Die Stipvisite des Spanischen Gerichtshofs in Sachen Genozid
Fijáte 363 vom 5. Juli 2006, Artikel 2, Seite 3
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Die Stipvisite des Spanischen Gerichtshofs in Sachen Genozid
Guatemala, 01. Juli. Am Samstag, 24. Juni sind der spanische Richter Santiago Pedraz, der Staatsanwalt Jesús Alonzo und sechs weiter Mitglieder des Spanischen Gerichtshofes in Guatemala angekommen. Eigentliches Vorhaben ihres Aufenthaltes war die Anhörung von Militärs und Zivilisten, die zum einen in Verbindung gebracht werden mit dem Genozid, der während der dunkelsten Jahre des internen bewaffneten Konflikts (1981-83) begangen wurde und die zum anderen angeklagt sind als mutmassliche Verantwortliche für den Brand der Spanischen Botschaft am 31. Januar 1980, bei dem 37 Personen umgekommen sind. Unter diesen befanden sich drei spanische BürgerInnen und der Vater der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum. Nachdem klar war, dass sich die guatemaltekische Justiz den Verbrechen des Konflikts nicht annehmen würde, reichte Menchú schliesslich bei der spanischen Justiz Klage wegen Genozids, Staatsterrorismus und Folter ein. Nach einigem legalen Hin und Her erklärte der iberische Gerichtshof letztendlich seine Kompetenz und Befugnis, den Prozess zu führen (siehe ¡Fijáte! 357). Doch die guatemaltekischen Angeklagten, beschuldigt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, zittern und haben es schliesslich geschafft, mittels zahlreichen Einsprüchen den Rechtsprozess lahm zu legen. Acht hochrangige Männer stehen auf der Liste: darunter die ehemaligen Staatschefs und Militärputschisten Efraín Ríos Montt und Óscar Humberto Mejía Víctores, der kürzlich verstorbene Benedicto Lucas García und Ángel Aníbal Guevara sowie die ehemaligen Chefs der aufgelösten Nationalpolizei (PN), Pedro García Arredondo und Germán Chupina Barahona. Ihrer Meinung nach stellt die Beteiligung der spanischen Juristen eine "Einmischung und Verletzung der nationalen Souveränität" dar. Doch da Guatemala bislang keinen Finger gerührt hat, um seine Vergangenheit rechtlich aufzuarbeiten, ist die Anwendung des Prinzips der internationalen Gerichtsbarkeit, die in der spanischen Gesetzgebung verankert ist, völlig kohärent und legal, hat doch auch Guatemala die entsprechenden internationalen Konventionen ratifiziert. Nichtsdestotrotz hat das Verfassungsgericht (CC) wieder einmal einen Grund gefunden, dem General Efraín Ríos Montt einen Gefallen zu tun und gab seinem Einspruch statt, womit das Verfahren einstweilen suspendiert wurde. Die gefundene Stecknadel im Heuhaufen besteht darin, dass der Höchste Gerichtshof (CSJ) sich darauf beschränkt hatte, lediglich zwei Kopien, anstelle dem Original, einem Duplikat und drei Kopien von der Resolution einzureichen, die das Tun der Delegation des Spanischen Gerichtshofes in Guatemala autorisierte, also eine simple Formsache. "Angesichts der spanischen Präsenz erleben wir Praktiken, die normal sind in Fällen, in denen es um politische Motive geht, die in Verbindung stehen mit dem organisierten Verbrechen oder mit Korruptionskreisen; die Stagnation des Rechtsverfahrens, das in fremden Händen liegt, ist bloss ein weiterer Beweis für die Mechanismen der gängigen Straflosigkeit, die offenbar viel weiter reicht, als befürchtet und jegliches Verbrechen umfasst, so die Analystin Carmen Aída Ibarra von der Myrna Mack Stiftung. Sie erwartet, dass der Regen an Einsprüchen und boshaften Rechtsstreitigkeiten weiter fällt, der allein darauf ausgerichtet ist, die Justiz aus den Angeln zu heben und den Fortgang des Prozesses zu blockieren. Trotz der zeitweiligen Suspendierung wird der Prozess der spanischen Delegation, dem historische Bedeutung beikommt, weiterlaufen, besteht doch zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Spanien nun internationale Haftbefehle anordnet, die sich auf die Unzugänglichkeit der lokalen Justiz stützen können. Entgegen der ursprünglichen Pläne, am 4. Juli abzureisen, hat sich die Spanische Delegation bereits am Wochenende vorher auf den Heimweg gemacht, können sie im Moment in Guatemala ja ohnehin nichts ausrichten. Gleichzeitig denunzieren Menschenrechts- und soziale Organisationen Drohungen gegen sich, die sich für die Verurteilung der Verantwortlichen des Genozids und der Verbrechen gegen grundlegende Rechte der Menschen einsetzen. Am vergangenen Montag bedrohte der pensionierte General José Luis Quilo Ayuso, Präsident der Vereinigung der Militärveteranen Guatemalas (AVEMILGUA), öffentlich die Gruppen der Zivilgesellschaft, die sich für Gerechtigkeit stark machen. In einer bezahlten Anzeige lehnte AVEMILGUA die Anwesenheit des spanischen Richters in Guatemala ab und in einer Erklärung gegenüber der Presse warnte er davor, dass die vorgesehenen Ermittlungsverfahren tragische Konsequenzen mit sich bringen können. Nach oben |
Angesichts dieser Einschüchterungen fordern die Menschenrechtsorganisationen einmal mehr von der Regierung, die Sicherheit der ganzen Bevölkerung und speziell der AktivistInnen der sozialen Kollektive zu garantieren. In Erwartung des "Tags des Militärs" am 30. Juni, für den das erste Mal - seit der Suspendierung jeglicher Aktivitäten 1996, dem Jahr der Unterzeichnung der Friedensverträge - eine Riesenshow vom Militär angekündigt wurde, bei der die gesamten Korps und Maschinerie, inklusive Panzer und Luftwaffe, durch die Stadt ziehen sollten, dominierte die Befürchtung, dass es zu einem schlimmeren Tag kommen werde, als es 2003 der "Schwarze Donnerstag" und der "Freitag der Trauer" waren. Damals hatte die Republikanische Front Guatemalas (FRG) all ihre AnhängerInnen zusammengerufen, damit sie die verfassungswidrige Präsidentschaftskandidatur von General Erfraín Ríos Montt unterstütze. Dabei war es zu gewaltsamen Ausschreitungen und dem Tod des "Reporters X", Héctor Ramírez, gekommen, wofür immer noch einige FRG-Mitglieder im Rechtsprozess stehen. Ganz konkret hatte wieder einmal AVEMILGUA gedroht: "Wir wissen, dass die Gruppen, die die Präsenz des spanischen Richters unterstützen, ihre Leute organisiert haben, um uns zu belästigen. Wenn wir Provokationen erhalten, können die Reaktionen gewalttätig sein, deswegen bitten wir die Organisationen von Rigoberta Menchú und die Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM), sich am Riemen zu reissen." Während also das Militär an "seinem" Tag, seine Bedeutung bei der Wahrung der Inneren Sicherheit - in Bezug auf die vermeintliche, militärische Unterstützung der Zivilen Nationalpolizei -, bei der humanitären Rettung und Hilfe - nach dem Tropensturm Stan - sowie bei UNO-Friedensmissionen - in Haiti und in der Demokratischen Republik Kongo, unterstrich, hatte die Organisation "Söhne und Töchter für die Identität und Gerechtigkeit, gegen das Vergessen und Schweigen (H.I.J.O.S.) zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Die befürchtete Konfrontation blieb letztendlich aus. Nichtsdestotrotz scheint die aktuelle Situation bloss ein weiterer Beweis für die Feststellung der Hochkommisionarin der UN für Menschenrechte (ACNUDH), Louise Arbour, zu sein, die vor wenigen Wochen in Guatemala war: "Die Straflosigkeit in Guatemala ist an der Tagesordnung, ohne dass die Autoritäten viel unternehmen, um die Verantwortlichen für die Verbrechen zu bestrafen." Dennoch lohnt es sich, zwei positive Aspekte der Präsenz der Spanier zu erwähnen. Seit der Ankündigung ihrer Visite im Frühjahr und über ihren Besuch hinaus, ist das Thema Genozid und Justiz - sowie die zum Himmel schreiende Straffreiheit - das erste Mal öffentliches und permanent präsentes Thema in der guatemaltekischen Gesellschaft und wird punktuell auch in der internationalen Presse erwähnt. Zum anderen haben just in diesem Thema die diversen Organisationen der Zivilgesellschaft einen Schnittpunkt gefunden, an dem sie sich tatsächlich einmal zusammen getan haben, anstatt wie so oft, allein die eigenen sektorspezifischen Interessen zu vertreten. |
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