zu Wahlstimmen verschenkten. Viele guatemaltekische Dörfer feierten schon heute ihre lokalen Feste mit Geld der Drogengeschäftemacher, die zudem auch Schulen oder Gesundheitszentren bauten, so der Innenminister. Laut Angaben der guatemaltekische Antidrogenzuständigen und den USA sind bereits die Departements Petén, Izabal, Jutiapa, Jalapa, Chiquimula, Zacapa, El Progreso, Santa Rosa, Escuintla und San Marcos vom Drogenhandel beschlagnahmt. Auch - entsprechendes kam noch im letzten Jahr ans Licht - gibt es Anzeichen dafür, dass einige Kongressabgeordnete mit den Drogenkartellen in Verbindung stehen (vgl. ¡Fijáte! 351). Vielmann und LaRue riefen denn auch die Parteien und die Bevölkerung dazu auf, die Beteiligung der narcos an den Wahlen zu verhindern. "In diesem Land wiessen alle, wer sein Geld auf anständige Weise verdient hat, und wer nicht. Deswegen werden die Parteichefs keine Unwissenheit vorschützen können", stellt Vielmann klar. Dabei wird es angesichts der parteipolitischen Finanzmisere und Dank der fehlenden institutionellen Kontrolle schwierig sein, dem Auflisten von Verdächtigen einen Riegel vorzuschieben. So wird die Gefahr der Manipulation der Parteien bestehen bleiben, damit die narcos über den Weg der Wahlstimme ihre vielfältigen Interessen in Sachen Finanzen, Verwaltung, Gesetzgebung, Justiz etc. zu befriedigen. In erster Linie heisst es jetzt also für die Parteien, die erhaltenden Spenden offen zu legen, sie auf ein festgelegtes Maximum zu beschränken und zu ermöglichen, ihre Herkunft zu ermitteln. Edgar Gutierrez, ehemaliger Koordinator des Projekts der Historischen Wiedererlangung REMHI, der schliesslich der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) beitrat, skizziert in seiner Kolumne in der Tageszeitung elPeriódico die mögliche Zukunft des Landes unter narco-politischer Regierungsbeteiligung: "Auf die Erfahrungen von Kolumbien aufbauend, sieht der Fahrplan wie folgt aus: 1. Die Drogenhändler finanzieren Kampagnen (sie haben gelernt, dass sie besser nicht ihre Köpfe postulieren), 2. Sie durchdringen den Bau- und Handelssektor, 3. Sie bringen ihre Unternehmen auf den aktuellen Stand sowohl mit dem Fiskus als auch mit der Sozialversicherung und treten in Wettbewerb um grosse öffentliche Projekte, 4. (Das Neue ist, dass) sie versuchen, mittels der Drogen, Alkohol, Partys und anderer List, junge Töchter und Söhne von hohen FunktionärInnen und anderen Schlüsselpersonen mit sozialem Prestige zu fassen zu kriegen; auf diese Weise verfügen sie über eine mächtige Waffe zum Erpressen und zum eventuellen Selbstschutz." Nach oben |
Anschein eines ersten Beweises für die Befürchtungen der Regierung zeigt sich im Nachspiel der Räumung der Ländereien in dem Grenzgebiet zwischen dem Munizip Ixchiguán und Tajumulco, San Marcos (vlg. ¡Fijáte! 353). Laut Aussagen des Bischofs von San Marcos, Monseñor Álvaro Ramazzini, steckt der Drogenhandel hinter dem Konflikt zwischen den beiden Gemeinden. Innenminister Vielmann bestätigte diese Behauptung und wies darauf hin, dass diese illegale Gruppe aus dem nordwestlich liegenden Tacaná stamme. Ramazzini, kürzlich gewählter Vorsitzender der Guatemaltekischen Bischofskonferenz (CEG), erklärt, dass es Anzeichen dafür gebe, dass die narcos die Leute von Tajumulco manipulierten, dass sie Ländereien eingenommen hätten und mit Repressalien drohten, sollten sie vertrieben werden - so geschehen bei der Räumung, bei der die Ausgewiesenen Häuser in Ixchiguán in Brand setzten. Der Innenminister ist derweil der Ansicht, dass die in Tacaná operierenden Drogengruppen den Landkonflikt in Tajumulco dafür nutzten, die Aufmerksamkeit von ihren Mohnpflanzungen abzulenken. Rammazzini weiss, dass die BäuerInnen in der Zone bewaffnet sind und in Verbindung zu den Drogenkartellen stehen, unterstützt vom Bürgermeister Tajumulcos. Dessen Amtskollege in Ixchiguán vermeidet die Nennung von Verantwortlichen, streitet aber angesichts der Menge und der Art der Waffen der Leute aus Tajumulco sowie aufgrund der Art der Baukonstruktionen in der eingenommenen Zone, die Hypothese des Bischofs nicht ab. Dieser bedauert den Konflikt: "Es macht traurig, denn sie streiten sich zwischen Brüdern der gleichen Ethnie Mam, es gibt bloss Faktoren zu Gunsten der Angreifenden, diese sind bewaffnet, stehen in Verbindung zu den Drogen und haben einen Anführer, der sie manipuliert, nicht zu vergessen die bürgermeisterliche Rückendeckung." Unterdessen kündigte Vielmann an, bereits US-amerikanische Helikopterhilfe ersucht zu haben, um rund 200 Hektar Land in den Munizipien Tajumulco und Tacaná mit Pfanzenschutzmitteln zu besprühen, mit denselben, so versichert der Innenminister, die in Kolumbien zur Vernichtung von Koka und Mohn genutzt werden. Angeblich ist das Mittel, Glifosato, für Personen unschädlich, doch Polizeidirektor Sperisen kündigte bereits an, dass Gemüseanpflanzungen, die sich in dem identifizierten Gebiet befänden, beschädigt würden, für ausserhalb liegende Felder gäbe es keine Folgen. Selbst Yuri Mellini, Direktor des Umweltaktionszentrums CALAS, gibt sich geschlagen oder aber ist Realist hinsichtlich der Regierungspolitik: Die Vernichtungsaktion wird schädliche Umweltfolgen haben, aber das Thema des Drogenhandels habe Vorrang vor der Umwelt", meint der Aktivist. Das Departement San Marcos gehört zu den am stärksten betroffenen durch den Hurrican Stan, durch den die Bevölkerung bereits einen Grossteil ihrer Felder und Ernten verloren hat und gerade erst wieder auf die Füsse kommt. |
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