Arbeitsmarktpanorama
Fijáte 429 vom 25. Februar 2009, Artikel 3, Seite 3
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Arbeitsmarktpanorama
Guatemala, 22. Feb. Es ist und bleibt offensichtlich das Gleiche: Die Straflosigkeit angesichts der Gewalt gegen GewerkschaftsführerInnen und die Gewerkschaftsbewegung allgemein, die Effektivität des Justizsystems und die tatsächliche Umsetzung des Rechts auf Gewerkschaftsfreiheit sind die drei wichtigsten Punkte in den aktuellen Empfehlungen einer hochrangigen Kommission der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die diese Tage Guatemala einen Besuch abstattete. Während diverser Treffen mit staatlichen VertreterInnen, Gewerkschaftsorganisationen und dem Unternehmenssektor machten sich Ed Potter und Luc Cortebeck, respektive ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenpräsident der ILO-Kommission, auch dieses Jahr ein Bild von der sich offenbar nicht verändernden Schwere der Situation, mit der sich die GewerkschafterInnen konfrontiert sehen (siehe Hintergrundartikel). Potter und Cortebeck setzen Guatemala eine Frist von sechs Monaten, in denen konkrete Fortschritte vorzuweisen seien. Unabhängig davon werden sie im Juni auf der Internationalen Konferenz der ILO über Guatemala Bericht erstatten. Unterdessen spitzt sich die Arbeitssituation in Guatemala zu. Der BäuerInnendachverband CONIC kritisiert dabei den staatlichen Wirtschaftsnotplan (siehe ¡Fijáte! 427), da er "keine Wirkung für die Armen auf dem Land" haben wird, er sollte vielmehr "seinen Fokus auf die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe richten und die Mittel entsprechend bündeln". Die CONIC-VertreterInnen sind der Ansicht, dass die Schaffung von zeitlich begrenzten Jobs durch den Bau von Infrastrukturprojekten nicht die grundlegenden Probleme des Landes lösten, sondern einmal mehr bloss ganz bestimmten Sektoren zugute kommen werden. Unterdessen sei auch das Gesetz über ein System der Ländlichen Entwicklung, das die Regierung für Januar versprochen hatte, unter den Tisch gefallen. Obwohl Finanzminister Juan Alberto Fuentes Knight informierte, die für 2009 geplante Investition in Infrastruktur werde 6 Mio. Quetzales umfassen, was 12% des Staatsetats ausmacht, äusserte jetzt auch die Weltbank im Rahmen einer Studie mit den Titel "Die Weltwirtschaftskrise: Evaluation der Vulnerabilität hinsichtlich der Armut" Zweifel an diesen Massnahmen. Sie stellt fest, dass das Land eine begrenzte Steuerkapazität habe, um antizyklische Politiken umzusetzen und den Effekten der Krise entgegenzuwirken. Nichtsdestotrotz billigte der Kongress nun, nach langer und heftiger Diskussion und zugunsten des Notplans eine Reform des Gesetzes des Haushaltes 2009. Nun kann die Exekutive deutlich freier mit den Zuweisungen von Geldern für Institutionen und Programme umgehen. Mussten Modifizierungen von Spenden- und Etatlimits bislang vom Kongress genehmigt werden, braucht die Regierung dem Parlament nun lediglich via Planungssekretariat (SEGEPLAN) und Finanzministerium über entsprechende Veränderungen Bescheid geben und hat somit freie Hand in der Verschiebung der Finanzen. Während Nineth Montenegro von der Partei Encuentro por Guatemala (EG) und Verfassungsrechtler Mario Fuentes Destarac die Entscheidung kritisierten, da sie gegen die verfassungsrechtliche Funktion des Kongress verstiesse und deswegen angefochten werden könnte, argumentiert Mario Taracena, Präsident der Finanzkommission und Mitglied der Regierungspartei Nationale Einheit der Hoffnung (UNE), nun könnten Spenden tatsächlich ihrem Zweck zugeführt werden, bislang habe ihre Diskussion im Kongress stets bestimmten Interessen gehorcht. Neben der Beseitigung dieser "Kandaren" betrifft ein zweiter Reformaspekt ein anderes heisses Eisen des Haushaltes: Ursprünglich sieht der Etat 2009 die Zuweisung von rund 343 Mio. Quetzales an Nicht-Regierungsorganisationen vor. Der Haken: Viele der aufgelisteten Organisationen wurden in Verbindung mit Abgeordneten gebracht, ein Grossteil erst kurz zuvor überhaupt offiziell registriert. Dass dieser Posten nun gestrichen ist, war, gemäss den Vermutungen von Gustavo Porras in seinem Kommentar in der Tageszeitung Siglo XXI, ausschlaggebend dafür, dass die Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas (URNG) ihre Stimme zugunsten der Etat-Reform gegeben hat. Einen weiteren Schachzug hat die Patriotische Partei im Austausch für ihre Unterstützung zur eigenen Gunst entschieden: 150 Mio. von den nun "frei gewordenen" Geldern gehen ans Militär, das seine Truppen um 2´000 SoldatInnen aufstocken will. (siehe separater Artikel). Weitere 100 Mio. werden dem Nationalen Personenregister (RENAP) zukommen, dem seit Ende 2007 funktionierenden zentralen Einwohnermeldeamt. Die Weltbank wiederum hat ihr Augenmerk auf die Realität derjenigen vom RENAP registrierten EinwohnerInnen geworfen, die Geldüberweisungen, die so genannten "remesas" von Familienangehörigen aus dem Ausland erhalten. In ihrem Bericht "Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft der Armut und des Wohlstandes in Guatemala" gibt die Weltbank an, dass die Hälfte dieser remesas zur Reduzierung der Armut beigetragen habe, die um 5 Prozentpunkte zurückgegangen sei. "Der Anteil der Bevölkerung, die Geldüberweisungen erhalten, hat sich allein zwischen 2000 und 2006 verdreifacht", kommentiert John Newman, Ökonom der Institution. Jedoch habe die Armutsreduzierung nichts an der extremen Armut und der Armut der indigenen Bevölkerung verändert, so Newman. Wilson Romero, Direktor des Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitut der Universität Rafael Landívar, fragt angesichts der Angaben: "Wenn die Hälfte der Armut durch die remesas zurückging, wo sind denn dann die Regierungsstrategien geblieben?" Nach oben |
Entsprechend problematisch stellt sich nicht nur die steigende Zahl von aus den USA deportierten MigrantInnen dar, die im letzten Jahr rund 28´000 GuatemaltekInnen umfasste. Diese summieren sich nun zu denen, die Arbeit suchen, und deren Familien keine Möglichkeit haben, ihre Ausgaben durch die erhofften remesas abzudecken. Seit 1999 erreichten die Rücküberweisungen imJahr 2008 ihren niedrigsten Stand, allein im Januar 2009 ist bereits ein Minus von 11,8% im Vergleich zum Januar 2008 registriert worden. Dabei schickten die rund 1,3 Mio. GuatemaltekInnen, die in den USA leben, im letzten Jahr noch US-$ 4 Mrd., mit denen die Angehörigen hier in den Hausbau oder in die Eröffnung eines Geschäftes investierten. Der Grossteil der Gelder fliesst jedoch in den täglichen Konsum und wird nicht nachhaltig angelegt. Unternehmensverbände und BANGUAT haben unterdessen keine guten Nachrichten in Sachen Arbeitsmarkt. So informierte Carlos Zúñiga, Präsident der Agrarkammer CAMAGRO, der europäische Markt habe seine Nachfrage unter anderem an Kaffee deutlich zurückgeschraubt, was bereits zu einem Verlust von 25´000 Stellen geführt habe, wobei der Verband im letzten Jahr schon einen Rückgang von 200´000 Arbeitsplätzen voraussah. Diesem Sektor hilft der staatliche Notplan auch nicht weiter. Zudem gab die Staatsbank BANGUAT ihre Prognose für 2009 bekannt. Sie erwartet einen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen um 6% auf US-$ 754 Mio. Diese gehen voraussichtlich weiterhin vornehmlich in den Telekommunikations- und Technologiemarkt, meint Miguel Gutiérrez, Analyst des Central American Business Intelligence (CABI). In einem Punkt sind sich indes die Unternehmer Guillermo Castillo, Max Quirin und der Verfassungsrechtler Mario Fuentes Destarac einig, die auf einem vom CABI ausgerichteten Forum davor warnten, dass das geringere Investitionswachstum die Armutssituation verschärfen könne. Sie empfahlen mithin konkrete Aktionen, die den Zugang des Privatsektors zu Krediten umfassen sowie eine Zinssenkung. Der Textil- und Kleidungssektor berichtet ebenfalls vom Rückgang des Exports in die USA. Die in 2008 registrierten 3,89% weniger im Vergleich zum Vorjahr machen einen finanziellen Verlust von ca. US-$ 62 Mio. und die Kürzung von mindestens 8´000 Arbeitsplätzen aus, andere Quellen sprechen gar von 12´000 Arbeitenden, die aufgrund der Schliessung von 14 maquilas im letzten Jahr ihren Job verloren haben. Und die Zahlen von Januar weisen gar ein Minus von 31% Bestellungen auf. Kürzlich gab die ILO einen Bericht, "Arbeitsmarktpanorama 2008", heraus, in dem sie darauf hinweist, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen gegenüber der Nachfrage in der ganzen Region nicht ausreichen werden, vor allem, weil "die Arbeitsmärkte einen strukturellen Mangel für die Hervorbringung anständiger Beschäftigungsverhältnisse aufweisen, da die Produktionsstrukturen wenig diversifiziert sind und stattdessen eine bedeutsame ländliche Basis mit traditionellen Arbeitsweisen und einer geringen Produktivität vorherrscht. Deswegen ist es "sehr gut möglich, dass die aktuelle Krisensituation sich widerspiegeln wird in einem Anstieg von prekären Arbeitsverhältnissen, Jobs im informellen Sektor und der Kinderarbeit." Derweil startete die Regierung gemeinsam mit dem Unternehmenssektor zwei Arbeitsmarktoffensiven. Das Arbeitsministerium präsentierte dieser Tage das Nationale Berufseinstellungssystem, mittels dem man vorhat, das Versprechen von Präsident Álvaro Colom einzulösen, 700´000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das System besteht aus einem landesweit zugänglichen elektronischen Netzwerk, in dem sich Arbeitsuchende an den Computern, die in den Rathäusern aufgestellt werden, mit ihrem Profil eintragen können. Auf diese Datenbasis können dann wiederum öffentliche wie private Unternehmen zugreifen, wenn sie Personal suchen. Laut Vize-Arbeitsminister Jorge Jiménez haben sich bereits mehr als 1´000 Unternehmen an dieser Initiative interessiert gezeigt. Zusätzlich soll es weiterhin Arbeitsmarktmessen geben sowie spezielle Vorbereitungsprogramme, sowohl zur Eingliederung der aus dem Ausland zurückgekehrten MigrantInnen als auch praktische Kurse für BewerberInnen; eine Arbeitsmarktzeitung soll darüber hinaus über offene Stellen informieren. Die zweite Initiative verspricht 31´120 Arbeitsplätze in diesem Jahr. Dafür haben sich der Exportsektor und die Regierung zusammengetan und wollen mit einer Gesamtinvestition von 256,6 Mio. Quetzales verschiedene Produktionsprojekte ins Leben rufen, die vom Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium getragen werden. Dazu gehören Bewässerungsprojekte, Aufkaufzentren, Kunsthandwerk, Kredite und Handwerksbetriebe. Das Exportgremium Agexport visiert eine Verdopplung auf US-$ 12 Mrd. der durch Export geschaffenen Devisen bis 2011 an und setzt dabei auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die durch die Projekte erreicht werden soll. |
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