Steuern zum Steuern der nächsten Wahl
Fijáte 264 vom 17. Juli 2002, Artikel 2, Seite 4
Original-PDF 264 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 --- Nächstes Fijáte
Steuern zum Steuern der nächsten Wahl
Guatemala, 9.Juni. Die Idee, einfach eine neue Steuer - "ausserordentlich und temporär" - einzuführen, um die ehemaligen Zivilpatrouillen (PAC) zu entschädigen, die vor wenigen Wochen die Region Petén blockierten (siehe fijáte! 263), überraschte sowohl Kongressabgeordnete wie AnlystInnen. Nicht nur sei der Zeitpunkt für einen solchen Vorschlag unangebracht, sondern die Idee an sich empöre, so die ANN-Abgeordnete Nineth Montenegro. Die Bevölkerung lebe bereits in einer Krise massiver Arbeitslosigkeit und für noch höhere finanzielle Belastung fehle ihr jegliche Kapazität. Die Abgeordnete bezeichnete die Idee des Finanzministers Weymann als unqualifiziert und als einen Versuch, den Sektor der Gesellschaft zu privilegieren, der für die Verletzung der Menschenrechte mitverantwortlich ist. Der Vorschlag, als eine Möglichkeit des "Fund-raisings", durch Eduardo Weymann dem Kongress vorgelegt, wird derzeit im Land heiss diskutiert. Da es sich bislang nur um eine Idee handelte, wurde noch nicht darüber gesprochen, welcher Sektor der Gesellschaft für die neue Steuer überhaupt aufkommen solle bzw. könne. Während auch von Jorge Rosales von der PAN gefordert wird, dass andere finanzielle Mechanismen gesucht werden, z. B. durch eine Verkleinerung des Staatsapparats und die Einschränkung der öffentlichen Ausgaben, hält die Analystin María Carmen Aceña die Position des Ministers für eine intelligente Lösung, da er den Ball an den Kongress weitergibt und dieser schliesslich zu entscheiden hat. Die finanziellen Mittel, die aus dem Internationalen Währungsfond stammen, können aufgrund der unterschriebenen Verträge nicht für die Entschädigungszahlung an die Ex-PAC genutzt werden. Dies könne lediglich durch irgendein Darlehen oder eben durch neue Einnahmen geschehen. Auch Aceña ist der Meinung, dass die Einführung besagter Steuer in der derzeitigen Situation des Landes undurchführbar ist. Viel mehr beschäftigt sie jedoch die versteckte Botschaft, dass offenbar erst die Gruppen, die sich zusammentun und Druck ausüben, die Unterstützung der Regierung bekommen. Um diese Art der Politik von vornherein zu vermeiden, ist es laut Aceña notwendig, dass das Gesetz der Öffentlichen Investition verabschiedet wird, damit die finanziellen Mittel in Abstimmung mit priorisierten Programmen genutzt werden und nicht aufgrund von öffentlichem Druck von Seiten irgendeiner Gruppe. Dem kategorischen Nein gegen eine PAC-Steuer schlossen sich auch die Volksorganisationen an und erinnerten in diesem Zusammenhang an die Verfassungswidrigkeit der Erhöhung der Mehrwertsteuer im letzten Jahr. "Wenn ihnen die Ex-Patrouillen so wichtig sind, sollen die Leute der Exekutive halt ihre Gehälter und Lohnzusatzleistungen für den Rest des Jahres spenden." Auch Gewerkschaften und die Führungsetagen der Industrie lehnten den Steuervorschlag ab. Rios Montt enthält sich einer klaren Positionierung. Anfangs war er wohl nicht bereit, eine Steuerreform zu unterstützen, inzwischen äussert er sich eher defensiv: "Das ist ein guter Vorschlag, aber ich kenne ihn noch nicht". Danke für die Stellungnahme! Der Kongresspräsident versicherte, dass "wir keine Steuer verabschieden wollen, aber es besteht die Notwendigkeit" und "Dadurch, dass der Krieg zwischen GuatemaltekInnen stattfand, sind wir alle in der selben Krise." Währenddessen nimmt die öffentliche Ablehnung des Plans Weymanns zu. Sowohl die Gruppe der gegenseitigen Hilfe (GAM) als auch Minugua führen vor allem die Friedensverträge an, um dem Vorschlag zu entgegnen. In diesen sei keine Rede von einer Entschädigung der Zivilpatrouillen. Lediglich ist darin ihre Entwaffnung und Demobilisierung festgehalten, was im Zusammenhang mit der Stärkung der zivilen Macht steht, so der Leiter des Bereichs Öffentliche Sicherheit und Militär der Mission, Julián Camero. "Das Militär hat uns von der Existenz von 2643 Freiwilligenkommitees der Zivilen Verteidigung berichtet - unter diesem Namen waren die PAC seit 1986 bekannt - eine Gesamtsumme von 270.900 Personen; 14 Tausend Waffen wurden inzwischen sichergestellt." Nach oben |
Die CEH, die offizielle Wahrheitskommission für Guatemala, dokumentierte mehr als zehntausend Verletzungen der Menschenrechte, die von den Ex-Patrouillen durchgeführt worden sind. Darunter fallen willkürliche Hinrichtungen, Folter, grausame, unmenschliche Behandlung, Freiheitsberaubung, erzwungenes Verschwinden und sexuelle Vergewaltigungen. Nach den erhörten Forderungen der Ex-PAC im Petén finden sich inzwischen auch ehemalige PatrouillistInnen und Veteranen anderer Gebiete wie Alta Verapaz, Retalhuleu und Nebaj, Quiché zusammen, um ihrerseits für ihren Dienst am Vaterland entschädigt zu werden. Derzeit wird erst einmal versucht, die genaue Anzahl der ehemaligen KämpferInnen festzustellen und herauszufinden, wie lange sie jeweils überhaupt "gedient" haben, um ihre (finanziellen) Ansprüche zu relativieren. Doch auch immer wieder wird die Tragweite des Geschehens im Zusammenhang mit den 2003 anstehenden Präsidentschaftswahlen erwähnt: dem "Sieg" der FRG stehe demnach nichts mehr im Wege, wenn die Ex-PAC ihr gefordertes Geld bekommen. Es ist aber auch die Rede davon, dass diese Entschädigung die noch ausstehende Schuld der FRG an die Ex-PAC für ihre Unterstützung im vergangenen Wahlkampf sei. |
Original-PDF 264 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 --- Nächstes Fijáte