"Ausnahmsweise" in San Marcos, Xela und Huehue
Fijáte 373 vom 29. November 2006, Artikel 3, Seite 4
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"Ausnahmsweise" in San Marcos, Xela und Huehue
Guatemala, 23. Nov. Es soll wohl zur Gewohnheit werden, dass Präsident Berger und seine Sicherheitsequipe die Rechte der BürgerInnen ausser Kraft setzen, um ihrer Aufgabe, die Kriminalität einzudämmen, nachzukommen. So nun das dritte Mal in Folge innerhalb von vier Monaten: Nachdem die Überfallartige Grossrazzia im Ixcán im August zu vielseitiger Kritik geführt hatte, wurde wenige Tage später in San Marcos unter Ausrufung des Ausnahmezustandes massenweise Drogenanpflanzungen vernichtet und wenig später, erneut unter Aussetzung der Bürgerrechte des gesamten Munizips Fraijanes, wurde das dortige Gefängnis Pavón gestürmt. Am 17. November verabschiedete Berger nun ein neues Regierungsdekret mit der wortwörtlichen Rechtfertigung: "Der Präventionszustand wird ausgerufen, da es zu einer Reihe von Handlungen gekommen ist, die den Frieden und die Sicherheit des Staates und somit die der Personen, die in den genannten Munizipien wohnen, stören, und um zu verhindern, dass sich diese Situation verschlechtert, wird es für angemessen und notwendig gehalten, mit Eilcharakter alle Massnahmen zu ergreifen, die zweckmässig sind, um die Sicherheit und das Leben ihrer BewohnerInnen zu garantieren." Doch was konkret in den Munizipien Ayutla, Malacatán und Ocós des Departements San Marcos, La Democracia in Huehuetenango und Coatepeque in Quetzaltenango die Entsendung von 800 Mitgliedern der Zivilen Nationalpolizei (PNC) und des Militärs, in Begleitung von Angestellten der Steuerstelle (SAT) rechtfertigt, bleibt fraglich. Vor allem, wenn die Aktion laut Polizeichef Erwin Sperisen die Priorität verfolgt, den Menschenschmuggel, den Drogenhandel und den Waffenschmuggel zu bekämpfen, die Resultate jedoch noch nach drei Tagen der Durchsuchungen und Festnahmen äusserst kläglich bleiben: 61 Waffen wurden konfisziert, jedoch nur 9 waren nicht lizenziert, 118 MigrantInnen wurden deportiert, 21 Personen festgenommen, denen Delikte wie Drogenkonsum, Diebstahl und Menschenschmuggel unterstellt werden. Neun Spielautomaten ohne Lizenz wurden beschlagnahmt, zwei gestohlene Autos und vier Motorräder gefunden sowie 20 Tütchen Kokain und 15 Tütchen Marihuana. Neben etlicher Schmuggelware - Toilettenpapier, Reis, Eier, Likör und Benzin - in geringer Menge konnten die Besitzer von 585´000 Quetzales in mexikanischem Bargeld dessen Herkunft nicht erklären. Nach oben |
Zehn Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt, doch keiner der der Polizei bekannten "Köpfe" gefunden. Sperisen bleibt optimistisch: "Wir haben eine Liste von zahlreichen Anführern von kriminellen Gruppen, die an der Grenze operieren, wir haben sie nicht gefunden, aber das wird alles noch kommen." Derweil bleibt es der gesamten Bevölkerung der Munizipien während acht Tagen untersagt, sich ob öffentlichem oder privatem Anlass zu versammeln; sie dürfen, auch wenn sie eine Genehmigung haben, keine Waffen bei sich tragen und müssen auf Nachfrage ihr Fahrzeug durchsuchen lassen und reportieren, wohin sie gehen oder fahren. Das Menschenrechtsprokurat (PDH) verfolgt bereits die ersten Beschwerden wegen Autoritätsmissbrauchs sowie wegen der Entwendung und Zerstörung der Identitätsdokumente von MigrantInnen. "Es wurde ihnen nicht erlaubt, mit irgendeiner Person Kontakt aufzunehmen", berichten PDH-VertreterInnen. Während einige der Bürgermeister und Gouverneure die Operation begrüssen, meldet Menschenrechtsaktivistin Helen Mack Zweifel an: "Ich finde es in Ordnung, dass die Regierung das Verbrechen kontrollieren will, aber die Resultate rechtfertigen nicht die Einschränkung der Rechte der Bevölkerung. Der wahre Schmuggel von Hühnereiern kommt in Lastwagen ins Land rein und nicht in sechs Stapeln zu je 360 Eiern." Sie vergleicht die aktuelle Aktion mit den vorherigen Razzien, bei denen ebenfalls "bloss der Kleinhandel im Visier war. Entweder verfolgen sie gar nicht die Intention, ernsthaft gegen das Verbrechen vorzugehen oder der zivile Geheimdienst ist richtig schlecht", resümiert Mack. |
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