Widerstand gegen Staudämme
Fijáte 319 vom 22. Sept. 2004, Artikel 2, Seite 3
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Widerstand gegen Staudämme
Guatemala, 12. Sept. Die Konflikte, die in der Gemeinde Río Hondo, Zacapa, um den Bau von Wasserkraftwerken entstanden sind, sind exemplarisch für andere im ganzen Land. Seit Jahren hoffen die Hydro West Group und Inversiones Pasabién S.A., mit dem Bau des Wasserkraftwerks Río Hondo II beginnen zu können. Im Moment fehlt die lokale Unterstützung, genauer, die notwendige Baubewilligung, die von der Gemeindebehörde ausgestellt werden muss. Der geplante Stausee soll 1,2 Mio. Kubikmeter Wasser fassen, eine Staumauer von 34 Metern Höhe haben und in den Ausläufern des Naturschutzgebietes der Sierra de las Minas liegen. Geplant wird an dem Projekt schon seit 10 Jahren, u.a. stoppte der Hurrikan Mitch die Planung vorübergehend und beschädigte auch das Becken sowie die Staumauer des bereits bestehenden Kraftwerks Río Hondo I. Die Gemeinderegierung verweigert die Baubewilligung mit der Begründung, der Fluss habe nicht die Kapazität für zwei Wasserkraftwerke, wie der Bürgermeister von Río Hondo, Felipe Alfredo Méndez Paíz erklärte. Gemäss Méndez Paíz haben die 1´800 BürgerInnen der Gemeinde eine Petition unterzeichnet, mit der sie sich gegen den Bau des Kraftwerks aussprechen. Der Bürgermeister selber wurde vor einem Jahr wiedergewählt, u.a. deshalb, weil er die Anliegen der Bevölkerung ernst nimmt. Dieser Widerstand ist das Ergebnis der bisherigen Erfahrungen mit Wasserkraftwerken in der Gegend: Als nämlich das Wasserkraftwerk Pasabién, am gleichnamigen Fluss gelegen, in Betrieb genommen wurde, beklagten sich die elf umliegenden Gemeinden über verschmutztes und immer spärlicher fliessendes Wasser. Unterdessen beschwert sich ein Teil der BewohnerInnen, sauberes Trinkwasser kaufen zu müssen, Trinkwasser, das von weit her herangefahren werden muss. Ebenfalls musste die Bevölkerung feststellen, dass die versprochenen Verbesserungen von Infrastruktur im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen nichts als leere Worte waren. Handfeste Proteste gab es vor einer Woche auch gegen eines der umstrittensten Wasserkraftwerke in Guatemala: Chixoy, im Departement Alta Verapaz. Die Geschichte dieses Projekts hängt eng zusammen mit der Vertreibung ganzer Dörfer in den 70er Jahren, mit Militarisierung und Massakern (Río Negro) und permanenten Landstreitereien. Seit über 20 Jahren warten die damals Vertriebenen und die Hinterbliebenen der bei den Massakern Ermordeten auf eine Entschädigung durch die Kraftwerkbetreibenden sowie auf die Einhaltung deren Versprechen, wie z.B. die lebenslängliche kostenlose Energieversorgung. Vor zwei Monaten wurde in einer der Gemeinden, Pacux, von DEORSA, dem zuständigen Energielieferanten, der Strom abgestellt. Seither funktioniert im Dorf weder das Licht noch gibt es Wasser, da auch die Wasserpumpe nicht mehr läuft. Selbst die Weltbank konstatierte in einem Evaluationsbericht aus dem Jahre 1996, dass die Entschädigungsprogramme, die den Vertriebenen angeboten wurden, nicht umgesetzt wurden, geändert hat sich deswegen jedoch nichts. Das Wasserkraftwerk Chixoy ist das grösste im Land, der Stausee ist 14 km² gross, fasst 425 m³ Wasser und generiert etwa 30% der nationalen Energieproduktion. Die Staumauer ist 130 Meter hoch, gebaut wurde das Projekt zwischen 1978 und 1983, während der Militärdiktaturen von Lucas García und Ríos Montt. Unterdessen liegen Pläne vor, am selben Fluss drei weitere, kleinere Kraftwerke zu bauen. Nach oben |
Dazu will die Regierung Konzessionen vergeben, weil sie selber nicht über das Geld für diese milliardenschwere Investition verfügt, der Bau der drei Kraftwerke kostet etwa US-$ 1 Mrd.. Die drei Werke sollten laut Plänen des Ministeriums für Energie und Minen bis 2008 in Betrieb genommen werden und zusammen über 900 Megawatt Leistung erbringen. UmweltschützerInnen kritisieren zwei der drei Projekte: eines würde an einer geologisch problematischen Stelle gebaut, der Bau eines anderen hätte die Umsiedlung Tausender von Familien zur Folge. Rund 2´000 BäuerInnen besetzten am 7. September per Boot, zu Fuss oder in Bussen anreisend, die Installationen des Wasserkraftwerks Chixoy, nahmen zwei Techniker des Unternehmens als Geiseln und forderten die Regierung und die internationalen Geldgeber zur Verantwortung, speziell bezüglich der Erfüllung der nicht eingehaltenen Versprechen und der Wiedergutmachung. In einer Presseerklärung werfen die BesetzerInnen der guatemaltekischen Regierung vor, im Interesse transnationaler Unternehmen zu arbeiten und forderten die Einstellung von Planung und Bau weiterer Wasserkraftwerke, solange die von einem solchen Projekt betroffene Bevölkerung nicht konsultiert würde. Sofort wurden Verhandlungen aufgenommen, an denen nebst VertreterInnen der BesetzerInnen das Menschenrechtsprokurat (PDH), MINUGUA und Vertreter des Nationalen Elektrizitätsinstituts (INDE) teilnahmen. Präsident Berger verkündete sofort, dass er die harte Linie einschlagen werde (die Besetzung von Chixoy fand eine Woche nach der gewaltsamen Räumung der Finca Linda Nueva statt, die Red.) und dass der Rechtsstaat durchgesetzt werde. Die Tatsache, dass die BesetzerInnen gut organisiert waren, schrieb Berger der Präsenz von AusländerInnen und VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen unter den BesetzerInnen zu. Ebenso machte das Gerücht die Runde, dass die Besetzenden ehemalige Zivilpatrouillisten seien, und genauso wie im Fall der Finca Nueva Linda wurde auch hier von einer Manipulation der BäuerInnen gesprochen. Das Gerücht über die Ex-PAC konnte sich nicht halten und sowohl MINUGUA wie auch verschiedenen Nichtregierungsorganisationen erklärten, ihre Leute seien einzig zum Schutz der BesetzerInnen anwesend gewesen. Immerhin war Präsident Berger so klug, während der Verhandlungen weder Polizei noch Militär in die Nähe des besetzten Geländes zu schicken. Nach 27 Stunden harter Verhandlungen erklärten sich die BesetzerInnen bereit, die Installationen zu räumen. Es konnte eine Einigung erreicht und unterzeichnet werden, in der sich die Verantwortlichen des INDE verpflichteten, die damals unterschriebenen Versprechen gegenüber den 18 vom Bau des Stausees betroffenen Gemeinden nochmals zu prüfen. Auch soll eine Verhandlungskommission gegründet werden, in der nebst den betroffenen BäuerInnen die Regierung, das Energieministerium, die Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank vertreten sind. Als Mediatorin soll die PDH auftreten. Ein erstes Treffen wurde auf den 16. September anberaumt. Obwohl keine Klage eingereicht wurde, wurde eine Offizialuntersuchung gegen die BesetzerInnen eingeleitet. |
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