Chixoy, Xalalá ... sind Wasserkraftwerke die Zukunft Guatemalas?
Fijáte 444 vom 23. September 2009, Artikel 1, Seite 1
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Chixoy, Xalalá ... sind Wasserkraftwerke die Zukunft Guatemalas?
Aufgrund geografischer Eigenheiten ist Guatemala eine interessante Region für die Installation von Wasserkraftwerken. Dies hat aber soziale, kulturelle, ökologische und rechtliche Folgen, wie die Kopenhagener Initiative für Zentralamerika und Mexiko (CIFCA) am Beispiel des Berichts Xalalá - Desarrollo para todos? demonstriert, und wie es uns auch die Geschichte vom Wasserwerk Chixoy zeigt. Xalalá ist nicht das einzige Projekt hydroelektrischer Energiegewinnung, welches aktuell in Guatemala durchgesetzt wird, ohne dass dabei die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt werden und von denen private Firmen wie die spanische Unión Fenosa profitieren. Das Wasserkraftwerk XalaláDas Wasserkraftwerk Xalalá ist Teil des historischen Wirtschaftsprojektes im Gebiet der Franja Transversal del Norte (FTN) der 70er Jahre, welches heutzutage wieder aufgenommen wird. Die Projekte der FTN stimmen mit den Interessen transnationaler Firmen wie Basic Resources, Shenandoah, Texaco, Exmibal, u.a. überein, welche ihrerseits mit den Interessen der guatemaltekischen Oligarchie zusammentreffen, wie z.B. dem Handel mit Ländereien, Holz und Vieh. Xalalá ist ebenfalls Teil des Sistema de Interconexión Eléctrica para América Central (SIEPAC), eine elektrische Verbundwirtschaft im Rahmen des ehemaligen Plan Puebla Panamá (PPP), der jetzt unter dem Namen Plan Mesoamérica weitergeführt wird. Gelegen am Fluss Chixoy, am Angelpunkt von drei Gemeinden (Ixcán, Uspantan und Cobán), plante die Originalversion des Projekts aus den 70er Jahren die Überschwemmung von mehr als 30 km² Land. Die Planung wurde dann in den schlimmsten Jahren des Bürgerkrieges unterbrochen, aber Mitte der 90er Jahre wieder aufgenommen, unterstützt durch die Wirtschaftsorientierung der Regierung von Oscar Berger (2004-2008), wobei mittlerweile die Elektrizität schon stark privatisiert war. Die letzte öffentliche Version des Projektes Xalalá spricht von einem Stausee von 7.5 km² und einer Leistung von 180 Megawatt, obwohl unbekannt ist, warum weniger Fläche überschwemmt werden soll als in der ersten Version vorgesehen wurde. Als Gründe für den Bau von Wasserwerken gab die Regierung folgende an:
Im Fall von Xalalá soll die Konstruktion voraussichtlicht 350 bis 400 Millionen Dollar kosten. Laut der öffentlichen Ausschreibung von 2007 ist vorgesehen, dass sie von einer privaten Firma übernommen und durch 80% ausländisches und 20% nationales Kapital finanziert wird. Diese Firma soll auch die technischen, sozialen, wirtschaftlichen, juristischen und ökologischen Studien machen lassen, die erforderlich sind für die Durchführung des Projektes. Die ausführende Firma würde Xalalá während den nächsten 30 Jahre betreiben, die Energie ausschliesslich an das Nationale Elektrizitätswerk (INDE) verkaufen und danach diesem das Werk übergeben. Allerdings stieg keine der ursprünglich interessierten Firmen - AES (USA), Insagen (Kolumbien), Unión Fenosa, Iberdrola und Endesa (Spanien), Taiwan Power Company (Taiwan), Odebrecht (Brasilien), Enel (Italien) - auf das Angebot ein. Neben finanziellen Motiven wurde die fehlende Unterstützung seitens der guatemaltekischen Regierung, um sich örtlichen Oppositionen entgegenzustellen, kritisiert. Auch wurden Zweifel über die Verkaufstarife, über mögliche Umweltschäden und Bevorzugung angegeben. Laut einer Studie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) Ende der 70er Jahre gibt es noch andere Kritikpunkte, wie z.B., dass das fragliche Terrain wasserdurchlässige Erdschichten hat und in einem Erdbebengebiet liegt, dessen seismischer Aktivitäten man sich nicht sicher ist. Nach letzter Anfrage beim INDE werden zur Zeit neue finanzielle Modalitäten gesucht, um das Projekt umsetzen zu können. Dementsprechend haben die wahrscheinlich betroffenen Gemeinden auch künftig keine Sicherheit über den Weitergang des Projektes Xalalá: darüber, wer und unter welchen Bedingungen verhandeln wird, ob die Betroffenen später auch Zugang zur Elektrizität hätten oder Sozialtarife angeboten werden, oder was der Staat, die Stadt und die Gemeinden daran verdienen würden. Gewiss ist einzig, dass die Konstruktion weiterhin geplant ist, trotz der 2007 von den Gemeinden durchgeführten Volksabstimmung, die eindeutig "Nein" zu Xalalá sagt. Beim Bau des Wasserkraftwerkes sind auch die Konflikte der Franja Transversal del Norte zu berücksichtigen. Das Projekt Xalalá befindet sich in einem Gebiet, welches viele der strukturellen Probleme des Landes materialisiert: - Fehlen juristischer Gewissheit über Landverteilung und Besitzansprüche von Seiten der Gemeinden, - Landstreitigkeiten und Rohstoffdispute (Lebensgrundlage und kosmologische Bedeutung für die indigenen Völker trifft auf Wirtschaftskonzepte der Regierung, die den Rohstoffabbau durch transnationale Firmen bevorzugt; die Infrastruktur ausbauen will, was aber nicht unbedingt den Interessen der indigenen Bevölkerung entspricht; die Konzentration von Land und Produktion von Agrarkraftstoffen befürwortet, was einen Lebensmittelmangel hervorruft), - Hoher Grad an Straflosigkeit, vor allem bezüglich der Menschrechtsverletzungen des Bürgerkrieges, was zu einem Klima von Unsicherheit und Spannungen führte, - und Drogenhandel. Die Region, in der Xalalá gebaut werden soll (die Gemeinde Ixcán), wird zu 81,9% (Zahlen von 2005) von indigener Bevölkerung bewohnt, hauptsächlich Q'eqchi'. Die Kolonisierung dieses Urwaldgebietes begann erst 1871 aufgrund der Reforma Liberal, setzte sich im II. Weltkrieg und den 60er Jahren fort, da die Region Platz bot, um Land suchende Bevölkerung aufzunehmen. In den 70er und 80er Jahren wurden Teile der Gemeinden vom Bürgerkrieg und der Politik der "tierra arrasada" stark betroffen und die BewohnerInnen flohen entweder nach Mexiko oder in die Berge, wo sie sich in Widerstandsdörfern (CPR de la Sierra und del Ixcán) zusammenschlossen. Mit den Friedensabkommen kehrten diese Gruppen zurück, geschützt durch Verträge mit der Regierung, die ihnen auch unabstreitbar Land übergaben. Da viele Familien schon seit ca. 100 Jahren in dieser Zone leben, gibt ihnen ein Gesetz das Recht, das Land, das sie seit mehr als 10 Jahren legitim bewohnen, als Eigentum zu beantragen - was aber von vielen versäumt wurde. Allerdings wurde dieses Recht durch das Dekret 60-70 eingeschränkt (1970 vom Kongress verabschiedet), welches Gebiete der FTN als Zonen der "ländlichen Entwicklung", d.h. des Öffentlichen Interesses und von Nationaler Dringlichkeit erklärt. Das ist der Hauptgrund des Fehlens der juristischen Gewissheit über die Ländereien der gesamten FTN. Ausserdem widerspricht dieses Dekret dem Sinn des Artikels 67 der Verfassung und dem Abkommen über Identität und Recht der Indigenen Völker und ermöglichte, dass Personen die nicht aus der Region stammen, Land erwerben konnten. Nach oben |
Das Problem dieser Region ist Ausdruck eines der historischen Grundprobleme Guatemalas: der Landkonflikte. So genannte Megaprojekte, ob Wasserkraftwerke, Erdöl- oder Bergbauabbau oder Massivanbau von Pflanzen für die Biodieselproduktion, finden ihre Problematik unter anderem in eben dieser Ursache begründet und sind des weiteren wegen ihrer Folgen sehr umstritten. Die direkten Folgen der Konstruktion des Wasserkraftwerkes Xalalá sind auf sozial-kultureller, ökologischer, sowie wirtschaftlicher Ebene zu erwarten: - Überschwemmung von Gebieten in drei Gemeinden: Playa Grande und Uspantán im Department Quiché, und Cobán in Alta Verapaz, - Die generierte Elektrizität wird in das SIEPAC einfliessen, welches Mexiko bis Panama verbindet, somit exportiert und hat wahrscheinlich keinen Nutzen für die örtliche Bevölkerung, - Verlust des Landes (und somit der Lebensgrundlage) der BäuerInnen, die im Überschwemmungsgebiet leben. Dies wird verstärkt durch massiven Anbau von Afrikanischer Palme zur Herstellung von Agrodiesel, und Industriemais, was ein Prozess von Landkonzentration initiierte. Letzteres kann durch Landverkauf, aber auch durch Zwangsvertreibung geschehen - aufgrund des Fehlens rechtlich geklärter Besitzverhältnisse, - Daraus folgend, Rückgang des Nahrungsmittelanbaus von dem die Familien bisher lebten, - Verschmutzung der Gewässer und Verlust der Einnahme- und Nahrungsquelle durch Fischfang, - Überschwemmung von Infrastruktur (Strassen, Brücken), - Abweichung von traditioneller Lebensweise basierend auf der Kosmovision Maya, was das soziale Geflecht zerstören und psychische Probleme verursachen kann, - Fehlen von Information über die Konstruktion des Wasserkraftwerkes und fehlende Verhandlungen zwischen Regierung und Betroffenen; Fehlen von Information zu möglichen Umweltschäden, wobei man von Zerstörung von Flora und Fauna, Abholzung und Erosion ausgehen kann; Fehlen von einer Konsultierung der Betroffenen. So wie der Bau von Xalalá zur Zeit geplant ist, kommt dies der Verweigerung der Rechte auf Alimentation, Würde, Wasser und ein adäquates Leben, auf Information, Konsultierung und Mitbestimmung gleich, welche die Politische Verfassung, die Friedensabkommen und Internationale Konventionen garantieren. Die elektrische Zukunft Guatemalas: Wasserkraftwerke und Privatisierung - Unión Fenosa?Xalalá ist nicht das einzige geplante Wasserkraftwerk. Am 17.8. diesen Jahres genehmigte die CNEE Studien für das Wasserkraftwerk San Luis in der Gemeinde Chajul, Quiché, präsentiert von der Firma Generación Limpia Guatemala, S. A., die der Gruppe Unión Fenosa gehört. Unión Fenosa hat noch weitere Zustimmungen für andere Projekte dieser Art bekommen: El Puente, in Jocotán, Chiquimula, (27 Megawatt); Cuatro Chorros, in Chicamán, Quiché, (41 Megawatt); El Volcán, in Senahú, Alta Verapaz, (26 Megawatt); und Cahabón, in Panzós, Alta Verapaz, (56 Megawatt). Insgesamt wurden laut Óscar Arriaga, Chef der Abteilung der elektrischen Studien der CNEE, bis dato 37 hydroelektrische und 2 geothermische Projekte autorisiert, die zwischen 2009 und 2017 in Betrieb genommen werden sollen. Wie im Fall von Xalalá verlaufen auch diese Projekte nicht ohne Proteste von Seiten der Bevölkerung. Es kam zum Beispiel zu Demonstrationen in der Region Ixil im Department Quiché und in Baja Verapaz stimmten Ende August die EinwohnerInnen von Chuarrancho gegen das Wasserwerk El Sisimite der Firma Generadora Nacional Sociedad Anónima (Genasa) ab, da man seismische Bewegungen befürchtet, die ca. 15'000 AnwohnerInnen betreffen würden. Seit dem Allgemeinen Elektrizitätsgesetz von 1996 dividiert sich der Elektrosektor in drei Teile: Generierung, Transmission und Kommerzialisierung, welche teilweise oder ganz privatisiert worden sind. Die Verteilung der elektrischen Energie ist mittlerweile vollkommen privatisiert, zur Zeit in Händen von Unión Fenosa (spanische Gruppe, welche die beiden Elektrizitätsanbieter Deorsa und Deocsa führt) und Iberdrola (ebenfalls spanischen Ursprungs, die mit der Firma EEGSA in der Hauptstadt, Escuintla, Chimaltenango, und Coatepeque operiert). Zusammen mit dem INDE, übernehmen diese Firmen auch die Elektrifizierung der ländlichen Gegenden. Allerdings nimmt der Unmut gegenüber Fenosa in verschiedenen Teilen des Landes zu. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres reichten 90'358 GuatemaltekInnen eine Beschwerde gegen Unión Fenosa ein, wie die CNEE informierte. Gründe sind Unterbrechungen der Stromzufuhr, Fehler in den Rechungen und überteuerte Tarife - letzteres führte schon zu 78 Klagen beim Menschrechtsprokurat (PDH). Es ist also abzusehen, dass Privatisierungsprozesse sowie die Vergabe von Lizenzen zum Bau von Wasserkraftwerken ohne die Einwilligung der betroffenen Bevölkerung, in der Zukunft Konflikte auslösen wird. Ein Beispiel aus der Geschichte Guatemalas: Stau- und Wasserkraftwerk ChixoyAn dem Fluss, an dem auch die Konstruktion von Xalalá geplant ist, wurde zwischen 1975 und 1983 im Department Alta Verapaz das Werk Chixoy gebaut, grösstes Wasserkraftwerk des Landes und bekannt vor allem aber durch die Geschehnisse zur Zeit der Erbauung: es verschwanden 24 Siedlungen und 3400 Menschen wurden umgesiedelt oder vertrieben, mehr als 6000 Personen verloren ihr Land. Strassen wurden überschwemmt und geheiligte Orte gingen verloren. Ausserdem wurden die AnwohnerInnen vorher nicht informiert, es gab keine Möglichkeit der Volksabstimmung und niemand der Betroffenen wurde je mit in die Planung einbezogen. Es existierten keine wirklichen Verhandlungen mit dem INDE und nicht das gesamte von dem Werk Chixoy beanspruchte Gebiet wurde legal erworben. Gemeindeführer kamen ums Leben und zwischen 1982 und 1983 kam es zu mehreren Massakern, wie z.B. in Río Negro, an Hunderten von Kindern, Frauen und Männern, die man als GegnerInnen des Wasserwerks einstufte. Man begründete dies mit Aufstandsbekämpfung. Mehr als ein viertel Jahrhundert nach der Eröffnung von Chixoy haben die meisten der Familien immer noch nicht den versprochenen Ausgleich bekommen, leben weiterhin in Armut und ohne Elektrizität. 2006 schafften die Familien der Betroffenen es, mit der Regierung Verhandlungen neu zu eröffnen, damit die Schäden, die durch die Errichtung von Chixoy verursacht wurden, verifiziert werden. Im Jahre 2008 wurden 5 Expatruilleros, verantwortlich für das Massaker von Río Negro, zu 780 Jahren Gefängnis verurteilt. |
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