Spanische Justiz erreicht Haftbefehl gegen Alvarez Ruiz
Fijáte 325 vom 29. Dez. 2004, Artikel 6, Seite 4
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Spanische Justiz erreicht Haftbefehl gegen Alvarez Ruiz
Guatemala, 23. Dez. Die von der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú in Spanien eingereichte Klage gegen die Ex-Generäle Romeo Lucas García, Efraín Ríos Montt und Oscar Humberto Mejía Víctorez sowie gegen hohe Staatsmänner deren jeweiliger Regierungen, beginnt langsam Früchte zu tragen. Am 10. Dezember erliess die mexikanische Justiz - auf Begehren der Spanischen - einen internationalen Haftbefehl gegen Donaldo Alvarez Ruiz, ehemaliger Innenminister unter Kjell Laugerud García (1974 78) und Lucas García (1978 1982). Álvarez Ruiz, heute 73-jährig, schuf sich ein breites Netz von Informanten, Entführern und Folterern mit dem Ziel, die marxistischen Gruppierungen zu bekämpfen. Seine Besessenheit ging soweit, dass er in seinem eigenen Haus einen Folterkeller einrichten liess. Als Regierungsverantwortlicher für den Bereich ,,Sicherheit" trieb er die Aufstandsbekämpfung auf die Spitze und wurde zum grössten Unsicherheitsfaktor für alle vermeintlichen und wirklichen politisch Oppositionellen. Die Delikte, die Alvarez Ruiz heute angelastet werden, sind Folter, Völkermord, Staatsterror und Mord gegen Tausende von GuatemaltekInnen während des bewaffneten Konflikts. Konkret angeklagt wird er u.a. der Verantwortung für den Brand und das Massaker in der Spanischen Botschaft am 31. Januar 1980, bei dem 37 Personen ums Leben kamen, darunter der Vater der Friedensnobelpreisträgerin. Weiter des Mordes an der guatemaltekischen Schriftstellerin und Feministin Alaíde Foppa (19. Dezember 1980), des Mordes an vier spanischen Priestern, der Massenentführung von Gewerkschaftern der Nationalen Arbeitergewerkschaft (21. Juni 1980), der aussergerichtlichen Hinrichtung des StudentInnenführers Oliverio Castañeda de León sowie der aussergerichtlichen Hinrichtung von Alberto Fuentes Mohr, StudentInnenführer und Bürgermeister der Hauptstadt 1970 74, (ermordet am 22. März 1979) und Manuel Colom Argueta, Aussenminister unter Präsident Mendez Montenengro, 1970, sowie Vizepräsidentschaftskandidat 1974, (ermordet am 25. Januar 1979). ,,Eine fantastische Nachricht, ein wichtiger Schritt in der Bekämpfung der Straflosigkeit", nannte der Leiter der Präsidialen Menschenrechtskommission (COPREDEH), Frank LaRue die Ausstellung des Haftbefehls gegen Alvarez Ruiz. Gemäss Informationen der mexikanischen Medien wurde der Haft- und Auslieferungsbefehl ausgestellt, ohne dass die mexikanische Justiz sich hinter die Begründung der spanischen RichterInnen gestellt hätte. Nach oben |
Bedingung war einzig, dass es sich bei der Person, welche die spanische Justiz ausgeliefert haben will, um die selbe handle, die auch das mexikanische Menschenrechtsprokurat verhaftet sehen will und dass, falls der Ausgelieferte tatsächlich wegen der ihm angelasteten Verbrechen verurteilt wird, nicht die Todesstrafe verhängt werde. Einen Haken hat aber die ,,fantastische" Nachricht: Sobald die Nachricht über den Haftbefehl bekannt wurde, bezogen mexikanische MenschenrechtsaktivisitInnen vor dem Haus des Gesuchten Stellung, um seine Flucht zu verhindern. Zu spät wohl, Alverez Ruiz ist nämlich vorläufig spurlos verschwunden, es kursieren gar Gerüchte, dass er vorgewarnt wurde und flüchten konnte. Familienangehörige von Alvarez Ruiz hingegen behaupten, er habe gar nie in Mexiko gelebt, derweil die spanische Justiz Beweise haben will, dass er in den vergangenen 22 Jahren sowohl in Mexiko wie in den Vereinigten Staaten residiert habe. Die US-amerikanische Aufenthaltsgenehmigung wurde ihm im Jahre 1999, als Rigoberta Menchú in Spanien ihre Klage einreichte, entzogen. In Mexiko betrieb er seit Jahren ein Kleinbusunternehmen, ein in diesem Land ziemlich lukratives Geschäft. Weiter soll er ein Hotel in Acapulco besitzen sowie verschiedene Firmen in Miami. Mitglieder der mexikanischen Sektion der Rigoberta Menchú-Stiftung sowie der Stiftung Alaíde Foppa werfen der mexikanischen Regierung vor, sie habe Alvarez Ruiz Schutz gewährt. Es sei unverantwortlich, ihn so frei herumziehen zu lassen, wo doch damit gerechnet werden musste, dass früher oder später ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgestellt würde. Dieser Vorwurf wurde vom ehemaligen UNO-Botschafter Mexikos, Adolfo Aguilar Zínzer, bekräftigt, welcher den mexikanischen Behörden Nachlässigkeit vorwirft. Die mexikanische Migrationsbehörde hat nun höchste Alarmstufe bekannt gegeben, um die Ausreise von Alvarez Ruiz zu verhindern In Guatemala wird derweil der lokalen Justiz von MenschenrechtsaktivistInnen vorgeworfen, es mangle an politischem Willen, die Verantwortlichen des Genozids zur Rechenschaft zu ziehen und es sei peinlich, dass sich Staaten wie Spanien und Mexiko darum kümmern müssten, während die guatemaltekischen Justizmühlen in Fällen wie dem gegen Ríos Montt und Lucas García still stünden. Doch nun wird auch die guatemaltekische Justiz Stellung beziehen müssen: Die spanischen KollegInnen verlangten nämlich, die ebenfalls von Rigoberta Menchú angeklagten, noch in Guatemala residierenden Efraín Ríos Montt, Romeo Lucas, Benedicto Lucas García, Óscar Mejía Víctores, Ángel Guevara Rodríguez, German Chupina Barahona und Pedro García Arredondo verhören zu können. Der Generalstaatsanwalt, Juan Luis Florindo, ernannte nun einen Sonderrichter, der sich diesem Fall annehmen soll. Noch ist aber nicht klar, ob und wann die gewünschten Vernehmungen stattfinden können, im Moment werden die entsprechenden diplomatischen Bemühungen betrieben. |
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