US-Mauer gegen MigrantInnen wächst - der Widerstand auch
Fijáte 355 vom 15. März 2006, Artikel 7, Seite 5
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US-Mauer gegen MigrantInnen wächst - der Widerstand auch
Guatemala/Washington. 08. März. Während die US-Regierung ihre repressive Politik gegen MigrantInnen bekräftigt (siehe ¡Fijáte! 349), wächst der Widerstand dagegen sowohl in den USA selbst wie auch in Guatemala und anderen betroffenen lateinamerikanischen Ländern. Der US-Senat steht vor der Entscheidung über ein Gesetz, das 11,5 - 12 Millionen illegale EinwandererInnen als VerbrecherInnen definiert und im Dezember vom Unterhaus verabschiedet worden war. Nach einer soeben veröffentlichten Studie des Centro Hispánico Pew sind von diesen Personen ohne Papiere 56% MexikanerInnen und 22% stammen aus anderen lateinamerikanischen Ländern. Während einer Demonstration am vergangenen Dienstag vor dem Kapitol in Washington, protestierten Tausende Mitglieder von kirchlichen und Menschenrechtsgruppen gegen die Kriminalisierung der MigrantInnen ohne Papiere. "Das ist eine Kriegserklärung gegen die MigrantInnen, mit der einfach als MenschenhändlerIn jedeR beschuldigt werden kann, die/ der mit anderen MigrantInnen zusammen ist, auch wenn es sich tatsächlich um den Vater, die Ehefrau oder die Kinder handelt", kritisierte Maricela García, Präsidentin der EinwanderInnenkoalition von Guatemala (CONGUATE). Den Gesetzentwurf "Schutz der Grenze, Terrorbekämpfung und Kontrollmechanismen gegenüber illegalen EinwandererInnen" (2005-HR4437) hat der republikanische Kongressabgeordnete F. James Sensenbrenner, jr. aus dem Bundesstaat Wisconsin eingebracht. Er sieht Sanktionen, inklusive Strafverfahren, für jene Personen vor, die MigrantInnen ohne Papiere unterstützen, transportieren oder einstellen. Sein Vorschlag beinhaltet zudem den Bau einer 1.200 km langen Mauer an der südlichen US-Grenze zu Mexiko und die Verstärkung der Grenzüberwachung. Ausserdem könnte nach dem neuen Gesetz jedeR PolizistIn nicht-dokumentierte Arbeitende festnehmen, Befugnis, die bislang einzig der Migrationspolizei oblag. Für jene Gruppen in den USA, die MigrantInnen unterstützen, bedeutet das Gesetz, dass sie ihre humanitäre Arbeit legal kaum noch ausführen könnten. Die Sorge geht aber vor allem bei den MigrantInnen selbst um, die aus Angst vor Razzien teilweise nicht mehr das Haus verlassen. Das "Anti-MigrantInnen"-Gesetz sorgt aber nicht nur in den USA selbst für Widerstand, sondern auch in Guatemala. Knapp ein Zehntel der MigrantInnen ohne Papiere in den USA sind GuatemaltekInnen. Sie sorgen mit den Rücküberweisungen an ihre Familien für die grössten Deviseneinnahmen des Landes und in vielen Fällen für das einzige Einkommen ihrer Angehörigen in den ländlichen Regionen. Im an Mexiko grenzenden Department San Marcos ist der Widerstand sozialer Bewegungen und der katholischen Kirche besonders stark. Er wird angeführt von dem dortigen Bischof Alvaro Ramazzini, für den das Gesetz im Widerspruch zum Gebot der Nächstenliebe steht. Er hatte bereits im Januar Kontakt zu Amtskollegen in den USA und anderen Instanzen in Zentralamerika aufgenommen, um den US-Senat dazu zu bewegen, von dem Gesetz Abstand zu nehmen. Die Kampagne "Für das Leben, gegen die Mauer" in Guatemala hat die Organisation Tzuk Kim-Pop aus Quetzaltenango initiert. Dafür sind Unterschriften gesammelt worden, die im Anhang an ein Schreiben an die US-SenatorInnen, aber auch an internationale Menschenrechtsorganisationen und den guatemaltekischen Kongress geschickt wurden. Hat Präsident Berger den US-Gesetzentwurf im Dezember noch als "unsinnig" bezeichnet, so hält sich die guatemaltekische Regierung aktuell mit öffentlichen Aussagen doch bedeckt. Das Zentralamerikanische Parlament (PARLACEN) hat jedoch eine Resolution verabschiedet, die das US-Gesetz ablehnt. Ebenso haben sich die zentralamerikanischen AussenministerInnen artikuliert und beschlossen, ihre Position und den Druck auf die USA beizubehalten. Nach oben |
Unterdessen zeichnen die bereits verschärften US-Massnahmen hinsichtlich ihres Zwecks, die Menge der EinwanderInnen zu verringern, keinerlei Erfolg. Im Gegenteil. Aufgrund der prekären Lebenssituation in den zentralamerikanischen Ländern, die durch den Hurrikan Stan im Oktober vergangenen Jahres noch einmal erschwert wurde, nach dem es in vielen Gemeinden bis heute noch keine oder keine ausreichende staatliche Unterstützung beim Wiederaufbau gibt, ist der Versuch, in die USA zu gelangen, oft die einzige Chance, wenigstens das Überleben der Familie zu sichern. Doch die restriktiven Einwanderungsbestimmungen haben die ohnehin bestehenden Gefahren und die Verletzungen der Menschenrechte nicht nur in den Grenzregionen immens erhöht. Humanitäre Organisationen, die in der Prävention und Rettung von Migrantinnen in der mexikanischen und der US-amerikanischen Wüste arbeiten, melden einen Anstieg um 20% derjenigen, die auf ihrem Weg in den Norden in diesem Gebiet sterben. Ertrinken, Ersticken und Austrocknen sind die häufigsten Todesursachen. Mit der Verschärfung der "Sicherheitsmassnahmen", müssen die MigrantInnen immer schwierigere Zonen durchqueren und mehr Risiken eingehen, um die Kontrollen zu umgehen. Vizepräsident Eduardo Stein sieht zudem wenig Hoffnung in Bezug darauf, dass die USA ihre Meinung hinsichtlich des von Guatemala kurz nach dem Stan beantragten temporären Sonderstatus für guatemaltekische MigrantInnen (TPS) ändern könnten. Dieser Antrag wurde in den Staaten von Anfang an nicht in Betracht gezogen und kürzlich wurden bloss jene TPS um ein Jahr verlängert, die nach dem Hurrikan Mitch MigrantInnen aus Honduras, El Salvador und Nicaragua verliehen wurden. Als Erklärung für seinen Pessimismus weist Stein darauf hin, dass 1998 die guatemaltekischen MigrantInnen in den USA nicht mehr als 60´000 zählten, heute seien es 600´000, Voraussetzung, die die USA sicherlich nicht akzeptieren, um sich den GuatemaltekInnen gegenüber wohlwollend zu zeigen. Mauro Verzeletti von der Migrationspastorale dagegen bewertet die entsprechenden Anstrengungen der Regierung als schwach. "Sie folgen den Spielregeln der USA, sagen Ja und Amen zu allem, da ist es kein Wunder, dass sie nichts erreichen." |
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