Die Verteuerung des Stroms: Erhellende Erläuterungen über ein dunkles Geschäft
Fijáte 319 vom 22. Sept. 2004, Artikel 1, Seite 1
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Die Verteuerung des Stroms: Erhellende Erläuterungen über ein dunkles Geschäft
Die Privatisierung des service publique ist seit Beginn der 80er-Jahre eine immer gerne angewendete Praxis der jeweiligen Regierung in ihrer Bestrebung, ein ,,Entwicklungsmodell" entsprechend der Strukturanpassungsprogramme à la Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank durchzusetzen. Die von diesen Institutionen ,,empfohlene" Wirtschaftspolitik fördert die Dezentralisierung der staatlichen Institutionen und eine Liberalisierung für ausländische Investitionen mit dem Argument, dadurch den Service für die Bevölkerung effizienter zu gestalten. Die Folge davon sind Privatisierungsprozesse, wie sie Sektoren wie der Transport, Wasserversorgung, Telekommunikation und Stromversorgung im Laufe der letzten 15 Jahre durchliefen. Der folgende Artikel untersucht diese Entwicklung am Beispiel der Stromversorgung Guatemalas, ein Sektor, der in letzter Zeit für seine Ineffizienz und überhöhten Preise in die Kritik der Öffentlichkeit geraten ist. Der Artikel beruht u.a. auf Informationen der Mesa Global de Guatemala. Die Mesa Global ist eine ,,politisch-soziale Bewegung, die sich mit der neoliberalen Globalisierung und ihrer Auswirkung auf das Land" auseinandersetzt (www.mesaglobal.net). Im Verlauf des Jahres 2004 haben die rund 1'900'000 StromkonsumentInnen happige Preiserhöhungen verkraften müssen. Je nach Art des Verbrauchs (privat oder industriell) und Zulieferer, betrugen die Erhöhungen zwischen 6 Centavos (pro Kilowattstunde, bei einem Verbrauch bis zu 100 kWh pro Monat) und 75 Centavos pro kWh (bei einem Verbrauch bis zu 300 kWh), bei einem Dollarkurs von ca. 1:8. Für die ca. 900'000 StromkonsumentInnen (also die Hälfte), die von einem sogenannten ,,Sozialtarif" profitieren, betrug die Preiserhöhung rund 26%. Darauf wird noch die Mehrwertsteuer von 12% geschlagen, dazu kommen die Kosten, die das Verteilerunternehmen berechnet, um überhaupt zu verteilen. Pro Monat und Anschluss sind das ca. Q 7,40 (mal die 1'900'000 KonsumentInnen). Die Verteilerunternehmen verrechnen ausserdem nochmals Q 0,28 pro verbrauchter kWh für ihre Leistung. Weiter werden zwischen Q 7 und Q 9 für die öffentliche Beleuchtung berechnet, unabhängig davon, ob eine solche in einem bestimmten Wohnviertel oder in einer Strasse vorhanden ist oder nicht. Unabhängig auch davon, dass das Verfassungsgericht diese Rechnungsstellung als illegitim verurteilt hat, weil die Unternehmen, im Gegenzug dafür, dass sie ihre Strommasten auf öffentlichem Grund aufstellen, die Beleuchtung zur Verfügung stellen müssen. Konkret heisst das, wie protestierende BürgerInnen aus Jalapa öffentlich vorrechneten, dass sie von einer früher monatlich Q 60 bis 70 teuren Stromrechnung heute auf eine zwischen Q 225 bis 250 kommen für den gleichen Service, regelmässige Stromausfälle inbegriffen. Auf der anderen Seite kostet die Herstellung einer Kilowattstunde rund Q 0,12. Dies bedeutet einen saftigen Gewinn für die Guatemaltekischen Energie-Werke (EEGSA) und die jeweiligen Strom-Verteiler für den Osten (DEOCSA) und Westen (DEORSA) des Landes (beide im Besitz der spanischen Transnationalen Unión FENOSA). Die Verteuerung der Energie wird mit den ansteigenden Preisen für Öl und mit den Wechselkursen begründet. Interessant an der Sache ist, dass die ganze Infrastruktur schon über 70 Jahre alt ist, seither kaum verbessert wurde und entsprechend längst amortisiert ist. Im Landesinnern ging die Empörung der Bevölkerung über die gestiegenen Stromkosten soweit, dass in einer Gemeinde die Person, die den Stromzähler ablesen sollte, von der Bevölkerung an einen Posten gebunden und geschlagen wurde. Das Menschenrechtsprokurat reichte gegen die seit dem 1. Mai 2004 geltende Preiserhöhung Klage beim Verfassungsgericht ein. Der Klage wurde stattgegeben, doch die Stromverteiler beharren auf ihrem neuen Rechnungssystem, bis von der Nationalen Energiekommission (CNEE) weitere Anweisungen gegeben würden. Diese reichte jedoch sofort einen Rekurs gegen den Gerichtsentscheid ein. Historischer Rückblick Die erste Konzession für Stromgewinnung in Guatemala wurde 1894 vergeben. Es ging damals um ein Wasserkraftwerk am Montagua-Fluss, mit dem die Hauptstadt, Antigua Guatemala, Chimaltenango, Amatitlán, Palín und Escuintla mit Strom versorgt wurden. Gebaut wurde das Kraftwerk von der deutschen Siemens & Halske. 1918 übernahm ein nordamerikanisches Konsortium, vertreten durch Electric Bond & Share Co. die Mehrheit der Aktien, baute zusätzliche Kraftwerke und dehnte die Stromversorgung auf weitere Landesteile aus. Während der Revolution wurden die beiden Dampfkraftwerke La Laguna am Amatitlánsee in Betrieb genommen. 1967 übernahm der Staat die Aktien und Besitztümer der Guatemaltekischen Energiewerke AG (EEGSA). Die Administration der verschiedenen Werke wurde dem Nationalen Elektrizitätsinstitut (INDE) übertragen, welches diese Aufgabe bis 1995 ausführte. Ein Jahr später verabschiedete der Kongress ein neues Elektrizitätsgesetz mit der Idee, Herstellung, Transport und Kommerzialisierung der Energie zu Entmonopolisieren. 1998, unter Präsident Alvaro Arzú, begann die Regierung, ihre Aktien zu verkaufen, der Privatisierungsprozess begann. Neuer Hauptaktionär wurde ein Konsortium aus Iberdrola Energía, TPS de Ultramar LTD und der portugiesischen EDP Electricidade, die zusammen 80% der Aktien kauften. Gleichzeitig verkaufte das INDE 89% seiner Aktien an die spanische Unión FENOSA. Insgesamt hatten diese Aktien einen Wert von ca. US-$ 550 Mio.. Das Nationale Elektrizitätsnetz Der Betrieb und die Organisation des Elektrizitätssektors wird von der Nationalen Energiekommission (CNEE) geregelt, welche durch ein Nationales Eletrizitätssystem (SNI) das Zusammenspiel der verschiedenen Generatoren und der Verteilernetze koordiniert. Nach oben |
Im Moment sind 21 der 22 Departements an das SNI angeschlossen, eine Ausnahme bildet der Petén. Eine der Grundideen, mit der das SNI aufgebaut wurde, war der von der Regierung Portillo hochgelobte Rurale Elektrifizierungsplan (PER), mit dessen Ausführung die beiden Verteiler DEOCSA und DEORSA beauftragt wurden. Ursprünglich funktionierte der PER mit Finanzen aus einem Fonds, der Gelder aus dem Verkauf der INDE-Aktien, aus Tresor-Anleihen des Finanzministeriums und aus ausländischen Investitionen enthielt. Der Plan umfasste den Bau von 1´300 km Stromleitungen und 28 Verteilerstationen. Damit wären rund 280'000 Häuser in 2´600 Gemeinden an das Stromnetz angeschlossen worden. Die Idee schien bestechend und vorteilhaft für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes. Die Resultate nach drei Jahren Erfahrung mit dem PER zeichnen sich indes aus durch wachsende Kritik und Unzufriedenheit der Gemeinden, in erster Linie wegen der hohen Kosten und der Art und Weise, wie die Verteilerunternehmen mit den KonsumentInnen umspringen. Zukunftsperspektiven: Wasserkraftwerke im Rahmen des PPP Noch sind die genauen Pläne und die Finanzierung der verschiedenen Wasserkraftwerke, die in Guatemala im Rahmen des Plan Puebla Panamá (PPP) gebaut werden sollen, nicht klar. Auch wenn der mexikanische Präsident Fox im letzten März während einer Reise durch die Region solche Pläne leugnete, spricht alles dafür, dass die Vorbereitungen für die Ausführung einiger Megaprojekte laufen, mit finanzieller Hilfe verschiedener Geldinstitutionen. Ein konkretes Beispiel dafür ist das Projekt der Stromleitung zwischen Mexiko und Guatemala, die von Los Brillantes, Retalhuleu, nach Tapachula, Chiapas, geht. Finanziert wird diese 147 km lange Leitung, die US-$ 44,5 Mio. kostet, mit Geldern der japanischen und koreanischen Kooperation. Im Jahr 2003 gab es bereits finanzielle Zusagen von über US-$ 405 Mio. für den Ausbau des Zentralamerikanischen Energiesystems (SIEPAC), das die fünf Länder mit 1´830 km Stromleitungen verbinden will. Hauptfinanciers sind die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) und die Zentralamerikanische Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE). Den meisten Strom generiert zur Zeit das umstrittene Wasserkraftwerk von Chixoy, Quiché, mit einer Leistung von 300 MW. Im Moment kursieren Gerüchte über den Bau weiterer Kraftwerke am Fluss Chixoy. Ferner ist ein grosses Wasserkraftwerk in der Gemeinde Río Hondo, Zacapa, geplant. Es soll im Jahr 2007 den Betrieb aufnehmen, wobei mit grossem Widerstand seitens der Bevölkerung gerechnet werden muss (siehe nebenstehender Artikel). Ebenfalls geplant ist der Bau von Flusskraftwerken am Río Usumacinta, im Departement Petén. Der Zeitplan sieht wie folgt aus: Ausschreibung im Jahr 2004, Baubeginn 2005, Stauung des Flusses 2009 und Betriebsaufnahme 2010. Auch gegen den Bau dieser Kraftwerke gibt es grossen Protest aus der lokalen Bevölkerung, die sich in der Frente Petenero contra las Represas und in der Alianza por la Vida y la Paz zusammen geschlossen hat. Ihr Ziel ist es, die übrige Bevölkerung über die wirtschaftlichen, sozialen und ambientalen Auswirkungen dieses Projekts aufzuklären. PPP und TLC Guatemala ist im Jahr 2004 das zentralamerikanische Land, das am meisten Strom exportiert. Von Januar bis April betrugen die Einnahmen aus dem Energiesektor US-$ 12,8 Mio., bzw. 215'000 Megawattstunden, im Vergleich zu 11'286 eingekauften MWh. Die Frage, die hinter diesem ganzen Geschäft steckt, lautet: Wie hoch steigen die Gewinne im Elektrizitätssektor noch? Zweifellos betrugen sie in den vergangenen zehn Jah- ren Milliarden von Quetzales und die bestehenden Expandierungspläne deuten eher auf eine Kapitalvermehrung denn auf eine Verbesserung der Leistung hin. Deshalb hat die Idee, mit der geplanten Unterzeichnung und Implementierung der Freihandelsabkommen im Jahr 2005 auch gleich die Energieversorgungspläne im Rahmen des PPP umzusetzen, einen rein wirtschaftlichen, politischen und militärischen Charakter, der in erster Linie die USA und die transnationalen Unternehmen begünstigt. Zentralamerika soll erleichterten Durchgang für Handel bieten, über die entsprechende Infrastruktur verfügen, frei von Zollbarrieren sein, Rohmaterial und Naturressourcen zur Verfügung stellen. Und gleichzeitig kann man noch die billige Arbeitskraft von Millionen von arbeitslosen Personen ausbeuten. Zu den Nebenwirkungen, die eine Durchführung dieser Pläne mit sich bringt, gehören: Umweltzerstörung (Wasser- und Bodenverschmutzung, Entwaldung), Umsiedlung ganzer Dörfer und Gemeinschaften, Zerstörung von Land(wirt)schaftszonen, Ausrottung von Flora und Fauna und die Verletzung von internationalen Abkommen (Protokoll von Cartagena über den Schutz der Umwelt, Abkommen 169 der ILO über die Rechte indigenen Völker). Es ist deshalb gefährlich, Privatisierung, Investition und Expansion des Energiesektors mit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung in Guatemala gleichzusetzen. Noch sind zu viele Fragen über die Effekte dieser Art von Entwicklung ungeklärt. |
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