Maquilas: auf der Suche nach sicheren Nischen
Fijáte 292 vom 27. August 2003, Artikel 1, Seite 1
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Maquilas: auf der Suche nach sicheren Nischen
Die maquilas, wie die Textilfabriken auf Spanisch genannt werden, und die allein in Mittelamerika über 400 Tausend Arbeitsplätze stellen, sind einer der Wirtschaftssektoren, die in den letzten Jahren in diesen Ländern die grössten Erwartungen geweckt haben. Diese Art der Bekleidungsindustrie ist ein strategischer Sektor, über den auf regionaler Ebene im Rahmen der Verhandlungen des Freihandelsabkommens TLC zwischen Zentralamerika und den USA immerhin ein gewisses Einvernehmen herrscht. Dennoch hängt die Zukunft dieses Wirtschaftszweiges von mehr als einer erfolgreichen Verhandlung mit den Vereinigten Staaten ab. Für die in den maquilas Arbeitenden bringen die angestrebten Veränderungen vor allem noch mehr Nachteile mit sich, doch dies spielt in der Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors keine ausschlaggebende Rolle. Inforpress Centroamericana erläutert im folgenden Artikel die Situation. Zu den besorgniserregenden Faktoren, die neben den aktuellen Verhandlungen der Freihandelsabkommen, v.a. mit den USA, ihren Schatten auf den Export von fabrikgefertigter Kleidung werfen können, gehören: die wachsende asiatische Konkurrenz, die Zukunft der nordamerikanischen Wirtschaft, auf deren Markt 95% der weltweit in maquilas produzierten Bekleidung geschickt wird, sowie die Fähigkeit der zentralamerikanischen ProduzentInnen, ihre Geschäfte zu modernisieren, was unvermeidliche Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen in den Fabriken haben wird. Zusammengefasst: Die Zukunft der zentralamerikanischen maquilas ist unsicher, obwohl sie für die BefürworterInnen der Globalisierung den Stern an ihrem Himmel darstellt. Der Klang von grossen Schritten Während der Abschlussveranstaltung des Zentralamerikanischen Gipfels der maquila-BetreiberInnen, genannt ,,Full Package Summit", der im Juli in San Salvador stattfand, wurde das Freihandelsabkommen TLC (bzw. CAFTA auf Englisch) von den ReferentInnen kaum erwähnt. Die Hauptsorge des Sektors ist es, die Textil-Industrie so anzupassen, dass sie in einer mehr und mehr wettbewerbsorientierten, globalisierten Wirtschaft überleben kann. Wichtigstes Ziel ist dabei der USamerikanische Markt, der jedoch auch immer weniger dynamisch ist. Obwohl die AnalystInnen von VESTEX, der Vereinigung der guatemaltekischen maquila-BetreiberInnen, erwarten, dass das TLC einen Anstieg der Bedeutung des Exports und der gefertigten Bekleidung mit sich bringen wird, wird der Mehrwert der Kleidungsstücke nicht in gleichem Masse wachsen, da die notierten Preise aufgrund der starken Konkurrenz aus China und Vietnam täglich fallen. In diesen Ländern werden Gehälter gezahlt, die weit unter den weltweiten Standards liegen. Seit 2000 läuft das Wachstum des Kleidungsexports der Volksrepublik China Hand in Hand mit dem Exporteinbruch für die mexikanischen maquilas. Gleichzeitig beträgt der zentralamerikanische Anteil am Weltmarkt der Bekleidungsindustrie seit 1999 16%, wobei über die Zahlen zur Berechnung des Wirtschaftsvolumens gestritten wird. Die Eingliederung Chinas in die Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2005, die mit dem Inkrafttreten des TLC zusammenfallen wird, stellt die grösste Bedrohung für Zentralamerika dar. China werde die Position übernehmen, die Mexiko derzeit als Handelspartner für die USA darstellt, so Enrique Lacs, Analyst für den guatemaltekischen Privatsektor. Man geht davon aus, dass die 962 Unternehmen in der Region (einschliesslich ProduzentInnen sowohl von Textilien als auch von Accessoires) nicht in der Massenproduktion von Kleidung konkurrieren können. Ihre Zukunft hängt unter anderem davon ab, inwieweit sie ihre örtliche Nähe zu den Vereinigten Staaten auszunutzen wissen, wobei sowohl der Service, die Qualität sowie die Agilität der Unternehmen zu verbessern sind, um die Nischen des Marktes in den USA zu erschliessen. Das Problem seien weder die Zölle, die Zugangshindernisse noch der Transport, so Lacs. Das Problem sei der Wettbewerb. Laut Luis Estrada, Direktor von VESTEX, müsse Guatemala seine Produktionskosten um 30% verringern, um auf internationalem Niveau konkurrenzfähig zu bleiben. Obwohl er nicht näher auf die Einsparungsmöglichkeiten eingehen wollte, ist es kein grosses Geheimnis, dass der maquila-Sektor sehr arbeitskraftintensiv ist, und der Grossteil der Kosteneinsparungen im Bereich der Lohnkosten vorgenommen werden müssten. Derzeit besteht selbst in Zentralamerika eine grosse Gehaltsspanne, die zwischen US$11,28 am Tag in Costa Rica und US$ 1,94 in Nicaragua schwankt. Anstatt sich zu verringern, wird der Druck auf die Kosten der Arbeitskraft und die Produktivität also sehr wahrscheinlich deutlich steigen, da die Notwendigkeit bestehen bleiben wird, in einem immer stärker am Wettbewerb orientierten Ambiente Geschäfte zu machen. TLC: auf der Suche nach dem ,,CBI-PLUS" Auch wenn die Verhandlungen des Freihandelsabkommens zwischen Zentralamerika und den USA bis zum Ende des Jahres 2003 abgeschlossen sein sollen, kann sich dessen Ratifizierung noch ein Jahr lang hinziehen, da sowohl in den USA als auch in El Salvador im Jahr 2004 Präsidentschaftswahlen stattfinden, die den Prozess verkomplizieren können. Die AnalystInnen des Sektors glauben, dass das Abkommen etwa ab 2005 erste Effekte zeigen wird. Aufgrund der Erfahrungen mit dem NAFTA, dem Freihandelsabkommen zwischen den USA und Mexiko, rechnen sie nicht vor dem zweiten Jahr nach Inkrafttreten des TLC mit wirtschaftlichen Auswirkungen in Bezug auf die Situation der Arbeitsplätze, Investitionen und Devisen. Nach oben |
Von Seiten der Vereinigung VESTEX wird kein Wachstum hinsichtlich der Anzahl der Unternehmen erwartet, jedoch werden die Produktionskapazitäten der bestehenden Fabriken zunehmen müssen. Die BetreiberInnen der maquilas haben zwei grosse Sorgen in Bezug auf die wirtschaftlichen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten: dass die Ergebnisse die Verhandlungsbasis verbessern, die bereits mit dem aktuellen Gesetz zur Handelsvereinigung (CBTPA) besteht, und ihnen weitere Auflagen u.a. in Bezug auf die Gewährung von Rechten für die Arbeitenden bescheren, und dass die Pflicht zur Herkunftsdeklaration keine Nachteile für die Region mit sich bringt gegenüber den Ländern des Andenpakts (Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela), Afrika und Asien. Für die Region hat das Problem des Handels nichts mit Zolltarifen zu tun, die im Allgemeinen relativ niedrig und für viele Bekleidungsprodukte sogar nicht existent sind. Im Fall der maquilas besteht das Problem im Zusammenhang mit Herkunftsvorschriften und Arbeitsnormen. In Bezug auf den ersten Aspekt traten die USA nur unter der Bedingung in die Verhandlungen ein, dass die Produktbestandteile, wie Fäden, Stoffe, Knöpfe etc., aus den Vereinigten Staaten zu stammen hätten. Währenddessen beschweren sich die zentralamerikanischen ProduzentInnen, dass die nordamerikanischen Materialien teurer seien und sie nicht mit den Fabrikationsstätten aus anderen Regionen konkurrieren könnten, wo nicht so strenge Herkunftsregeln herrschten. In Bezug auf die Situation der Arbeitsnormen erklärt ein Analyst von VESTEX, dass die Arbeitsgesetze für die maquilas ähnlich sein werden wie die Hygieneverordnungen im Fall des Exports von Früchten und Gemüse. Diese Vorschriften würden während der Erntezeit in den USA deutlich verschärft. In gleicher Weise wird erwartet, dass im Falle eines Überangebots an Kleidung die Vereinigten Staaten die Beobachtung der Arbeitsrechtssituation in den Handelspartnerländern verstärken wird. In Richtung eines wettbewerbsfähigeren Sektors Für die UnternehmerInnen von maquilas ist die Zukunft des Sektors sehr komplex. Die Freihandelsabkommen TLC und ALCA (ganz Amerika betreffend) stellen gleichzeitig Bedrohung und Chance dar, und für das Überleben des Sektors bedarf es wichtiger Veränderungen sowohl auf der Ebene jeder einzelnen Fabrik wie auf der jeweiligen Landesebene. Zum Abschluss des anfangs erwähnten maquila-Gipfels in El Salvador stellten die Anwesenden die Prioritäten für den Sektor auf: den Zugang zu Krediten für die ProduzentInnen verbessern, die Infrastruktur und das Zollsystem modernisieren, den Kundenservice und die Promotion des Sektors verbessern, die Auslieferung der Materialien und den Produktionszyklus beschleunigen und erreichen, dass in Bezug auf die Lieferungszeit immer kleinere und immer anspruchsvollere Bestellungen bearbeitet werden können. ,,Wenn wir nicht zügig Veränderungen vornehmen, werden wir keine Zukunft haben", warnte ein Teilnehmer in seinem Abschlussvortrag. Währenddessen hat die internationale Aufmerksamkeit in Bezug auf die Verletzung der Arbeitsrechte in Guatemala deutlich zugenommen. Allein zwischen Mai und Mitte Juli diesen Jahres sind 37 entsprechende Anzeigen beim Wirtschaftsministerium (MINECO) eingereicht worden. Von diesem und dem Arbeitsministerium wurden die Unternehmen, denen die Vergehen vorgeworfen werden, gewarnt, dass sie drastisch verfolgt würden. Dagegen versicherten UnternehmerInnen und AnalystInnen, dass die Regierung unter politischem Druck agiere und mit den derzeitigen Vorkommnissen einen ungünstigen Präzedenzfall für die Investoren setze. Zudem würden die Autoritäten internationalen Organisationen gehorchen, die die Realität des Landes nicht kennen. Als Beispiel für die aktuelle Situation kann eine Sitzung im Wirtschaftsministerium dienen, bei der die zuständigen Verantwortlichen der Regierung mit denen der Textilindustrie der Firmen Chichin, S.A. und Cimatextiles. S.A. sowie VertreterInnen der Gewerkschaften beider Unternehmen öffentlich über die Probleme diskutierten. Als Zeugen waren VertreterInnen der US-amerikanischen Firma Liz Clairbone, bei der beide maquilas unter Vertrag stehen und Mitglieder der Gewerkschaftsvereinigung Fair Labor Association, FLA, ebenfalls aus den Vereinigten Staaten, zugegen. Anfang Juni hatte das Wirtschaftsministerium die genannten Firmen der Verletzung von Arbeitsrechten angeklagt. Laut Wirtschaftsministerin Patricia Ramírez würden die Akten minutiös unter die Lupe genommen und das Gesetz mit aller Strenge angewendet. ,,Wir sind uns klar über die Kosten, die für das Land entstehen, wenn diese Unternehmen geschlossen würden, aber wir glauben, dass der Nutzen auf mittlere und lange Sicht grösser ist, wenn das Gesetz erfüllt wird," so Ramírez. Arbeitsminister Victor Moreira berichtete, dass die Mehrheit der eingereichten Anzeigen sich auf ,,ungerechtfertigte" Kündigungen gegen schwangere Frauen und GewerkschaftsführerInnen beziehen würde. Aber auch überlange Arbeitszeiten und inadäquate Arbeitsbedingungen in den Fabriken gehören zu den Ursachen der Beschwerden. Moreira erklärte, dass die Sanktion gegen die Unternehmen darin bestehe, den Gewinn des Dekrets 29-82 zu streichen, das die maquiladoras von der Zahlung der Einkommenssteuer befreit und ihnen die Mehrwertssteuer für Exporte zurückzahlt. Diese Strafe ist im Gesetz für den Fall von Arbeitsrechtsverletzungen festgeschrieben. |
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