Frauen in der Politik: Ein Teufelskreis des Ausschlusses
Fijáte 218 vom 13. Sept. 2000, Artikel 1, Seite 1
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Frauen in der Politik: Ein Teufelskreis des Ausschlusses
Bei den Gemeinderatswahlen vom 7. November 1999 kandidierten 50 Frauen (fünf Mal mehr als 1985), doch nur drei wurden gewählt (eine weniger als vor 15 Jahren). Obwohl die Parteien sich geöffnet haben bezüglich der Aufstellung von Frauen als Kandidatinnen, genügt das offensichtlich nicht, denn bloss 3% aller KandidatInnen für Bürgermeisterämter waren Frauen. Verschiedene Aktivistinnen und Analytikerinnen stimmen überein, dass die WählerInnen nach wie vor eine grosse Ablehnung gegenüber Frauen haben. Der Ausschluss der Frauen aus der Politik geht weit über ideologische, ethnische und geographische Grenzen hinaus. Während auf gesetzlicher Ebene versucht wird, mit Quoten den Anteil an Frauen in politischen Ämtern zu erhöhen, braucht es gleichzeitig eine umfassende Bewusstseinsarbeit, um die kulturellen Muster zu verändern. Der folgende Artikel basiert auf einer Studie von Cecilia Mérida und ist am 11. August i Inforpress Centroamericana erschienen. Drei BürgermeisterInnen in 330 GemeindenDie vergangenen Wahlen haben einmal mehr den Ausschluss der Frauen aus politischen Belangen bewiesen. Obwohl 1999 mehr Frauen für politische Ämter (speziell auf Gemeindeebene) kandidiert haben als in den Vorjahren, hat in weniger als 1% aller Gemeinden eine Frau gewonnen. Die Beteiligung der Frauen hat zwar zahlenmässig zugenommen, ist prozentual gesehen aber nach wie vor gering. (siehe Grafik 1) Das Problem der geringen Vertretung der Frauen ist auch im Kongress spürbar, wo 1999 nur drei Frauen auf insgesamt 113 Kandidaturen gewählt wurden. Mit wenigen Ausnahmen ist der Ausschluss der Frauen in allen Parteien gleich. Auf der nationalen Liste waren von 177 KandidatInnen bloss 28 Frauen. Während die Koalition DIA-URNG keine Frauen auf die nationale Liste setzte, waren es bei der Bewegung zur nationalen Befreiung (MLN) fünf. Bei der Demokratischen Front Neues Guatemala (FDNG) und der Demokratischen Allianz (AD) waren immerhin die Hälfte der KandidatInnen Frauen. (siehe Grafik 2) Cecilia Mérida hat für ihre Habilitationsschrift in Anthropologie an der Universität San Carlos (USAC) 25 Frauen interviewt, die als Bürgermeisterinnen kandidierten. Mérida kommt zum Schluss, dass das grösste Hindernis für die politische Beteiligung der Frauen weder die Gesetze noch die Parteien sind. Was die Beteiligung der Frauen in erster Linie behindert, sind die kulturellen Muster und die Vorurteile der WählerInnenschaft gegenüber Frauen. Diese soziale Realität beeinflusst immer mehr die Chancen der Frauen, in ein politisches Amt gewählt zu werden, erklärt Mérida. Die Statistik belegt ihre These: 1985 haben zehn Frauen für ein Bürgermeisteramt kandidiert, vier davon wurden gewählt. 1999 waren es 50 Kandidatinnen, drei wurden gewählt. Aufgrund dieser Tatsache überlegen es sich die Parteien zweimal, bevor sie eine Frau als Kandidatin aufstellen. Cecilia Mérida schliesst aus ihrer Untersuchung, dass die Parteien das Aufstellen der KandidatInnen für Gemeindeämter oft den lokalen Komitees überlassen. Die Auswahl der KandidatInnen spiegelt die Werte wider, die innerhalb einer Gemeinde herrschen und oft ist man auf Gemeindeebene nicht bereit, kulturelle Muster auf Kosten der politischen Macht zu durchbrechen. Der Ausschluss der Frauen ist in indigenen Gemeinden noch viel offensichtlicher. Laut Mérida wurden in den letzten fünfzehn Jahren nur vier Indígena-Frauen als Kandidatinnen aufgestellt, keine davon gewann die Wahl. Doch Mérida ist trotz allem zuversichtlich: "Ich glaube, es verändert sich etwas. Die politische Beteiligung der Frauen nimmt zu. Es wird immer 'normaler', Frauen in politischen Ämtern zu sehen. Helen Mack und Rigoberta Menchú haben diesen Prozess beschleunigt."
Den Frauen fehlen weibliche politische Vorbilder, bedauert Mérida; von den interviewten Frauen hatte keine eine Politikerin als Bezugsperson. "Es müssen mutige Frauen sein, die sich darauf einlassen, eine Machtposition einzunehmen und ihre traditionelle Rolle abzulegen. Es ist jedoch festzustellen, dass diese Frauen zu Vorbildern in ihren Gemeinden werden. In Gemeinden mit einer Bürgermeisterin nimmt generell die politische Beteiligung der Frauen meist zu."
Die HindernisseExpertinnen in Geschlechterfragen sind sich einig, dass eine Sensibilisierung auf verschiedenen Ebenen stattfinden muss: Bei den Parteien und ihren Auswahlverfahren, bei den Bürgermeisterinnen und den Gemeinderatsmitgliedern, bei der Ausbildung lokaler Führungspersönlichkeiten und generell bei der Staatskundeerziehung. Für Edna Hernández von der Convergencia Cívico-Político de la Mujer ist eines der grössten Hindernisse für die politische Beteiligung der Frauen die Tatsache, dass Guatemala traditionellerweise von Parteien regiert wird, die keine demokratischen Strukturen haben. "Es herrscht eine politische und kulturelle Trägheit, die keine Veränderungen zulässt", erklärt Hernández. Die Schuld, dass die Akzeptanz der KandidatInnen in der Bevölkerung nicht grösser ist, kann jedoch nicht allein den Parteien zugeschoben werden, meinte sie. Um mehr Wahlsiege von Frauen zu erreichen, müssten KandidatInnen aufgestellt werden, die in ihren Gemeinden bekannt sind und ein gewisses Ansehen geniessen. Dieses Ansehen erlangt eine Frau durch ihr Engagement auf Gemeindeebene im Vorfeld einer Kandidatur. Gibt es nicht die Möglichkeit einer Beteiligung der Frauen in der Zivilgesellschaft, ist es auch schwierig, dass Frauen das Profil und die notwendige Erfahrung sammeln, um eine Wahl zu gewinnen. Ein weiteres Ziel muss es sein, dass gewählte Frauen ein Geschlechterbewusstsein erlangen. Immer noch ist die ideologisch-politische Zugehörigkeit zu einer Partei stärker als das Geschlechterbewusstsein, erklärt die Kongressabgeordnete Nineth Montenegro. Die Identifizierung mit der Partei ist grösser als die Identifizierung als Frau. Rosa Sánchez, Forscherin bei der Friederich Ebert-Stiftung teilt dieses Kriterium: "Mit Ausnahme von Nineth Montenegro haben die Frauen im Kongress keine Geschlechterperspektive und setzen sich nicht für die Interessen der Frauen ein." Nach oben |
VorschlägeDie interviewten Spezialistinnen haben verschiedene Vorschläge bezüglich der Prioritäten und Strategien, die es zu verfolgen gibt, um die politische Beteiligung der Frauen zu stärken. Einig sind sie sich insofern, dass es die traditionellen Rollen zu durchbrechen gilt. Ein Werkzeug, um dies zu erreichen, sehen sie in der Reform des Wahl- und Parteiengesetzes und dem Vorschlag, eine Quotenregelung einzuführen. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wurde dem Kongress im September 1998 eingereicht. Vorgesehen ist eine Mindestquote von 30% für Frauen bei allen, durch das Volk gewählten, politischen Ämtern. Ausserdem werden die Parteien aufgerufen, Frauen in höhere Positionen innerhalb der Parteihierarchie zu wählen. Weiter sollen die Parteien interne Ausbildungskommissionen bilden, die bei der Vermittlung der zivilrechtlichen und demokratischen Grundlagen speziell auch die politischen Rechte der Frauen miteinbeziehen. Nineth Montenegro, die bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs mitgearbeitet hat, argumentiert damit, dass es solche Gesetze bereits in El Salvador, Nicaragua, Costa Rica, Argentinien, Chile und Panamá gibt. Obwohl Mitglieder der Republikanischen Front Guatemala (FRG) ursprünglich den Gesetzesentwurf unterstützten, zweifelt Montenegro daran, dass er in der aktuellen politischen Konstellation des Kongresses Chance auf eine Annahme hat. Im Moment ist die Diskussion über die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes wieder aktuell. Edna Hernández bezeichnet es als evident wichtig, diese Initiative auszunutzen, um die Forderungen der Frauen einzubringen. Für sie ist das Gesetz die beste Verbündete, da es eingehalten werden muss. Parteien, die sich nicht daran halten, könnten entsprechend nicht mehr an den Wahlen teilnehmen. Doch auch für Hernández genügen die Gesetzesreformen allein nicht. "Sowohl Frauen wie Männer müssen sensibilisiert werden, er reicht nicht, das politische System zu demokratisieren, die Demokratisierung muss bis in die Familien reichen. Ein weiterer Punkt, in dem die Interviewten übereinstimmen, ist die Notwendigkeit, die Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen zu verbessern. Laut Montenegro ist dies ein langer Weg und ein schmerzhafter Prozess, der noch Generationen dauern wird. In diesem Zusammenhang stellen mehrere Interviewte die Rolle der internationalen Kooperation in Frage. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Cooperantes uns wirklich helfen", zweifelt Montenegro. "Oftmals kommen sie mit Vorstellungen bezüglich Geschlechterfragen, die nichts mit unserer Realität zu tun haben. Bei Gesetzesentwürfen zur Verbesserung der Situation der Frau, muss man sehr vorsichtig sein. Es existiert eine grosse Skepsis der Kongressabgeordneten allem gegenüber, das auch nur im Entferntesten etwas mit Geschlechterfragen zu tun hat. Es ist nicht nur Machismus, es gibt generell viele frauenfeindliche Vorurteile, die wir langsam durchbrechen müssen." "Würden wir den Einfluss der internationalen Zusammenarbeit auf die politische Beteiligung der guatemaltekischen Frauen quantitativ messen, kämen wir zu einem negativen Ergebnis", bestätigt auch Rosa Sánchez. Auf gesetzlicher Ebene wurde unheimlich viel investiert, doch wurde in den letzten Jahren bloss einzig das Gesetz eingeführt, das den Frauen zugute kommt, nämlich dasjenige über innerfamiliäre Gewalt. Auch Cecilia Mérida stellt in ihrer Untersuchung den Einfluss der internationalen Zusammenarbeit in Frage: "Die Nichtregierungsorganisationen verpassen es, auf eine kreative Art traditionelle Muster zu verändern. Es bräuchte eine ausdauernde und gut fundierte Arbeit. Diejenigen Organisationen, die einen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben, müssen vormachen, dass Frauen Fähigkeiten haben, dass Frauen 'können'. Schon kleine Kinder müssten mit diesem Selbstverständnis aufwachsen." Ohne einen geschlechterspezifischen Aspekt in der Erziehung, werden sich die zukünftigen Generationen kaum eine andere als die aktuelle Realität vorstellen können. Haben die Jungen und Mädchen jedoch andere Vorbilder, sehen sie, dass es Präsidentinnen, Vizepräsidentinnen, Bürgermeisterinnen und Ministerinnen gibt, wechseln sich auch ihre Werte und sie werden ein anderes Bild von der Welt bekommen, schliesst Edna Hernández. |
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