Frauen kämpfen um ihren Zugang zu Land
Fijáte 380 vom 07. März 2007, Artikel 1, Seite 1
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Frauen kämpfen um ihren Zugang zu Land
In Guatemala, wo ca. 40% der ökonomisch aktiven Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind, 25% des BIP durch die Landwirtschaft generiert werden und eine extreme Landkonzentration vorherrscht, ist die Bedeutung von Land sowohl als ökonomischer aber auch als politischer Machtfaktor offensichtlich. Lediglich 1,86% der Bevölkerung besitzen 56,59% des kultivierbaren Landes. Die ungleiche Landverteilung hat sowohl eine ethnische als auch eine geschlechtspezifische Dimension. Obwohl die indigene Bevölkerung zum Grossteil in ländlichen Regionen lebt, ist ihr Zugang zu Land stark eingeschränkt. Innerhalb dieser ethnischen Dimension der ungleichen Landverteilung sind Frauen besonders vom Ausschluss von Landbesitz betroffen. Ihre Marginalisierung äussert sich darin, dass 80% der Landbesitzenden Ladino-Männer sind. Frauen machen in Guatemala dahingegen nur 6.5% der LandbesitzerInnen aus. Dies ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass Land nicht nur eine ökonomische Ressource ist, sondern auch im Zusammenhang mit damit verbundenen Machtkonflikten analysiert werden muss, da Landbesitz in Guatemala gleichzeitig Quelle sozialen wie kulturellen Kapitals ist. Geschlechtsspezifische Besitz- und Eigentumsstrukturen verknüpfen sich in diesem Bereich mit eingeschränkter Verfügungs- und Entscheidungsmacht von Frauen. Denn ein Stück Land bedeutet auch für die Frauen ein Stück unabhängige Sicherheit, soziale Anerkennung sowie die Öffnung von Handlungsspielräumen. Und in erster Linie die Sicherung ihrer Existenz. Archana Krishnamurthy hat eine entsprechende Analyse in ihrer politikwissenschaftlichen Diplomarbeit Frauen gewinnen Land. Landbesitz - eine Empowermentstrategie für indigene Frauen in Guatemala? vorgenommen und hat daraus einige Aspekte für den ¡Fijáte! herausgearbeitet. Betrachtet man die Stellung indigener Frauen in der guatemaltekischen ländlichen Wirtschaftsstruktur, wird der stark eingeschränkte Zugang zu ökonomischen Ressourcen deutlich. Der mangelnde Zugang zu Land für indigene Frauen limitiert auch ihren Zugang zu notwendigen Krediten, da die Kreditvergabe oft an Besitz gekoppelt ist. Landarbeiterinnen beziehen bis zu 50% weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen, wobei lediglich 21.4% der in der Landwirtschaft tätigen Frauen überhaupt bezahlt werden, während der Rest unentgeltlich im Rahmen familiärer Aktivitäten tätig ist. Rechtlich forciert wird dies durch den Art. 139 des guatemaltekischen Arbeitsrechts, in dem die Arbeitsrechte den weiblichen TagelöhnerInnen explizit aberkannt werden. Sie gelten lediglich als "Mithelferinnen" (coayudantes) des Mannes, weshalb ihnen keine Vergütung zusteht. Die geringere Entlohnung - im Falle von Auszahlungen - sowie die Herabsetzung des landwirtschaftlichen Beitrages der Frauen als "Mithilfe" sind Zeichen geschlechtsspezifischer, stereotyper Wahrnehmungen von Fähigkeiten, aus denen sich die Arbeitsteilung ableitet. Frauen sind mit einer zweifachen Geringschätzung konfrontiert. Es werden weder ihre produktiven noch ihre reproduktiven Arbeitsbeiträge anerkannt. Die Folge hiervon ist der stark beschränkte Zugang zu ökonomischen Ressourcen. Anfang der 90er-Jahre wurden verschiedene Basisfrauenorganisationen in den Flüchtlingslagern im mexikanischen Exil gegründet, die sich an der Organisation der kollektiven Rückkehr der Bürgerkriegsflüchtlinge beteiligten. In diesem Rahmen thematisierten die Rückkehrerinnen als eine der ersten in Guatemala den formalen Landbesitz für Frauen, und damit den Zugang zu einer wichtigen Ressource. Wie sich später zeigen sollte, war das kollektive Agieren in einer Frauenorganisation ausschlaggebend für die letztendliche Erfüllung dieser Forderung. Mit ihrem Diskurs gaben die Rückkehrerinnen darüber hinaus wichtige Impulse sowohl für andere zivilgesellschaftliche Organisationen als auch staatliche Institutionen. Eine ihrer zentralen Ansprüche, die Regelung der MiteigentümerInnenschaft, bei der beide EhepartnerInnen gemeinsam im Besitztitel vermerkt sind, erhielt sogar Eingang in das Gründungsgesetz der staatlichen Landvergabeinstitution, dem FONTIERRAS, der 1999 Vereinbarungen aus den Friedensabkommen folgend, eingerichtet wurde. Doch stellt sich die Frage, welche konkreten Verbesserungen die gesetzlichen Zugeständnisse für Frauen bedeuten. Tatsächlich blieb die geschlechtsspezifische und ethnische Ausprägung des ungleichen Zugangs zu Land bestehen: 1979 waren 6.6% der LandbesitzerInnen Frauen, 2002 waren es 6.5%. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, ein zentraler Punkt ist jedoch die geschlechtsspezifische Organisationslogik der Institutionen, welchen es obliegt, die gesetzlichen Normen umzusetzen. Landprogramme für RückkehrerInnenIm Rahmen der Friedensabkommen wird 1992 der Wiederansiedlungsvertrag unterzeichnet. Erstmals werden hier die Diskriminierung von Frauen hinsichtlich des Zuganges zu Land und Krediten sowie die Verpflichtung, dieser entgegenzuwirken, erwähnt. So heisst es unter Artikel III.8: "Die Regierung verpflichtet sich, jegliche Form der faktischen oder gesetzlichen Diskriminierung der Frau zu beseitigen, indem sie deren Zugang zu Land, zu Wohnmöglichkeiten, zu Krediten und die Partizipation [von Frauen] in Entwicklungsprojekten ermöglicht". Ungeachtet der formalen Anerkennung bestehen jedoch zahlreiche Hindernisse bei der Umsetzung der gesetzlichen Normen. Es gibt Schlüsselmomente, die für die Einbeziehung bzw. den Ausschluss von Frauen vom Landbesitz jeweils entscheidend sind: bei der Antragsstellung und der Einschreibung ins Eigentumsregister ist die Berücksichtigung der Frauen noch relativ gesichert, deutlich zur Frauenexklusion tendieren jedoch Schritte wie z.B. die Überschreibung des Besitzes von einer Gruppe von MiteigentümerInnen auf eine juristische Person und schliesslich der Moment der individuellen Parzellierung. Im Hinblick auf die Rückkehrerinnen bedeutete dies Folgendes: Zunächst unterzeichnete jeder Rückkehrblock einen Mandato Legal. Darin waren die Personen aufgelistet, die berechtigt waren, am Landprogramm teilzunehmen. In diesem ersten entscheidenden Moment waren die organisierten Frauen einbezogen. Daraufhin wurde entweder mit dem FORELAP, dem Fond für die Eingliederung der repatriierten Bevölkerung in den Arbeitsmarkt und die Produktion, oder mit dem Vorläufer des jetzigen Nationalen Landfonds FONTIERRAS, dem FONATIERRA, ein Kreditvertrag abgeschlossen und abschliessend der Kaufvertrag unterzeichnet. In diesem Kaufvertrag waren alle MiteigentümerInnen, also auch Frauen, aufgelistet. Es war der vom Landprogramm vorgeschriebene Übergang zur juristischen Person (Kooperative), der zu einem Ausschluss der Frauen führte. Nach der Rückkehr wurde das Land meist auf den Namen der Kooperative registriert. MiteigentümerInnen wurden hierbei jedoch nicht automatisch Mitglieder der Kooperative. Insbesondere Frauen, die in einer Partnerschaft mit einem Mann leben, wurden ausgeschlossen, da nur eine Person pro Familie zugelassen ist. Diese Norm basiert nicht auf einer rechtlichen Grundlage, sondern wird vom zuständigen Personal des Nationalen Kooperativeninstituts (INACOOP) propagiert. Weitere Ausschlussmechanismen in der Kooperative sind die Entrichtung eines einmaligen Mitgliedbeitrages und die Verrichtung von Arbeitsstunden. Aufgrund der geringen finanziellen Ressourcen von Frauen, ist es ihnen oftmals nicht möglich, den Beitrag zu leisten. Auch den körperlich anstrengenden Arbeitsstunden (z.B. im Strassenbau) können sie nicht immer nachkommen. Alleinerziehende Frauen sind daher zusätzlich einer Mehrbelastung ausgesetzt. Nach Tilgung des Kredites bestanden in den meisten Rückkehrgemeinden Bestrebungen zur Privatisierung des Landbesitzes. Dies ist erneut ein entscheidender Moment für die Landrechte von Frauen. Auch wenn sie keine Mitglieder der Kooperative sind, könnten sie sich rechtlich auf das von ihnen unterzeichnete Mandato Legal beziehen. Dieses entstand jedoch vor der Registrierung der Kooperative und wird daher meist weder von den Institutionen noch von der Kooperative selber anerkannt. So kommt es, dass viele Frauen ihren Anspruch auf das Land bei der individuellen Registrierung des Landes endgültig verlieren. Derzeit sind in 25 der 50 Rückkehrgemeinden Frauen vom Landbesitz und der Kooperative ausgeschlossen, womit auch eine Exklusion von der politischen Partizipation in der Gemeinde einhergeht, da diese an die Mitgliedschaft in der Kooperative geknüpft ist. Nur in einer Rückkehrgemeinde, in Nueva Libertad, Cobán, Departement Alta Verapaz, verfügt ein Grossteil der Frauen über individuellen Landbesitz, d.h. sie besitzen ein Stück Land unabhängig von ihrem Mann. Diese Ausnahme zeigt deutlich die Defizite des gesetzlichen Rahmens auf. Lediglich durch das Engagement der Frauen in Nueva Libertad, konnten diese ihr Recht geltend machen. Nach oben |
Dabei stiess die Einforderung ihres Rechts auf Landbesitz für sie als Ehefrauen auf vehementen Widerstand seitens der Männer, vor allem, da diese Forderung als eine Überschreitung der "angemessenen Ansprüche einer Frau" betrachtet wurde. Die Existenz einer rechtlichen Grundlage für ihr Anliegen, wie der Paragraph im Wiederansiedlungsvertrag, aber auch der Mandato Legal, der mit entsprechendem Insistieren eingesetzt werden konnte, und insbesondere das Wissen darum, halfen den Frauen von Nueva Libertad, ihre Interessen durchzusetzen. Gleichzeitig war die Frauenorganisation Mama Maquin(1) im gesamten Landaneignungsprozess der Frauen von zentraler Bedeutung. Nur die organisierten Frauen im Exil tauchten überhaupt in den Mandatos Legales auf, und nur der kollektive Kampf um die Mitgliedschaft in der Kooperative verhalf den Frauen in Nueva Libertad letztendlich zu eigenem Landbesitz. Doch auch hier wird dieser durch den Privatisierungsprozess erneut bedroht. Einerseits geben die Ehemänner vor, die Formalitäten der Registrierung durchzuführen und tragen das Land letztendlich nur auf ihren Namen ein. Andererseits fehlen den Frauen oft die finanziellen Mittel für den nötigen Eintrag in das Eigentumsregister. Zugang zu Land beim FONTIERRASAuch beim 1999 gegründeten FONTIERRAS sehen sich die Frauen verschiedenen Hindernissen gegenüber, die ihre formalen Rechte für ihre effektive MiteigentümerInnenschaft untergraben. Der Art. 20 des Gesetzes des FONTIERRAS schreibt vor, alle Landtitel auf beide EhepartnerInnen bzw. PartnerInnen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auszustellen. Trotz der expliziten Verpflichtung, Frauen in besonderem Masse zu berücksichtigen, liegt die direkte Beteiligung von Frauen im Aktionszeitraum der Institution konstant bei 11%. Diese Zahl muss vor dem Hintergrund der negativen Bilanz des FONTIERRAS insgesamt und der geringen Reichweite im Hinblick auf die gestellten Anträge betrachtet werden, von denen bloss 2% erfolgreich behandelt wurden. Zudem besteht bei der Antragsstellung die Pflicht, sich als LandwirtIn auszuweisen. Zwar muss dieser Nachweis nicht mehr durch einen Eintrag im Ausweis erbracht werden, sondern es genügt eine Bestätigung des Bürgermeisters. Ungeachtet dieser vermeintlichen Erleichterung, ist dieses Requisit ein faktischer Ausschlussmechanismus für Frauen. Denn aufgrund geschlechtsspezifischer Wahrnehmung werden sie meist nicht als Landwirtinnen anerkannt, wodurch die Erlangung des Nachweises erheblich erschwert wird. Als weiteres Hindernis sind die notwendigen Spanischkenntnisse anzuführen, wodurch viele indigene Frauen von vornherein vom Antragsprozess ausgeschlossen sind. Der Hauptsitz des FONTIERRAS in Guatemala-Stadt, in dem ein signifikanter Teil der Formalitäten abgewickelt wird, verfügt über kein Personal mit bilingualen Kapazitäten. Der zentrale Ausschlussmechanismus ist auch hier, wie im zuvor erläuterten Landprogramm, der notwendige Status der juristischen Person als Teilnahmevoraussetzung. 1998 werden zwar die Artikel 109-115 des Zivilrechtes, welche die Repräsentation der Familie betreffen, modifiziert. Fortan gelten beide PartnerInnen einer Ehe oder einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft als Haushaltsvorstand, während dies zuvor nur dem Mann zugestanden wurde. Entgegen der zivilrechtlichen Änderung, gilt in der Praxis bei juristischen Personen nach wie vor der Mann als Haushaltsvorstand. Dieser wird daher Mitglied der Kooperative. Auch wenn in den Gründungsunterlagen der juristischen Person Frau und Kinder im Zusammenhang mit dem Haushaltsvorstand auftauchen, enthält die eigentliche Mitgliederliste der Kooperative nur die (meist männlichen) Haushaltsvorstände. Somit sind die Frauen beim Landeintrag de facto ausgeschlossen. Die einzige Berücksichtigung von Frauen entsteht im Todesfalle des Mannes oder bei Trennung. In diesen Fällen haben Frauen Anspruch auf das Land. Doch viele Frauen kennen ihr Recht auf Miteigentümerinnenschaft gar nicht. Zudem verlangen einige Anwälte zusätzliches Honorar für die Eintragung von Frauen auf dem Landtitel. Neben dieser realen Exklusion zeigt auch der Umgang mit Daten die Vernachlässigung von geschlechtsspezifischen Aspekten. Der Rechenschaftsbericht 2002 des FONTIERRAS enthält erstmals geschlechterdifferenzierte Daten, da er die begünstigten Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand (vorwiegend alleinerziehende Mütter) aufführt. Es wird jedoch weiterhin versäumt, die Anzahl der Miteigentümerinnen aufzuführen. Die digitalen Mitgliederlisten der einzelnen Fälle enthalten nur selten verheiratete Frauen. Es ist anzunehmen, dass die Ursachen hierfür bei der mangelnden Dokumentation sowie der Missachtung der gesetzlichen Normen liegen. Bei der Überprüfung von einigen Einträgen von bereits abbezahlten Fincas im nationalen Eigentumsregister, ist in acht (von 23 untersuchten) Fällen die MiteigentümerInnenschaft beider PartnerInnen eingetragen, ohne dass dies in der Dokumentation des FONTIERRAS vermerkt ist. In einem Fall sind sogar alle Frauen gleichberechtigte Mitglieder der juristischen Person mit eigenem Landanspruch (Individualbesitz) - ohne einen Hinweis im Bericht des Fonds. Die restlichen Eintragungen enthalten keine Angaben zu potentiellen Miteigentümerinnen. Trotz der Einrichtung einer Abteilung für die Bäuerinnen beim FONTIERRAS (der Unidad de la mujer campesina) und der Tatsache, dass neuerdings direkt begünstigte Frauen in Statistiken Berücksichtigung finden, erweisen sich die Verpflichtungen, Frauen stärker einzubeziehen, als gehaltlos. Der mangelnde Wille, Geschlechterstrukturen zu transformieren, zeigt sich in der Weigerung des FONTIERRAS, seine Mitverantwortung beim Ausschluss von Frauen anzuerkennen und diesem entgegenzuwirken, beispielsweise durch eine Modifizierung der Teilnahmebedingung der juristischen Person. Die Unterlassung, Frauen Zugang zu Land zu gewähren, wenn dem Haushalt ein Mann angehört, zeigt die Beständigkeit eines Geschlechterverständnisses, in dem der Mann als Ernährer betrachtet wird. Dies impliziert die Verleugnung des Beitrags von Frauen zum Überleben der Familien. Der FONTIERRAS bildet hierbei keine Ausnahme, obwohl das Gründungsgesetz explizit den Gender-Aspekt aufgreift. Letztendlich erweisen sich die Vorschriften in den Landprogrammen als zu schwach, um die Berücksichtigung von Frauen bei der Landvergabe garantieren zu können. Ihre Umsetzung hängt im Endeffekt vom Engagement der betroffenen Frauen bzw. dem Einverständnis der Männer ab. Fußnote 1: Mama Maquin ist die erste Frauenflüchtlingsorganisation und wurde von 47 Frauen 1990 in Palenque, Mexiko gegründet. |
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