guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Guatemaltekische Wahlspekulationen

Fijáte 364 vom 19. Juli 2006, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 364 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte

Guatemaltekische Wahlspekulationen

Der Analytiker VGEdgar GutiérrezNF kann der Gründung einer indigenen Partei durchaus einen "Nutzen für die Demokratie" abgewinnen, weist aber darauf hin, dass eine auf Ethnizität begründete Partei der marxistischen Ideologie des Klassenkampfes widerspreche. Man sei mit einer Herausforderung konfrontiert, mit der sich in der heutigen Zeit niemand gerne auseinandersetzt: Der Definition der eigenen Identität. "Die Linke scheiterte bei der Integration der ethnischen in die Klassenfrage. Man kann weder sagen, alle Indígenas sind BäuerInnen, also arm, noch kann man sagen, alle Armen sind Indígenas. Wenn wir die Geschichte analysieren, ist es durchaus verständlich, dass die Indígenas sich kulturell abgrenzen mussten, obwohl sie als Volksgruppen die Gesellschaft vertikal (Klasse), horizontal (Ideologie) und sogar territorial durchzogen", erklärt Gutiérrez.

Der Herausforderung, über parteipolitische Grenzen hinweg eine gemeinsame Position als Indígenas zu definieren, standen die indigenen Regierungsmitglieder im April gegenüber, als sie von den in Sachen VGLandfrageNF demonstrierenden BäuerInnenorganisationen aufgefordert wurden, sich mit ihnen zu solidarisieren und aus der Regierung zurückzutreten. "Ich fühle mich den protestierenden BäuerInnen gegenüber verpflichtet und bin bereit, im Falle eines Scheiterns des Dialogs von meinem Posten zurückzutreten", erklärte damals die Leiterin des Nationalen Entschädigungsprogramms für die Opfer des Krieges, VGRosalina TuyucNF. Norma Quixtán, Leiterin des Friedenssekretariats, vertrat hingegen die Meinung, die indigenen Regierungsmitglieder könnten die Rolle von VermittlerInnen übernehmen und entschied sich, sich von "innen heraus" für die indigenen und bäuerlichen Anliegen einzusetzen und das Bild einer "integrativen" Regierung zu stärken.

Mit eiserner Hand

Ende Mai trat der Kongressabgeordnete der VGPatriotischen ParteiNF (PP), VGOtto Pérez MolinaNF von seinem Amt zurück, nachdem ihn seine Partei als ihren Präsidentschaftskandidaten für 07 nominiert hatte. Seither führt er eine Kampagne, die ihm zwar bereits Scherereien mit der Wahlbehörde einbrachte, aber offenbar bei der Bevölkerung ankommt: eine Meinungsumfrage der Tageszeitung VGelPeriódicoNF platziert ihn nach VGAlvaro ColómNF auf dem zweiten Platz der Rangliste möglicher zukünftiger Präsidenten. Das Erfolgsrezept von Ex-General Pérez Molina heisst, mit eiserner Hand gegen Gewalt vorzugehen, die Methode, mit der in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts schon Diktatur-General VGJorge ÚbicoNF versprach, das Land aus dem Chaos und der Unregierbarkeit herauszuholen. Damit macht sich Pérez Molína ein Thema zunutze, das im Moment die ganze Bevölkerung beschäftigt: Die Gewalt, die zunehmenden Morde, deren Ursachen vom "einfachen" Raub eines Mobiltelefons bis zu politischen Meinungsverschiedenheiten reichen. Die allgemeine Verunsicherung und die offensichtliche Unfähigkeit der aktuellen Regierung, das Problem Gewalt wirksam anzugehen, fördern ein Klima, in dem man gerne bereit ist, das Schicksal des Landes in "eiserne Hände" zu legen und sich einem militärisch-autoritären Regime unterordnet.

Dass solche "eiserne Hand"- oder "Nulltoleranz"- Methoden vor ein paar Jahrzehnten dazu dienten, als staatsfeindlich deklarierte Menschen ohne Gerichtsurteil und ohne das Recht auf Verteidigung verschwinden zu lassen, ist offenbar im Gedächtnis vieler Menschen nicht mehr präsent. Der Diskurs mit den "Anderen" (damals waren es die "KommunistInnen", heute sind es die VGmarasNF und die VGDrogenhändlerNF) funktioniert bestens. Ein ähnliches Phänomen war bereits in den letzten Wahlgängen mit der Kandidatur von VGRíos MonttNF bzw. seiner Partei der FRG zu beobachten, die eine ähnliche Flagge schwang und vor allem in Regionen, die während des Krieges unter Repression und Verfolgung litten, einen beträchtlichen Stimmenanteil holte.

Zum Glück gibt es auch andere Stimmen, die davor warnen, das Problem der Gewalt mit Gewalt anzugehen. Marco Antonio Barahona, Berater vom Studienzentrum VGASIESNF, meint zum Beispiel, es brauche nicht einen starken Mann in Militäruniform, sondern eine gemeinsame Zukunftsvision, konkrete (wirtschafts-)politische Aktionen, soziale Reformen und Ressourcen, um Guatemala voranzubringen. Diese Meinung wird von vielen unabhängigen AnalystInnen geteilt.

Direkt angegriffen wurde Pérez Molina auch vom Direktoren des Gefängniswesen, Alejando Giammettei, der sagte: "Diese Wölfe im Schafspelz, die von sich glauben, die Gurus der Sicherheit zu sein und der Öffentlichkeit versprechen, mit harter Hand durchzugreifen, sind in Wirklichkeit diejenigen, die hinter den Aufständen und Aggressionen der mareros in den Gefängnissen stecken". Auf wen er damit anspielte, war allen klar.

In Anbetracht der Tatsache, dass bereits 18 Monate vor den Wahlen in Guatemala die politisch motivierten Morde zunehmen, muss befürchtet werden, dass das Thema "Gewalt" ein wichtiges Thema und ein entscheidender Faktor sein wird im Wahlkampf.


PDF Original-PDF 364 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte