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"Niemand hat Interesse an einem Staatsstreich"

Fijáte 257 vom 10. April 2002, Artikel 1, Seite 1

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"Niemand hat Interesse an einem Staatsstreich"

Frage: Weshalb waren es nicht breitere Bündnisse, wie zum Beispiel die Gruppe Barometer oder das Foro Guatemala, die zu diesen Protesten aufgerufen haben?

O.A.: Diese beiden Gruppierungen arbeiten anders: Die Taktik des Foro Guatemala liegt eher in der Analyse und im Dialog. Sie versuchen, auf der Basis der Friedensabkommen umsetzbare Alternativen vorzuschlagen. Die Gruppe Barometer definiert sich selber als eine Art ethisches Gewissen der Nation.

Frage: Und weshalb waren es nicht die Volksbewegungen oder die Oppositionsparteien, z.B. die VGURNGNF, die zu den Protesten aufriefen?

O.A.: Die URNG und die Volksbewegungen haben ihre eigene Basis, die sie ja auch immer wieder mobilisieren können. Dass es jetzt genau dieses Bündnis war, das zur Demo aufgerufen hat, ist wohl eher zufällig und der Aufruf ging ja auch an die Basis der URNG und der Volksbewegungen. Ich selber konnte nicht hingehen, aber ich habe gehört, dass an der ersten Demonstration sehr wenig Leute aus den Volksbewegungen teilgenommen haben, sondern dass es eher Leute aus der Mittelklasse waren. Ganz zuhinterst lief eine Gruppe Indígenas mit. An der zweiten Demo war die Beteiligung insgesamt sehr gering. Ich glaube, man kommt immer mehr zum Schluss, dass Demonstrationen, auch wenn sie von der Presse relativ gut abgedeckt werden, nicht das adäquate Mittel sind, um bei dieser Regierung etwas zu erreichen. Die Regierung kümmert sich überhaupt nicht darum und ist fähig, am nächsten Tag eine viel grössere Demonstration einzuberufen. Es kümmert sie viel mehr, wenn z.B. die Gruppe Barometer versucht, Kontakt zu den internationalen Geldgebern aufzunehmen oder zu Personen innerhalb der Regierung, die nicht zufrieden sind damit, wie die Dinge heute laufen, oder wenn sie im konstitutionellen Rahmen und innerhalb des Kongresses nach alternativen Regierungsformen suchen. Demonstrationen sind in gewissen Momenten gut und notwendig, aber nicht immer.

Frage: Wo siehst du den VGCACIFNF in diesem Szenarium?

O.A.: Der CACIF hat eine enorme Macht und nennt sich selber die einzige Oppositions-'Partei' in Guatemala. Und ich glaube, das stimmt sogar. Der CACIF steht in der Opposition und hat es trotzdem geschafft, die Privilegien der UnternehmerInnen zu schützen. Aktuell geht es beim CACIF vielmehr darum, zu entscheiden, auf welchen Kandidaten er bei den nächsten Wahlen setzen will. Wie es aussieht, sind das im Moment Alvaro Colom und Otto Pérez Molina. Ich habe das Gefühl, es gibt einen neuen Typ von UnternehmerInnen, der weniger 'roh' ist - roh im kapitalistischen Sinne. Das heisst, sie sind bereit, Steuern zu bezahlen, sie sind bereit, sich zu einem Dialog mit der Zivilgesellschaft hinzusetzen. Es gibt auch UnternehmerInnen, die in der Gruppe Barometer sind. Vielleicht bin ich naiv, aber ich habe wirklich den Eindruck, dass es UnternehmerInnen gibt, die ernsthaft Veränderungen anstreben. Insofern bin ich auch überzeugt, dass der CACIF nichts mit den Drohungen gegen MenschenrechtsaktivistInnen zu tun hat.

Frage: Glaubst Du nicht, dass es etwas zu gutgläubig ist, so viel Vertrauen in den CACIF zu haben?

O.A.: Ich gebe zu, dass das gefährlich werden kann. Aber es ist an der Zeit, dass wir begreifen, dass die Unterzeichnung der Friedensabkommen der erste Schritt einer Annäherung der verschiedenen Sektoren war. Es ist ein Irrtum, sich immer nur mit Gleichgesinnten auszutauschen, das ist eine Art intellektueller Inzest. Wir müssen uns den anderen Sektoren gegenüber öffnen, Brücken bauen zu ihnen! Klar laufen wir damit Gefahr, dass es Leute der Privatwirtschaft gibt, die das ausnutzen werden, aber wir müssen beginnen, mit ihnen zu sprechen in der Hoffnung, etwas an ihrer Einstellung verändern zu können. Vielleicht können sogar wir etwas von den UnternehmerInnen lernen für unsere Arbeit! Dabei darf man aber nie vergessen, woher man kommt, mit wem man verhandelt und wofür man kämpft.

Frage: Es gab bzw. gibt Gerüchte über einen möglichen Staatsstreich. Was würde das für Guatemala bedeuten?

O.A.: Ich glaube nicht, dass irgend jemand wirklich Interesse an einem Staatsstreich hat, nicht einmal die Militärs sehen darin eine Alternative. Ein Staatsstreich würde von niemanden, auch nicht von den VGVereinigten StaatenNF, unterstützt. Klar denkt man in Momenten der Verzweiflung oder der Frustration daran, aber eine Alternative ist es sicher nicht. Denn was würde geschehen? Wenn Portillo gestürzt würde, übernimmt entweder der Vizepräsident, VGReyes LópezNF die Macht oder Kongresspräsident Ríos Montt und beide wären noch viel schlimmer als Portillo. Es gibt aber auch AnalytikerInnen, die die Absetzung des Vizepräsidenten als eine mögliche Lösung sehen. Diese Leute gehen davon aus, das Portillo an sich gar nicht so schlecht wäre, dass ihm aber die FRG, und speziell der Vizepräsident, keine Chance lässt zum Regieren. Ich weiss es nicht.... manchmal denke ich, irgend ein Journalist oder ein auch nur ein bisschen politisch denkender Mensch würde es besser machen als diejenigen, die uns heute regieren.

Aber ob wir wollen oder nicht, diese Regierung wurde legal gewählt. Die Bevölkerung hat an sie geglaubt und es geht jetzt nicht darum, sie zu diskreditieren, das machen sie selber schon genug. Es geht wirklich darum, im legalen und demokratischen Rahmen alternative Lösungen zu finden.

Frage: Was wird in den nächsten Monaten geschehen?

O.A.: Ich habe immer noch Hoffnung. Ich glaube daran, dass es Alternativen gibt und es ist die Herausforderung der Zivilgesellschaft, Alternativen zu erarbeiten. Es gibt Leute, die sich Sorgen machen, die Vorschläge erarbeiten. Wir müssen uns mit der internationalen Gemeinschaft zusammenschliessen, um die Regierung unter Druck zu setzen, wir müssen den Dialog suchen. Das ist nicht einfach und ich habe immer wieder auch persönliche Widerstände, mich mit gewissen Leuten der Regierung an einen Tisch zu setzen. Aber wir müssen etwas machen und unsere Hoffnung aufrechterhalten. Die Leute, die VGHungerNF haben, die Leute, die von der Nicht-Umsetzung der Friedensabkommen betroffen sind, haben die Hoffnung, dass sich etwas verändern wird. Doch wir können nicht nur hoffen, wir müssen auch dafür kämpfen, dass sich etwas verändert.


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