Wer ist Emeterio Pérez? - Und weshalb es die Goldcorp Inc. Shareholder und Investoren wissen sollten
Fijáte 431 vom 25. März 2009, Artikel 1, Seite 1
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Wer ist Emeterio Pérez? - Und weshalb es die Goldcorp Inc. Shareholder und Investoren wissen sollten
Der folgende Bericht von Grahame Russel, Co-Direktor der US-amerikanisch-kanadischen Menschenrechtsorganisation Rights Action, wurde im Januar 2009 verfasst und beschreibt die Auswirkungen des Bergbauunternehmens Marlin auf die Gesundheit der Bevölkerung in San Miguel Ixtahuacán und Umgebung. Rights Action begleitet seit Jahren kritisch die Machenschaften des kanadischen Bergbauunternehmens und organisiert regelmässig Studienreisen nach Guatemala. In Kanada ist die Organisation in der politischen Lobbyarbeit tätig. (www.rightsaction.com) Ich traf Emeterio Pérez zum ersten Mal im Mai 2008. Der 70jährige Maya-Mann lebt mit seiner Frau und seiner zahlreichen Familie in einem kleinen Haus in San José Ixcanique. Sein winziges Stück Land grenzt an die Mine Marlin von Goldcorp Inc. Er lebte sein ganzes Leben lang schon dort, vor ihm seine Eltern. Am 28. Januar 2009 traf ich Emeterio wieder. Er sah mehr als acht Monate älter aus seit unserem letzten Treffen im Mai. Seine Tage verbringt er auf einem Stuhl sitzend, mit Schmerzen und zu schwach, um aufzustehen und herumzugehen. Im Mai 2008 war ich mit einer Gruppe Studierender von der Universität Northern British Colombia hier, die herkamen, um Interviews zu führen mit Leuten, deren Rechte und Leben vom Goldcorp Bergbauprojekt beeinträchtig wird. Die Mine arbeitet im Tagebau mit der Blausäure Zyanid und breitet sich kontinuierlich aus. San José Ixcanique ist ein Maya-Dorf, das der Mine im Weg liegt. Wasserquellen und kleine Bäche sind längst ausgetrocknet. Der Staub aus der Mine ist omnipräsent, Lastwagen dröhnen den ganzen Tag vorbei. Die Erde bebt, wenn Goldcorp Steine und Felsen sprengt. Hunderte von Lehm-Häusern haben Risse bekommen. Im Mai erzählte uns Emeterio, dass das Unternehmen Ende der 90er Jahre und Anfang 2000 seine Familie unter Druck gesetzt hat, ihr Land Stück für Stück zu verkaufen. Den BäuerInnen in der Gegend wurde erzählt, dass die Regierung sie umsiedeln würde, wenn sie ihr Land nicht freiwillig verkaufen. Es ist ein Einfaches, die sich vom Schrecken der Staatsrepression der vergangenen 40 Jahre erholende verarmte Landbevölkerung so einzuschüchtern, dass sie ihr Land verkaufen. Die Regierung hat sie noch nie geschützt bzw. ihre Rechte oder ihr Wohlergehen verteidigt. Emeterio liess sich nicht vertreiben. Mit dem Geld, das er für sein Stück Land erhielt, kaufte er ein neues, kleineres. Die letzten fünf Jahre verbrachte er damit, für seine Frau zu sorgen. Als sie ihr Land verkauften, erlitt sie eine Art Schlaganfall. Sie lebt seither von Schmerzen gekrümmt, ihre Hände zittern. In den vergangenen Jahren kamen Hautausschläge dazu, unter denen eine zunehmende Zahl von älteren Leuten, Kindern und Neugeborenen leiden, die in der Nähe der Mine leben. Ob von den Abfallprodukten des Zyanids und anderen Chemikalien, die zur Trennung von Gold und Silber von der Erde und dem Gestein gebraucht werden, oder von den Schwermetallen wie Quecksilber, Arsen oder Blei - die Bevölkerung ist sich sicher, dass ihre Erkrankungen die Folge der Verschmutzung von Luft und Wasser sind, welche die Mine produziert. In den letzten Jahren hat Emeterio den grössten Teil seiner Zeit und seines Geldes für die Gesundheit seiner Frau ausgegeben. So wie allen Menschen, die weltweit unter Minen-spezifischen Hauterkrankungen leiden, wurden auch ihr, wenn überhaupt, von den ÄrztInnen bloss Hautcrèmes oder Antibiotika verschrieben. Das hat nichts genützt, denn die Hautprobleme sind die Folge einer Blutvergiftung. Bevor wir Emeterio im Januar 2009 besuchten, warnte man mich, dass nun auch er unter Hautausschlägen litt. Im letzten Mai war er noch ein gesunder, starker Mann, angetrieben vom Ärger über die Anwesenheit und die Tätigkeit der Mine. Ich war nicht vorbereitet auf den Emeterio, den ich antraf: einen alten, schwachen Mann. Er erzählte unserer Gruppe stockend und weinend, wie seine Hautprobleme begannen. Zuerst die Schmerzen in seinen angeschwollenen Füssen, später dehnten sie sich auf die Beine und über den ganzen Körper aus. Zuletzt begann auch sein Bauch anzuschwellen. Er zeigte uns seine Arme, seine Schultern, seinen Oberkörper. Alles war von Hautausschlägen überdeckt und angeschwollen. Erhielt er medizinische Versorgung? Emeterio ging mit seinem Sohn zur Goldcorp Gesundheitsklinik. Sein Sohn arbeitet als Teilzeitarbeiter in der Instandhaltung der Strassen, die von der Mine gebaut und benutzt werden. Emeterio bekam keine Behandlung, man schlug ihm vor, ins Spital nach Huehuetenango zu gehen. 2000 Quetzales später (ca. 250 US-$) verlief auch der Besuch in Huehuetenango erfolglos. Man verkaufte ihm Crème und Antibiotika, die nichts halfen, ja: nichts helfen konnten. Nun sitzt er zuhause, ein gebrochener Mann, dem Tod geweiht. Ein Mann seines Dorfes ist mit denselben Symptomen bereits gestorben. Bei rund 20 Interviews, die zwischen Dezember 2008 und Januar 2009 von Mitgliedern von Rights Action gemacht wurden, konnte festgestellt werden, dass die BewohnerInnen von San Miguel Ixtahuacán an Hautausschlägen, Juckreizen, Haarausfall und anderen gesundheitlichen Problemen leiden, die sie nicht hatten, bevor Goldcorp im Jahr 2004 mit dem Bergtagbau in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft begann. Von den interviewten Personen haben mehr als 60 Prozent mindestens ein Familienmitglied, das seit 2007 an gesundheitlichen Problemen leidet. Mit der Problematik konfrontiert, erklären die Verantwortlichen von Goldcorp, dass die Gesundheitsprobleme der Bevölkerung auf mangelnde Hygiene und Wassermangel zurückzuführen sei, was angesichts der Tatsache, dass das Unternehmen 250'000 Liter Wasser pro Stunde braucht und für das Austrocknen von Quellen und Flüssen verantwortlich ist, mehr als zynisch anmutet. Die Hautausschläge seien die Folge von Mücken- und Flohstichen. Die Bevölkerung ihrerseits betont, dass sie sehr wohl zwischen Windpocken, Flohstichen und den aktuellen Hautausschlägen unterscheiden könne. Unterdessen sind auch die ersten Säuglinge gestorben - offiziell ist die Todesursache unbekannt, jedoch litten sie unter starken Ausschlägen und offenen Kratzwunden. Am 18. Dezember kam die Botschafterin nach San Miguel Ixtahuacán. Sie besuchte Emeterio Pérez nicht. Soweit wir wissen, hat sie keine die Umwelt, die Gesundheit der Bevölkerung oder die Menschenrechte betreffenden Klagen näher untersucht. Im Zentrum von San Miguel Ixtahuacán, 45 Minuten von Emeterios Haus entfernt, stand sie mit der guatemaltekischen First Lady und Vertretern von Goldcorp und schaute zu, wie diese dem Gemeindepräsidenten von San Miguel einen Scheck überreichte aus Anlass der Auszahlung der 0.5% des Gewinnes von Goldcorp, die der Gemeinde zustehen. Nach oben |
Es ist nicht so, dass sich die kanadische Regierung und Goldcorp nicht um die Klagen über Schäden und Menschenrechtsverletzungen kümmerten. Viel schlimmer. Werden sie unter Druck gesetzt, negieren sie jeglichen Wahrheitsgehalt der Reporte, Studien, Artikel und Eilaktionen. Die Mine führt ihre Tätigkeit unter grösstmöglicher Auslastung weiter, befindet sich doch der Goldpreis in einer Höchstpreisphase. EinschubIm November 2008 unterzeichneten 140 Einzelpersonen und Organisationen einen 14seitigen Bericht (http://www.rightsaction.org/urgent_com/Canada_Goldcorp_Guate_111208.html), der an die neue kanadische Botschafterin in Guatemala, Leeann McKechnie, geschickt wurde. Im Folgenden eine Kurzfassung: "Das guatemaltekische Ministerium für Energie und Minen vergab im November 2003 an die Firma Glamis Gold eine Lizenz, um im Marlin-Projekt in San Marcos im Tagebau und unter Einsatz von Zyanid Gold abzubauen. Diese Lizenzvergabe verletzte gemäss dem Artikel 169 der ILO-Konvention die Mitbestimmungsrechte der dort lebenden Maya-Bevölkerung. Goldcorp und seine Shareholder profitieren von diesem rechtlichen Vakuum. Die Konsequenzen dieser fundamentalen und weiterhin bestehenden Menschenrechtsverletzungen sind: Stillstehende Entwicklung: Bevor Goldcorp in die Gegend kam, war die dort lebende Mayabevölkerung bereits geschwächt durch chronische Armut und das Erbe des bewaffneten Konflikts. Das westliche Hochland Guatemalas war während der 80er Jahre stark vom Krieg gebeutelt. Goldcorp nützte diese Schwäche aus und beraubte die betroffenen Gemeinden der Möglichkeit, sich in ihrem eigenen Tempo und mittels ihrer eigenen Mechanismen zu erholen und ihre Organisationen und Führungspersönlichkeiten zu stärken, so wie es die Friedensabkommen von 1996 festhalten. In Verletzung von Wort und Geist dieser Abkommen offerierte Goldcorp individuelle Angebote (Arbeit und Land) statt kollektive Entscheidungsfindung, privatisierte soziale Hilfe statt öffentliche und kollektive Aneignung eines Entwicklungsprozesses. Grosse Risiken: Die Einflüsse auf die Umwelt, Gesundheit, das soziale und kulturelle Leben durch das Marlin-Projekt wurden nicht offengelegt und deshalb von der lokalen Bevölkerung nicht wahrgenommen, bevor Goldcorps Vorgänger Glamis Gold Inc. im Jahr 2003 die Nutzungslizenz erteilt wurde. Unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfungen haben die hohen Risiken aufgezeigt, welche die Goldgewinnung durch Zyanidbäder bedeuten. Unabhängig davon und nur am Profit der Mine interessiert, konnten die Öffentlichkeitskampagnen von Glamis Gold Inc. die Glaubwürdigkeit nicht erhöhen, die durch eine falsche Politik des Staates verspielt wurde: Die Konsultation der indigenen Bevölkerung, um mit ihnen Bedingungen auszuhandeln, unter denen sie eine Präsenz des Minenunternehmens akzeptieren würden. Konflikt und Kriminalisierung des Widerstands: Die Gemeinden und Familien sind gespalten. Arme Haushalte, Männer und Frauen, die von der Hand in den Mund leben, werden von den Sicherheitskräften des Minenunternehmens eingeschüchtert. Die Polizeipräsenz und die damit einhergehende Gewalt erinnern an die Zeiten des internen bewaffneten Konflikts. Nur eine gut gemeinte Suspendierung aller Tätigkeiten, gefolgt von Massnahmen in Übereinstimmung mit der guatemaltekischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen, könnte aus der bestehenden Pattsituation führen. Scheitert dies, werden weitere Gewalttaten riskiert. Die Verfolgung von ganzen Maya-Gemeinden ist ein Anzeichen von staatlicher Kriminalisierung von Gemeindewiderstand und dem Kampf um die kommunalen Rechte." Dieser Bericht wurde der kanadischen Botschafterin überreicht, da dieses Land von Ottawa bis zur Botschaft in Guatemala ein unhinterfragter Unterstützer der kanadischen Minenunternehmen in Guatemala ist. Die Botschaft hat bisher nicht geantwortet. |
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