Campesin@- Bewegung zwischen Erfolg und Spaltung
Fijáte 318 vom 8. Sept. 2004, Artikel 5, Seite 5
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Campesin@- Bewegung zwischen Erfolg und Spaltung
Guatemala, 31. Aug. Am vergangenen 29. Juli einigten sich VertreterInnen der Plataforma Agraria (PA), eine Vereinigung diverser BäuerInnenorganisationen, mit Vizepräsident Eduardo Stein und Landwirtschaftsminister Álvaro Aguilar auf die Bildung einer Kommission, deren Aufgabe die Evaluation des Dekrets 475-2002 ist. Das Dekret definiert die Bekämpfung der andauernden Kaffeekrise als von ,,nationalem Interesse" und ,,sozialer Dringlichkeit". Vertreten in dieser Kommission sind der Landfonds (FONTIERRAS), die Universität Rafael Landívar, das Generalsekretariat für Wirtschaftsplanung (SEGEPLAN), das Landwirtschaftsministerium und eben die Plataforma Agraria. Eine der Aufgaben der Kommission soll sein, die Differenzen zu klären, die sich zwischen der PA und dem Landwirtschaftsministerium in Bezug auf die Verwaltung von Geldern ergaben, mit denen betroffene BäuerInnen ein Stück Land pachten und darauf für den Eigenanbau anpflanzen können. Bis zur Einsetzung der Kommission belief sich die Forderung der PA auf einen Fonds über 104 Mio. Quetzales (ca. US-$ 13 Mio.) für die BäuerInnen. Zeitgleich stellte die Regierung ihren ,,Nationalen Landwirtschaftsplan" vor, der die Einrichtung eines um einiges kleineren Fonds vorsieht als der von Plataforma geforderte, der gemeinsam von FONTIERRAS und dem Landwirtschaftsministerium verwaltet werden soll. Daraus soll jede Bäuerin, jeder Bauer ein Darlehen von 1000 Q, einen Subventionsbeitrag von 1300 Q und Werkzeuge oder Lebensmittel im Wert von 700 Q erhalten, total also 3000 Q (ca. US-$ 375) pro Person. Insgesamt sollen 45'000 Familien durch diesen Plan begünstigt werden. Während sich VertreterInnen der Plataforma erstaunt darüber zeigten, dass die Regierung ihren Plan präsentierte, bevor die Kommission die Ergebnisse ihrer Evaluation vorgelegt hat, begrüsst Daniel Pascual vom BäuerInnenkomitee (CUC) die Initiative der Regierung als positiv, bezeichnet sie jedoch als eine gänzlich ungenügende Lösung der Landproblematik. Derweil die in der Plataforma Agraria zusammengeschlossenen BäuerInnen ihren Druck auf die Regierung mittels Demonstrationen auf die Strasse tragen, schlossen sich andere Organisationen wie die Nationale Indígena- und BäuerInnenkoordination (CONIC) oder die Nationale Koordination von BäuerInnen-Organisationen (CNOC) diesen jüngsten Protesten nicht an mit Ausnahme des Nationalen Streiks vom 8. Juni, an dem auch andere soziale Bewegungen teilnahmen. Nach oben |
Diese Distanzierung von CONIC und CNOC gegenüber der Plataforma hat mit inhaltlichen Differenzen zu tun, wie z.B. der Forderung der PA nach dem 104 Mio.Fonds, die von den beiden anderen Organisationen nicht geteilt wird. Rigoberto Montero von der CONIC spricht von unterschiedlichen Strategien. Diejenige der Plataforma verfolge tendenziell eine Verbesserung der momentanen Situation, während die CONIC eher strukturelle Veränderungen anstrebe, wie z.B. eine Landreform oder die Erarbeitung eines nationalen Katastergesetzes. Ähnlich beschreibt es Carlos Arriaga von der CNOC. Die Plataforma setze sich für punktuelle Verbesserungen ein, während die Organisationen, die er vertrete, eine Politik verfolgten, die den Forderungen der BäuerInnenbewegung entspreche und die einen Landkampf und eine ländliche Entwicklung auf lange Sicht verfolge. Ein Beispiel für die eher punktuelle Arbeitsweise der Plataforma ist ihre Absicht, gemeinsam mit der Landpastorale der Diözese Quiché die beiden Fincas Estrella Polar und La Perla zu kaufen, beide in umstrittenen Besitzverhältnissen. Verhandelt wird mit den heutigen ,,Besitzern", traditionellen Grossgrundbesitzern, welche die Fincas im Rahmen der Aufstandsbekämpfungsmassnahmen im Quiché ,,erworben" haben. Kritisiert an diesem Vorgehen wird, dass allein das Verhandeln mit den Finqueros diese als rechtmässige Besitzer legitimierten und dass die ganze blutige Geschichte der Region, in welcher die Finqueros keine unwesentliche Rolle spielten, sowie der langjährige Kampf der Campesin@s um ihr Land unbeachtet blieben. Ursula Roldán von der PA wirft ihrerseits den beiden anderen Organisationen vor, ihre Ziele via Verhandlungen mit dem Landfonds erreichen zu wollen, dabei habe sich doch gezeigt, dass diese Institution nicht in der Lage sei, kurzfristig irgendwelche Probleme zu lösen. Aktuell sei die Situation dermassen dramatisch, dass erst einmal die dringendsten Probleme angegangen werden müssten. Diese unmittelbaren Probleme zu lösen sei im Moment das Ziel der Plataforma, doch verfolge auch sie eine längerfristige Politik, die in ihrem Strategiepapier Abriendo Brechas definiert sei, erklärt Roldán. Auch wenn es verständlich ist, dass die verschiedenen Organisationen ihre je eigenen Strategien und Methoden entwickeln, um im Kern das selbe Ziel zu verfolgen, stellt sich die Frage, ob sie es sich leisten können, unabhängig voneinander zu arbeiten. Ebenso scheint es, dass das Geld das seine zur Spaltung der BäuerInnenbewegung tut. Die Strategie der Regierung geht voll auf, einen Teil der Bewegung zu Verhandlungen zu bewegen (die in der Regel zu keinem Erfolg führen), diese somit zu spalten und zu schwächen und anderseits das Image von ,,Demokratie" aufrechtzuerhalten. Sobald Geld im Spiel ist, tritt auch ein gewisses Konkurrenzverhalten zwischen den Organisationen zu Tage, wie z.B. die Aussage eines CONIC-Führers zeigt: ,,Wenn die Regierung bereit ist, mit der Plataforma über 104 Mio. Quetzales zu verhandeln, können wir den selben Anspruch geltend machen, denn wie ist es möglich, dass nur die Forderungen einer Gruppierung erfüllt werden?" Doch sowohl Arriaga wie Roldán sind sich der Gefahr bewusst, zum Spielball der Regierung zu werden und sie sind sich einig darin, dass es eine soziale Kraft braucht, die gemeinsame Interessen vertritt. Speziell gegenüber der aktuellen Regierung, die sich immer offener mit den Interessen der Wirtschafts- und Oligarchiesektoren identifiziert, denn mit den sozialen Sektoren. |
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