Coloms ländliche Entwicklungspläne
Fijáte 409 vom 07. Mai 2008, Artikel 3, Seite 3
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Coloms ländliche Entwicklungspläne
Guatemala, 05. Mai. Seit Anfang dieses Monats wird die Regierung neben der Staatsflagge eine zweite Fahne, die "der Völker", hissen, "um die Interkulturalität zwischen den verschiedenen guatemaltekischen Sektoren zu fördern", heisst es. Der in vier Bereiche geteilte Stoff soll mit den Farben rot, gelb, weiss und schwarz die vier Völker repräsentieren: die Xinca, die Garífuna, die Maya und die Ladinas/os. Doch besteht Zweifel, ob es sich nicht wieder einmal lediglich um einen Symbolismus handelt, nicht nur, weil das Design Anspruch erhebt, auf Maya-Zeichen zurückzugreifen, jedoch niemand der entsprechenden VolksvertreterInnen diesbezüglich konsultiert wurde; nicht einmal jener Ältestenrat der Maya, den Álvaro Colom bei dem öffentlichen Fest seiner Amtsübernahme auf dem Podium als vertrauten Kreis präsentierte. Ein ähnlich verschleiernder und vor allem verwirrender Eindruck erweckt das Thema der Ländlichen Entwicklung, das Colom als eines seiner Steckenpferde bezeichnet hatte. Neben dem Sekretariat der Sozialen Kohäsion unter Leitung von Coloms Gattin Sandra Torres, das sich derzeit in erster Linie um die sozialen Belange in 44 als besonders arm kategorisierte ländliche Munizipien kümmern will, rief Colom gegen Ende seiner ersten 100 Tage im Amt die ersten Agrar-Aktionen ins Leben. Einen Dialogrundtisch, der an vierzehn Orten im Land verteilt stattfinden soll, den Rat zur integralen ländlichen Entwicklung (CDRI), unter dem wiederum das Programm der integralen ländlichen Entwicklung funktionieren soll, und schliesslich die Nationale Kommission zur Ländlichen Entwicklung (CNDR), aus der mittelfristig das Ministerium zur Ländlichen Entwicklung entstehen soll. Gleich bei der Eröffnungsrede der Kommission kündigte Colom an, dass sich aufgrund technischer Probleme die inzwischen politisierte Praxis des Düngemittelprogramms des Landwirtschaftsministeriums verändert: Der Staat werde ab 2009 keine Geschäfte mehr ausschreiben, Angebote einholen, die Produkte kaufen und Säckeweise verteilen. Stattdessen würden die Gelder des Programms an die landwirtschaftlichen Kooperativen überwiesen, die sich dann selbst um den Kauf und die Verteilung des Düngers kümmern sollen. Zwar begrüsst der Generalsekretär der BäuerInnendachorganisation CNOC, Aparicio Pérez, diesen Schritt und fordert eine gerechte Ressourcenverwaltung ohne Privilegien für affine Sektoren der Regierung. Den Kooperativen die Verantwortung und Entscheidungsfreiheit über die Gelder zu überlassen, sei einerseits sicher sinnvoll, stelle aber auch keine Garantie für eine gerechte Verteilung und gemeinnützige Investition dar, denn von einer technischen Beratung für die Kooperativen in Bezug auf den Umgang mit dem Etat und die Praxis des Einkaufs ist keine Rede. Angesichts der bestehenden Nahrungsmittelkrise aufgrund der immens gestiegenen Preise, macht der Zusammenschluss Plataforma Agraria (PA) auf die Problematik der an die KleinbäuerInnen vergebenen Mikrokredite und die dramatischen Konsequenzen auf die regionale Wirtschaft aufmerksam. Omar Gerónimo von der BäuerInnenzentrale der Chortí, die der PA angehört, weist darauf hin, dass die BäuerInnen das aufgenommene Kreditkapital nicht wie geplant in Produktionsprogramme sondern in den Kauf von Lebensmitteln investieren, da die Ernährungsbedürfnisse momentan die Priorität ihrer Ausgaben darstellten. So blieben sie in ihren Schulden bei der Bank und müssten hohe Zinsen zahlen, was die Entwicklungsprojekte immer unmöglicher mache. Angesichts dieses Teufelskreises appelliert Gerónimo an die Regierung, den BäuerInnen Gelder zur Verfügung zu stellen, die nicht zurückzuzahlen sind. Teilweise gäbe es BäuerInnengruppen, die bis zu drei verschiedene Kredite aufgenommen hätten. Ausserdem sei eine fachliche Begleitung speziell im Bereich landwirtschaftlicher Produktivität nötig, damit die BäuerInnen das Kapital günstig investierten. Zur Nationalen Kommission zur Ländlichen Entwicklung gehören unterdessen die Ministerien für Landwirtschaft, Wirtschaft, Energie und Minen, der Chef der Finanzgruppe der Ländlichen Entwicklungsbank BANRURAL, der Präsident der Agro-Exportvereinigung AGEXPORT, sowie Roberto Dalton, Geschäftsführer des Agrochemie-Unternehmens DISAGRO, das Düngemittel exportiert, gleichzeitig bislang aber auch Hauptzulieferer für den Staat ist. Dieser Roberto Dalton ist nun - ad honorem - verantwortlich für die Koordination des genannten Programms der integralen ländlichen Entwicklung, das sich auch erst einmal auf die 44 Munizipien in extremer Armut konzentrieren wird. Dalton selbst betrachtet seinen neuen Job als "Herausforderung, diesen Gemeinden zu mehr Produktivität zu verhelfen". Angesprochen auf den möglichen Interessenkonflikt für ihn als Düngemittelunternehmer und zur Neutralität verpflichteter Regierungsfunktionär lässt er indes verlauten, jeder Unternehmer solle an der Entwicklung des Landes mitwirken. Bleibt abzuwarten, wie Daltons Programmpraxis aussieht. Nach oben |
Während Colom informiert, dem Rat CDRI und somit dem Programm von Dalton stünden 600 Mio. Quetzales zur Verfügung, kritisierte die zivilgesellschaftliche Beobachtungsinstanz über soziale Ausgaben, zugleich seien die zugesprochenen Gelder für Bildung, Gesundheit und generelle produktive ländliche Entwicklung immer noch nicht angewiesen und zum Teil sogar schon wieder gekürzt worden. Ergebnisziel des Rundtisches ist die Lösung der aktuell 1´500 dem Sekretariat für Agrarangelegenheiten (SAA) zur Analyse vorliegenden Landkonflikte. Alfonso de León vom SAA betont dabei bereits den Aspekt der juristischen Sicherheit; Miguel Ángel Sandoval, ehemaliger Präsidentschaftskandidat der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) und des Linksbündnisses MAIZ, begrüsst dagegen die Initiative grundsätzlich als positiv, doch brauche es im Vorfeld die Installation bestimmter Massnahmen, um die Resultate langfristig zu gewährleisten. Er nennt dabei das Agrar-Gesetzbuch, eine zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft und die Ernennung von entsprechenden Gerichtsinstanzen. Ähnlich befürchtet auch Abisaías Gómez von der Plataforma Agraria, dass der Dialog als Strategie benutzt werden könnte, um den ganzen Prozess um die Landkonflikte herum einzuschläfern. Als besonders besorgniserregend beobachtet er diesbezüglich die anhaltende Repression und Kriminalisierung der Landbewegung. |
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