Endlich Gerechtigkeit für Myrna Mack?
Fijáte 268 vom 11. Sept. 2002, Artikel 2, Seite 3
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Endlich Gerechtigkeit für Myrna Mack?
Guatemala, 6. Sept. Vor genau 12 Jahren, am 11. September 1990, wurde die Anthropologin und Mitarbeiterin der Vereinigung für den Fortschritt der Sozialwissenschaften (AVANSCO), Myrna Mack, auf brutale Weise ermordet. Mack beschäftigte sich in ihren Studien mit den Auswirkungen der Repression und der Militarisierung auf die indigene, ländliche Bevölkerung in der Ixíl-Region. 1993 wurde Noel de Jesús Betata, ein niederrangiges Mitglied des Generalstabs des damaligen Präsidenten Vinicio Cerezo, als Ausführender des Mordes zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Seither versucht die Schwester von Myrna, Helen Mack, die intellektuell Verantwortlichen für den Mord vor Gericht zu bringen. Dabei handelt es sich um drei heute pensionierte, hochrangige Offiziere der guatemaltekischen Armee: General Edgar Godoy Gaitán, ehemaliger Chef des Generalstabs des Präsidenten (EMP), Juan Valencia Osorio und Juan Guillermo Oliva Carrera, Chef und stellvertretender Chef für Sicherheitsfragen der selben Institution. Die Anwälte der drei Angeklagten haben alles unternommen, um eine Gerichtsverhandlung zu verzögern, bzw. es gar nicht so weit kommen zu lassen. Juristische Schachzüge, aber auch konkrete Drohungen gegen Helen Mack, MitarbeiterInnen ihrer Stiftung sowie gegen ihre Anwälte prägten in den vergangenen Jahren den "Fall Myrna Mack". Nun ist es endlich soweit: Am 3. September hat der öffentliche Prozess gegen die drei Angeklagten begonnen. Hunderte von Personen füllten den Saal im Obersten Gericht, um dem wichtigen Prozess beizuwohnen. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten zuerst Menschenrechtsorganisationen, die sich mit Helen Mack solidarisieren und vom Gericht ein transparentes und unabhängiges Urteil fordern, danach versammelte sich eine Gruppe von Militärs, die sich mit den Angeklagten solidarisieren. "Ausländer, wenn ihr hier seid, um unsere Richter zu kaufen, seid ihr in Guatemala nicht willkommen", hiess es auf einem ihrer Transparente, in Anspielung auf die zahlreich anwesenden internationalen BeobachterInnen und JournalistInnen. Dieser Prozess wird, unabhängig von seinem Ausgang, als "historisch" in die Geschichte Guatemalas eingehen. Er stellt (ebenso wie das bereits der "Fall Gerardi" gemacht hat) die staatlichen Institutionen auf die Probe und es wird sich zeigen, wie es um den guatemaltekischen Demokratisierungsprozess und die Rechtsstaatlichkeit steht. Einen Prozess zu führen gegen drei hohe Offiziere bedeutet, einen Prozess gegen die Armee zu führen. (Früher wurden solche Fälle vor dem Militärgericht und unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt.) Ein grosses Problem wird die Beweisführung darstellen. Die meisten Dokumente, die eine Verantwortung der drei Angeklagten beweisen könnten, befinden sich im Besitz des EMP und gelten noch als "geheim". Werden sie erst einmal freigegeben, können sie als Beweismittel in unzähligen Prozessen gegen Militär- oder Geheimdienstangehörige beigezogen werden und der Staat wäre gezwungen, seine Verantwortung in den während dem bewaffneten Konflikt begangenen Menschenrechtsverletzungen einzugestehen. Nach oben |
Über den bisherigen Verlauf des Prozesses ist noch wenig bekannt. Während der Anhörung von Juan Valencia Osorio, die über fünf Stunden dauerte, versicherte der Angeklagte wiederholt seine Unschuld. Er bestritt, überhaupt von der Existenz von AVANSCO gewusst zu haben, geschweige denn von den Widerstandsdörfern, über die Myrna Mack mehrere Untersuchungen gemacht hat. Als Zeugen sind eine Reihe prominenter Persönlichkeiten geladen, u.a. Ex-Präsident Vinicio Cerezo und der ehemalige Generalstaatsanwalt Acisclo Valladares Molina. Einen ersten Teilsieg hat die Anklage bereits gewonnen: Das Gericht hat veranlasst, dass die drei Angeklagten, die seit 1996 unter Hausarrest stehen, während der Dauer des Prozesses ins Gefängnis müssen. Der Antrag der Verteidigung, sie zu ihrem eigenen Schutz in ein Militärgefängnis zu überführen, wurde abgelehnt. Konkret heisst das: Was immer auch die Verteidiger der Militärs unternehmen, um den Prozess zu verzögern oder zum Stillstand zu bringen, die Angeklagten sitzen im Gefängnis! |
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