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Straflosigkeit oder Gerechtigkeit?

Fijáte 224 vom 6. Dez. 2000, Artikel 1, Seite 1

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Straflosigkeit oder Gerechtigkeit?

- Mexiko weigert sich, Kriegsverbrechen in internen Konflikten miteinzubeziehen.

- Argentinien, Chile und Costa Rica haben für das internationale Recht verhältnismässig innovative Vorschläge präsentiert. Sie schlagen vor, den RichterInnen die Kompetenz zu gewähren, ein Verbrechen als Offizialsdelikt zu untersuchen, sobald berechtigte Indizien aufgrund irgendwelcher Informationsquellen existiert. Argentinien schlägt auch gewisse Kontrollmechanismen vor, um die Neutralität und Verantwortlichkeit der RichterInnen zu garantieren.

- VGBrasilienNF fordert, dass unter der Bezeichnung 'interner Konflikt' auch Fälle verfolgt werden, die nicht unbedingt während einer bewaffneten Auseinandersetzung begangen wurden, z.B. Sklavenhandel. Brasilien und andere Länder schlagen auch vor, dass das Verschwindenlassen von Menschen und die systematischen Verbrechen gegen Frauen explizit miteinbezogen werden.

- Frankreich argumentiert, dass die nationale Sicherheit eine berechtigte Entschuldigung ist, wenn ein Staat sich verweigert, mit dem Gerichtshof zusammenzuarbeiten.

So spielen die Länder des Südens den Reichen und Mächtigen in die Hand. Die Ersten wollen den Handlungsspielraum des Gerichtshofes einschränken, aus Angst, dass er von den Zweiten manipuliert wird. Diese hingegen wollen einen Gerichtshof, der nur dann handelt, wenn es ihnen passt.

Entscheidend ist natürlich die Position der Vereinigten Staaten, die sich bisher darauf beschränkt haben, dass das Pentagon Kontakt mit den lateinamerikanischen Armeen aufgenommen hat, um sie vor den Konsequenzen zu warnen, die ein effizienter Gerichtshof für sie haben könnte.

Vom 27. November bis zum 8. Dezember findet in New York die Konferenz statt, an der die USA ihre Position zum Internationalen Gerichtshof definieren und ihre Bedingungen für eine Ratifizierung bekanntgeben wird. Noch ist nicht klar, ob diese Konferenz als 'historisch' oder 'frustrierend' in die Geschichte eingehen wird.

Interessant ist sicher, dass die Aussenministerin der Vereinigten Staaten, Madeleine Albrigth, eine wichtige Rolle spielte bei der Gründung der Kriegsverbrechentribunale in Ruanda und Ex-Jugoslawien, auf denen die Idee des Internationalen Gerichtshofes basiert.

Nun ist aber eine der Bedingungen der USA, die auf Druck des VGVerteidigungsministeriumsNF entstanden ist, dass kein militärischer oder ziviler US-amerikanischer Funktionär, der im Ausland stationiert ist, dem Gericht unterstellt werden kann. Konkret könnte dann z.B. ein US-amerikanischer Soldat, der während eines sog. 'humanitären' oder 'Friedenseinsatzes' irgendwo auf der Welt sexuelle Übergriffe begeht, nicht verurteilt werden.

Einer der vehementesten Gegner des Internationalen Gerichtshofes ist der republikanische Abgeordnete Jesse Helms. Seine Position würde sicher gestärkt, wenn VGBushNF die Wahlen gewinnt. Deshalb wird gehofft, dass die 'Statuten von Rom' noch unter der Regierung Clinton ratifiziert werden.

Widersprüchlich an der Haltung der USA ist auch, dass es unter anderem dieses Land war, dass sich dazumal sehr für die Durchführung der Nürnberger Prozesse eingesetzt hatte. Diese Prozesse haben das Prinzip der individuellen Verantwortung etabliert und viel zur internationalen Akzeptanz solcher Tribunale beigetragen.

In den ersten Tagen der Konferenz in New York haben auch zwei Mitglieder von lateinamerikanischen Nichtregierungsorganisationen das Wort ergriffen. Ulmar Klich, Vertreter der nationalen Menschenrechtsbewegung von Brasilien, tat dies, um die Amnestiegesetze in Lateinamerika zu verurteilen, welche das Aufdecken der Wahrheit verhindern und die Straflosigkeit fördern. Den Argumenten, welche behaupten, dass es notwendig sei, die Gerechtigkeit der Wiederversöhnung zu opfern, entgegnete Klich: "Um zu verzeihen, muss man erst das Verbrechen kennen. Um sich wiederzuversöhnen, muss individuelle Verantwortung übernommen werden."

Der zweite Sprecher, Dr. Leonel Suarez vom Institut für alternatives Recht in Kolumbien, erinnerte an die Ermordung seines Freundes Eduardo Umaña vor zwei Monaten, den er als einen mutigen Verteidiger der VGMenschenrechteNF in Bogota bezeichnete. Der Tod von Umaña und von Monseñor VGGerardiNF in Guatemala seien Beispiele der täglichen Gewalt, der Lateinamerika als Folge der internen Konflikte ausgesetzt sei. Er forderte, in den Statuten des Internationalen Gerichtshofes die Bildung einer Kommission aufzunehmen, welche die Opfer, ZeugInnen und Familien während eines Prozesses schützt.

Eine Annäherung der verschiedenen Positionen wird schwierig sein. Es ist wenig Raum für Konsens vorhanden, aber man darf die Hoffnungen nicht verlieren, dass der Druck der Zivilgesellschaft auf die Regierungen wirkt und sie einem unabhängigen und effizienten Gerichtshof zustimmen. Es ist von grosser Wichtigkeit, dass sich die öffentliche Meinung ausdrückt und die Regierungen wissen lässt, dass die Macht des Gesetzes sich über das Gesetz der Macht stellen muss.


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