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Auf Demodruck staatliche Gesprächsbereitschaft?

Fijáte 312 vom 16. Juni 2004, Artikel 5, Seite 4

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Auf Demodruck staatliche Gesprächsbereitschaft?

So gab es auch an diversen Grenzübergängen nach VGMexikoNF, VGEl SalvadorNF und VGHondurasNF Demonstrationen. Entsprechend dem Fortschritt der Verhandlungen mit VertreterInnen der drei Staatsgewalten lösten sich die Proteste gegen Ende des Nachmittags auf. In 90 Tagen soll es ein erneutes Zusammentreffen zur Evaluation der Regierungsversprechen geben. Doch was ist realistischerweise wirklich von den Vereinbarungen zu erwarten? Erwin Pérez dämpft in Incidencia Democrática die Illusionen zumindest, was die grundlegenden Forderungen hinsichtlich der Situation der besetzten Fincas angeht. Dabei weist Pérez auf die ,,kategorischen" Aussagen des stellvertretenden Präsidenten der Justizkammer, José Quezada Fernández hin: ,,Es ist falsch, wir werden keinerlei Räumungen suspendieren", so Quezada einen Tag später. Damit widerspricht er den BäuerInnen, die bestätigen, von Berger das Versprechen erhalten zu haben, weitere Räumungen zu vermeiden. Der Haken an diesem Versprechen: es ist anders wie die weiteren neun Vereinbarungen, nicht schriftlich fixiert und hat somit keine Wirksamkeit für die Justiz, die die Räumungen anordnet. Doch ebenso wenig in papierner Form liegt von Seiten der DemonstrantInnen die Zusage vor, in den nächsten drei Monaten von weiteren Manifestationen abzusehen. ,,Das heisst", so Pérez in seinem Artikel, ,,dass diese zwar durchaus sowohl von der Regierung als auch von den DemonstrantInnen primär eingeforderten Punkte allein in den Wind geschriebener Ausdruck des guten Willens sind. Übersetzt in die Praxis bedeutet das, dass früher oder später die Polizei in irgendeine bäuerliche Gemeinde kommt, die sich auf einer besetzten Finca niedergelassen hat, und die Räumung durchziehen wird. Es ist vorhersehbar, dass diese gewaltsam vonstatten gehen wird und die BäuerInnen wieder dazu übergehen, Strassenblockaden und Demonstrationen oder irgendeine andere Form des Protestes zu organisieren." Allein in den ersten fünf Monaten von Bergers Amtszeit wurden 39 Räumungen von Fincas registriert, 27 davon waren gekennzeichnet von unangebrachter Gewaltanwendung seitens der mit der Räumung Beauftragten, also der Nationalen Zivilpolizei, der diese unterstützenden Armee und privaten Sicherheitskräften. 1´500 Familien leben in Folge dessen derweil auf der Strasse und es fehlt ihnen an den minimalen Mitteln, um sich zu versorgen. Während der Amtszeit von VGAlfonso PortilloNF dagegen kam es gerade einmal zu fünf Fincaräumungen. Mit Bergers Antritt haben nicht nur die eingereichten Klagen wegen unerlaubter Landnutzung deutlich zugenommen. Die Räumungsanordnungen wurden zudem mit deutlich grösserer Schnelligkeit und Effizienz durchgeführt als die Haftbefehle gegen die der VGKorruptionNF Angeklagten der vorherigen Regierung. Weder ist zu bestreiten, dass der Umgang mit den besetzten Fincas eine grundlegend politische Frage ist, in der die grossen Landbesitzer seit eh und je eine einflussreiche Rolle spielen. Ebenso klar ist, dass sich innerhalb von wenigen Monaten ein strukturelles Problem wie das der Landverteilung in Guatemala nicht lösen lässt, was nebenbei gesagt auch niemand erwartet hat. Doch es führt ebenso wenig weiter, dass Prä-

sident Berger die gleiche Haltung annimmt, wie sein Vorgänger Portillo und die ,,dunklen Mächte" hinter der Bewegung beschwört, die verhindern wollen, dass er die Regierung in guter Manier führe. Mit den erzielten Vereinbarungen ist kein konkretes Problem gelöst. Die von den Fincas vertriebenen Familien brauchen Kleidung, Nahrung, Sicherheit und eine gewisse Stabilität ­ in den jetzt erreichten Abmachungen ist von keinerlei Hilfe für die Notleidenden die Rede. ,,Im Endeffekt ist das von den VertreterInnen der BäuerInnen und der Regierung im Pakt geschlossenen und Gesagte reine Illusion", so Pérez weiter. ,,Die Räumungen können jederzeit weitergehen und die Zahl der Schutz suchenden Familien wird steigen." Doch trotz des mageren Inhalts der Abkommen ist der Politanalyst Pérez der Ansicht, dass die gesellschaftlichen Sektoren ihr Profil haben steigern können, indem sie Organisationsniveau und operative Allianz demonstriert hätten. Zu Recht hätten sie sich siegreich gezeigt, schliesslich hätten sie erreicht, dass die Regierung ihnen die Türen geöffnet und sich mit ihnen an den ,,Verhandlungstisch" gesetzt habe. Unterdessen habe auch die Regierung ihren Gewinnanteil eingestrichen, schreibt Pérez: ,,Sie hat erreicht, als Regierung der Offenheit und des Dialogs zu imponieren, wie eine "gute" Regierung, die der Gesellschaft zuhört und ihr dient, wie eine tolerante und die Rechte respektierende Regierung, ohne die gewohnte Unterdrückung auszuüben. Am Ende, in propagandistischen Begriffen, war es für beide Seiten ein befriedigendes Ergebnis. Nun wird sich zeigen, wer als Erste fällt. Denn sollten die BäuerInnen Protestaktionen durchführen, werden sie durch die öffentliche Meinung verachtet, da sie die ,,Vereinbarungen" nicht respektieren, auch wenn diese nicht schriftlich vorliegen. Und wenn der Staat erneut die BäuerInnen mittels der Räumungen unterdrückt, wird es Präsident Berger sein, der als Lügner und Demagoge dasteht und sein Wort bricht."


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