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Minen und Tourismus - entweder oder

Fijáte 371 vom 1. Nov. 2006, Artikel 2, Seite 2

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Minen und Tourismus - entweder oder

"Der Izabal-See ist ein Schatz, aber er ist auch eine Gefahr. Um ihn dreht sich hier in der Region alles. Seine Verschmutzung ist unser Ende", so Eloyda Mejía. Und weiter: "Die Politik der Regierung ist sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite spricht sie davon, durch die Vergabe von Bergbaulizenzen das Land der Wirtschaft und dem Fortschritt zu öffnen. Auf der anderen Seite will man den Tourismus fördern. Dieses Jahr ankerten 58 Kreuzfahrtschiffe an der Atlantikküste Guatemalas. Diese "Industrie ohne Kamine", der Tourismus, soll ausgebaut werden. Die Regierung hat kürzlich die Lizenz für den Bau eines Kreuzfahrtschiffhafens vergeben, der die Anlegekapazität für jährlich 200 Kreuzer haben soll. Das sind 400'000 TouristInnen, die nicht nur in VGLivingstonNF oder in VGPuerto BarriosNF bleiben werden, sondern die das Landesinnere besuchen wollen. Bis jetzt kommen sie nur bis VGRío DulceNF, doch der Izabal-See bietet sich eigentlich als Tourismusziel an, und je nach Service, den wir bieten können, kommen die Leute auch. Doch wenn wir ihnen einen verschmutzen See, verschmutzte Flüsse und zerstörte Landschaften bieten, kommen sie sicher nicht."

Seit dem Jahr 2000 haben sich nun auf Initiative von Eloyda Mejía die BesitzerInnen von Hotels und Restaurants von El Estor organisiert, um gemeinsam für mehr Bekanntheit und besseren Service zu werben. Es wurde ein Konzept entwickelt, wie die Gemeinde durch den Tourismus zu mehr Entwicklung und zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung kommen kann. Es wurde eine Webseite erstellt, Prospekte und Karten der Region mit den wichtigen Sehenswürdigkeiten und Angeboten zusammengestellt, ein Internetcafé eröffnet, Annehmlichkeiten, wie sie TouristInnen wünschen. Solche kleinen Initiativen gab es in verschiedenen Gemeinden und man beschloss, sich in einem Komitee zusammenzuschliessen. Zwar hatte parallel dazu auch das staatliche Tourismusinstitut VGINGUATNF ähnliche Pläne von lokalen Tourismusvereinigungen, doch klappten diese Projekte nie richtig, weil es an Begleitung und Beratung fehlte. Die selbstorganisierten Komitees hingegen haben eine gemeinsam entwickelte Vision, auf die sie hinarbeiten.

Ist es nicht etwas naiv, den Tourismus als die Lösung aller Probleme zu sehen? Dazu Eloyda Mejía: "Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass der Tourismus nicht die Lösung für die Entwicklung der Region ist. Man muss die Sache sehr sorgfältig angehen. Um wirklich zur Entwicklung einer Region beizutragen, muss der Tourismus von der lokalen Bevölkerung betrieben werden. In El Estor gibt es Leute, die haben seit 25 oder 30 Jahren schlecht laufende Hotels. Wenn man nun mehr TouristInnen herholt, profitieren nicht nur die HotelbesitzerInnen sondern alle: die Tortillaverkäuferin auf dem Markt, die mehr Tortillas an die Restaurants verkaufen kann, ebenso die Gemüsehändlerin, die Fischer. Wir haben auch eine Idee, wie der Überfischung des Sees begegnet werden kann: Fischer, die den See ihr Leben lang kennen, bilden sich zu Touristenführer aus und bieten Seerundfahrten zu den Naturschutzgebieten an. Mit einer vierstündigen Tourismus-Tour auf dem See verdient der Fischer, was er früher in einem Tag verdient hat. Es geht bei dieser Art von Tourismus darum, den Reichtum, den uns die Natur schenkt, so zu benutzen, dass alle ihn geniessen können und er dabei nicht zerstört wird."

Im Tourismus liegt ein Potential. Im Moment wird er durch die Minen und die Umweltzerstörung bedroht. Wenn der See weiterhin als Endlager für die im Minenbau benötigten Giftstoffe dient, sind bald alle Fische vergiftet oder ausgerottet. Während Jahren war der See z.B. überwuchert von einer asiatischen Wasserpflanze Namens Hydrilla Verticilata. Es ist unklar, wie diese in den See kam. Es könnten die Zugvögel gewesen sein, sie könnte auch in den Propellern der Schiffsmotoren von Shell oder Halliburton eingeführt worden sein, die von Miami kamen, wo die Hydrilla vorkommt. Es gibt auch den Verdacht, dass sie versehentlich ausgesetzt wurde, die Pflanze wird normalerweise in den Fischaquarien als Wasserpflanze verwendet. Sie wächst so dicht, dass man mit Motorbooten nicht mehr durchkommt, weil sie sich in den Motorschrauben verwickelt. Unter den entsprechenden Bedingungen wächst sie bis zu 10 cm täglich. Bei ihren Untersuchungen haben die Amigos del Lago herausgefunden, dass die grösste Konzentration der Hydrilla dort wuchs, wo es an der Küste Monokulturen mit Afrikanischer Palme oder VGBananenNF gab und dort, wo das Minenunternehmen seine Abwasser einfliessen liess. Das heisst, die Pflanze braucht einen gewissen Grad an Wasserverschmutzung, um überhaupt wachsen zu können. "Wir machten die Sache publik, luden JournalistInnen auf eine Bootsfahrt ein und baten sie, darüber zu berichten. Die Story löste eine ziemliche Aufregung aus, man sprach von einer ausserirdischen Pflanze, die Regierung verhängte den "VGAusnahmezustandNF" über den See, ansonsten passierte nichts. Unsere Vereinigung hat dann die Sache weiter verfolgt und wir entdeckten, dass die Regierung vorhatte, die Pflanze mit Herbizid zu bekämpfen, worauf wir sofort eine Klage beim (als moralische Instanz funktionierenden) Zentralamerikanischen Wassergericht einreichten und verlangten, dass man das Einzugsgebiet des Sees als etwas Einheitliches betrachtet und entsprechend integrale Lösungen für die auftretenden Umweltprobleme sucht. Die Reaktion der Regierung auf das "Urteil" des Wassergerichts war, eine Maschine herzubringen, mit der die Pflanze abgeschnitten wurde. So wie sie sich jedoch vermehrt, entstand aus jedem abgeschnittenen Teil eine neue Pflanze."

Normalerweise regeneriert sich der See auf natürliche Weise, aber bei Phänomenen wie dem VGTropensturmNF Mitch oder wenn Gift in den See fliesst, kommt alles aus dem Gleichgewicht. Erstaunlicherweise und trotz allem, was ihm zugefügt wird, erholte er sich in den letzten Jahren und die Ausbreitung der Pflanze dämmte sich "von selber" ein.

Und die Zukunft? Eloyda Mejía: "Ich denke, es wäre an der Zeit, sich zu überlegen, was aus dem Departement Izabal eigentlich gemacht werden soll. Denn die beiden Aktivitäten, Tourismus und Minenbau, sind absolut unvereinbar. Will man die Region weiter industrialisieren, okay, aber dann können wir mit dem Tourismus aufhören, weil es in zehn oder fünfzehn Jahren hier nichts mehr gibt. Will man hingegen auf Tourismus setzen, muss die Regierung die notwendigen Massnahmen gegen die Minen ergreifen.

Ein weiteres Problem, das wir jetzt schon haben, das aber zunimmt, wenn man sich offiziell für den Tourismus entscheidet, ist, dass wir als lokale TourismusanbieterInnen hart um unser Überleben kämpfen müssen. Bereits jetzt wurde am Seeufer die erste Baubewilligung an eine internationale Hotelkette vergeben. Auf der anderen Seite gibt es keine Regierungspolitik, um den lokal betriebenen Tourismus zu fördern. Beantragst du als lokale Hotelbesitzerin bei der Bank einen Kredit, um den Service in deinem Hotel zu verbessern, musst du Wucherzinsen bezahlen. Deshalb wiederhole ich: Wenn der Tourismus wirklich etwas zur Entwicklung der Region beitragen soll, dann muss er einer längerfristigen Strategie folgen und in erster Linie eine Alternative für die lokale Bevölkerung sein."


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