Keine Haushaltsverabschiedung ohne Eklat
Fijáte 399 vom 5. Dezember 2007, Artikel 2, Seite 3
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Keine Haushaltsverabschiedung ohne Eklat
Guatemala, 03.Dez. Im Vergleich zu den Jahren zuvor, verlief die Verabschiedung des Staatshaushaltes für 2008 heuer ungewöhnlich zügig. 13 von 17 Anträgen, die von der Finanzkommission gestellt worden waren, wurden aufgenommen und trotz Kritik das Paket über 42,535 Mrd. Quetzales (ca. US-$ 5,7 Mrd.) verabschiedet. Im letzten Jahr waren es 37,704 Mrd. Quetzales. Wesentliche Abzüge betreffen dabei diverse Sozialfonds und eine gravierende Umschichtung ist innerhalb des Bildungsetats zu verzeichnen, in dem relativ überraschend, Gelder des Selbstverwaltungsprogramms PRONADE auf reguläre LehrerInnenstellen transferiert werden. In Frage gestellt wurden die Zuwendungen an das Vorsorgeinstitut des Militärs (IPM) und die Veteranenvereinigung AVEMILGUA. Demgegenüber wurde eine Kürzung der Gelder für das Verteidigungsministerium in den Bereichen Modernisierung und Ausrüstung vorgenommen. Brisanteres Diskussionsthema war die Verlängerung der Ausserordentlichen Steuer zur Unterstützung der Friedensverträge (IETAAP), die eigentlich mit Ende dieses Jahres auslaufen sollte. Trotz des Widerstandes der Patriotischen Partei (PP) sicherte sich der gewählte Präsident Álvaro Colom grünes Licht von Seiten der Abgeordneten für die rund 1,7 Mrd. Quetzales an Staatseinnahmen zumindest für ein weiteres Jahr und sollte damit seine Regierungspläne verwirklichen können. Einen weiteren Joker hat er mit Billigung des Kongresses im Ärmel, nämlich die Verfügung, abhängig von den Erfordernissen seiner Vorhaben, frei über die Übertragung von Geldern von einem Posten auf den anderen zu bestimmen. Doch ganz so glatt sollte die Haushaltsdebatte auch dieses Jahr nicht enden. Der Abgeordnete Jorge Luis Ortega von der Partei DIA ("Authentische Integrale Entwicklung") stellte den Antrag darauf, dass diejenigen Abgeordneten, die für die nächste Amtsperiode nicht wieder gewählt werden, eine Entschädigungszahlung in Höhe eines Monatsgehaltes (9´500 Quetzales) pro "abgeleistetem" Amtsjahr, aber maximal für 10 Jahre erhalten. Zusätzlich sollten die amtierenden ParlamentarierInnen ein Weihnachtsgeld von 500 Quetzales und eine jährliche Gehaltserhöhung von 10% bekommen. Von der Entschädigungszahlung würden beim anstehenden Regierungswechsel 90 ausscheidende Abgeordnete profitieren, die meisten waren 4 Jahre dabei und hätten laut Antrag Anspruch auf je 35´000 Quetzales. Einige von ihnen jedoch beenden mit dieser Legislaturperiode ihr 12. Jahr im Kongress, somit summierten sich für sie 95´000 Quetzales. Mit 105 Stimmen wurde das entsprechende Gesetz mit nationaler Dringlichkeit verabschiedet - und schon ging der Sturm los. Schnell wurde Kritik aus der Zivilgesellschaft wie dem Kollektiv Sozialer Organisationen (COS) und Verfassungsschutzorganisationen laut, aber auch der UnternehmerInnenverband CACIF erwog, sich der Drohung anzuschliessen, beim Verfassungsgericht Klage einzureichen. Schliesslich könnten sich die "Väter und Mütter der Nation" nicht einfach selbst eine Entschädigungszahlung mit öffentlichen Geldern verordnen, ausserdem würden sie planmässig nach vier Jahren aus dem Amt scheiden, wenn sie nicht wieder gewählt werden und würden nicht grundlos gekündigt - ein Umstand, in dem sie durchaus Anspruch auf Entschädigung hätten. Nach oben |
Otto Pérez Molina, Chef der Patriotischen Partei (PP), zog gleich disziplinarische Konsequenzen. Er hatte kurz vor der Abstimmung im Plenum seine Partei dazu aufgerufen, den Saal zu verlassen, doch einige - an der Entschädigungszahlung persönlich interessierte - Mitglieder kehrten zurück und stimmten für den Antrag. Auf Geheiss ihres Parteichefs wurden daraufhin Carlos Solórzano, Conchita Mazariegos und Rafael Barrios Flores sowie wenig später zwei weitere Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen. Barrios Flores gehört zu denjenigen, die seit 12 Jahren im Kongress weilen. Auch die Grosse Nationale Allianz (GANA) verzeichnete internen Zwist mit der Folge, dass just der Parteisekretär Jorge Méndez Herbruger und sein Vize Jaime Martínez Lohayza nun vor das Disziplinarkomitee der Partei zitiert werden. Und selbst in Álvaro Coloms Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE) kam es zu konsequenten Verlusten: Fraktionschef Nery Samayoa wurde wegen seiner Stimmabgabe mit seiner Parteientlassung abgestraft. Offenbar war die Idee seit dem Frühjahr Kongressintern diskutiert worden und hatte damals viele AnhängerInnen. Von denen zogen jedoch diejenigen, die tatsächlich wieder gewählt wurden, nach den Wahlen ihre Stimme zurück. Angesichts der harschen Kritik von allen Seiten an dem Entschädigungsvorschlag sah sich der Parlamentsvorstand dazu gezwungen, sich irgendwie aus der Affaire zu ziehen. So gestanden die Vorsitzenden Fehler beim Prozedere der Abstimmung ein und beruhigten die Bevölkerung, wenn für die erneute Abstimmung zugunsten der Aufhebung des Beschlusses nicht genug Stimmen zusammen kämen, würde das Gesetz trotzdem nicht in Kraft treten, weil man einfach die Veröffentlichung desselben in der Regierungsgazette unterbinden würde - finale Voraussetzung, damit ein Gesetz Gültigkeit erlangt. Dann auf einmal war es der Abgeordnete Jorge Luis Ortega, der sich während seiner Antragstellung in der Formulierung vertan und auf ein falsches Dekret Bezug genommen haben soll, der den Grund der Ungültigkeit des Parlamentsbeschlusses liefern sollte. Ortega selbst jedoch warf dem Kongressvorstand vor, sich dem Druck der Öffentlichkeit zu beugen. Sicherheitshalber legte die Führungsriege des Parlaments das fragliche Gesetz dem Verfassungsgericht vor und verschaffte sich somit etwas Luft, sicherlich verbunden mit der Hoffnung, dass die öffentliche Erregung nach bereits angetretener Parlamentarischer Pause abebbt - auch wenn ein Tag verschenkt wurde, an dem noch so manches ausstehende Gesetz hätte verabschiedet werden können. |
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