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(K)ein schöner Land in dieser Zeit? Teil II

Fijáte 314 vom 14. Juli 2004, Artikel 1, Seite 1

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(K)ein schöner Land in dieser Zeit? Teil II

gab auch keine Ablehnung. Aber es herrschte eher die Intention, dass man sich erst einmal mit den Botschaften sprechen müsste, die in der Region oder dem Land wären. ,,Sprechen Sie mal mit denen" und ,,wir werden auch mal sehen, was wir hier tun können", war meist, was uns gesagt wurde. Die Regierungen haben also nicht direkt Verpflichtungen übernommen, aber eben auch keine direkte abschlägige Antwort gegeben. Wir hoffen natürlich weiterhin, dass sie etwas für uns tun können. Frage: Wie nehmen Sie von Seiten der CNOC im Rahmen der aktuellen Situation und der Diskussion um den Fiskalpakt die Haltung und Oppositionseinnahme von Seiten der Parteien VGUNENF und VGPANNF wahr? Manch einer beurteilt die Entscheidung Bergers, sich für die Durchsetzung des Pakts VGRíos MonttNF und der FRG genähert zu haben, auch als so genanntes ,,Freischwimmen" von der Oligarchie und dem Unternehmerflügel. Denn auch die UnternehmerInnen sind schliesslich nicht mit diesem Steuervorhaben einverstanden. L.J.: Unseres Erachtens stellt der neue Fiskalpaketvorschlag zudem keine Massnahme dar, die der armen Bevölkerung und somit der Mehrheit des Volkes zustatten kommt. Frage: Das wurde doch auch als Argument für den Austritt aus dem Regierungspakt genannt. L.J.: Das war ein Aspekt. Auf der anderen Seite stellte diese Aktion ganz klar den Beweis dafür dar, dass es sich bereits um den Start der nächsten politischen Wahlkampagne von bestimmten Beteiligten handelt. In dem Zusammenhang galt es also, sich von der Allianz zu distanzieren, um als "der Gute" dazustehen und die Interessen des Volkes zu vertreten. Das ist zum Beispiel der Fall bei dem VGMilitärNF VGOtto PérezNF, dem Ex-Sicherheitsbeauftragten und Chef der VGPatriotischen ParteiNF, der mit dieser aus der Regierungskoalition der VGGANANF austrat wegen der Probleme, die er auch mit der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) gehabt hat. Aber gerade das ist eben der Beginn der Kampagne von Otto Pérez, der sich als Präsidentschaftskandidat in vier Jahren rüstet. Frage: Und wie sieht die Haltung der CNOC direkt zum Fiskalpakt aus? L.J.: Hinsichtlich des Fiskalpaketes gibt es unseres Erachtens einige Aspekte, die ausser Acht gelassen wurden. Er stellt somit keine Steuerreform dar, die dem Land wirklich zu Gute kommt. Zum Beispiel wird gesagt, dass die VGMehrwertsteuerNF zwar nicht erhöht wird, sondern bei den anvisierten 12% bleiben soll.

Aber es wird eine Steuer von 3% erhoben, die den Zwischenhändlern auferlegt wird. Die Zwischenhändler werden jedoch diese Belastung auf die EndkonsumentInnen weiterleiten. Also müssen wir dann doch 15% an Steuern zahlen. Es gibt keine direkten Steuern. Und das ist das Problem, dass letztendlich doch all das auf die Armen geladen wird, was die Reichen nicht bezahlen wollen. Wir halten also den Fiskalvorschlag für nicht sehr vorteilhaft für die Bevölkerung. Er wird noch mehr VGArmutNF mit sich bringen. Auf dem Land müsste der VGMindestlohnNF einer Familie mit sechs, sieben Personen laut einer Studie des VGUNNF-Entwicklungsprogramms VGPNUDNF bei 80 Quetzales (ca. US-$ 10) täglich betragen. Doch das gesetzlich festgelegte Einkommen liegt bei 30,90 Quetzales (ca. US-$ 3,90). Und noch nicht einmal das wird bezahlt! Es werden weiterhin zwischen 15 und 20 Quetzales am Tag bezahlt. Zusätzlich gibt es viele Arbeitslose. Und das bringt zum Beispiel vermehrte VGMigrationNF mit sich. Sowohl vom Land in die Städte als auch ins Ausland, vornehmlich nach VGMexikoNF. Dadurch verschärft sich die Situation der Bevölkerung, die in Armut und in extremer Armut lebt, ungemein. Und das sind viele, vor allem indigene BäuerInnen. Frage: Sie kommen erneut auf die arme Bevölkerung, gerade die BäuerInnen zu sprechen, die weder Geld noch Mittel hat, zu überleben. Wie sieht denn im Zusammenhang mit den Finca-Räumungen das tagtägliche Überleben der Menschen aus, die um das Land kämpfen, schliesslich die Fincas besetzen, aber, wie Sie selbst sagen, einen Zeitraum von Monaten überbrücken müssen? L.J. Das ist eine sehr schwierige Situation. Wir haben eine Studie durchgeführt, um just die Situation dieser indigenen BäuerInnenfamilien zu untersuchen. Das Ergebnis zeigt, dass viele der Eltern eine Zeitlang gar nichts mehr essen, um immerhin die VGKinderNF zu ernähren. Dabei besteht die tägliche Kost der Familien ohnehin lediglich aus Tortillas, mit Salz oder Chili. Ab und zu finden sie vielleicht noch ein paar wilde Kräuter in den Wäldern. Es ist also ein einziger Überlebenskampf für die Familien auf dem Land. In Guatemala fragt man auf dem Land nicht, ob man sich ernährt habe, sondern ob man sich gefüllt habe. Denn bei der Kost kann man wahrlich nicht von einer ausgewogenen Ernährung sprechen. Es gibt sogar Dörfer im VGQuichéNF, VGHuehuetenangoNF, Las Verapaces, dort hat man den Kindern eine Art gelben Chili gegeben, der der Tomate ähnelt, auf dem Feuer geröstet; sie haben noch nicht einmal Tortillas und Salz bekommen! Die Situation ist viel krasser, als gemeinhin bekannt. Und in dieser findet der Kampf ums Land statt. Allein der Wunsch, diese Situation zu ändern, gibt wohl die Kraft für den Kampf. Die Leute machen also diese Aktionen nicht vor dem Hintergrund, dass sie über gewisse Ressourcen verfügen, sondern um überhaupt an diese heranzukommen. Unser Land hat lange im Krieg gelebt. Doch die jetzige Situation ist dennoch eine historische, eine strukturell und durch das politische System bedingte. Die Tatsache Bauer zu sein, der Fakt keinen Zugang zu einer ,,Entwicklung" zu haben, ein gesichertes und ausreichendes Einkommen zu haben hat zur Folge, in Konditionen extremer Armut zu leben. Kein Zugang zu Bildung zu haben, zu Gesundheitseinrichtungen, eben zu Ernährung, Kleidung ­ das sind für viele die realen Lebensumstände im bestehenden System. Und das existiert seit Jahrhunderten, seit dem Beginn des Anbaus von VGKaffeeNF, von VGBaumwolleNF, Zukkerrohr. Der, der daran immer verdient hat und weiterhin verdient, ist der Land-

besitzende, die Unternehmerschaft, der Handel. Deswegen wollen diese keine Steuern zahlen, sie haben schliesslich noch nie welche gezahlt. Wenn wir hingegen mit dem Fiskalpaket nicht einverstanden sind, dass der Bevölkerung schadet, da diese gar nicht erst über die Ressourcen verfügt, diese zu zahlen, wird von der Seite, die die Mittel hat, behauptet, dass die Bevölkerung halt nicht will. Um natürlich auch nicht zu sagen, dass sie es sind, die keine Steuern zahlen wollen. Frage: Die Agrarfrage betrifft natürlich das gesamte Land, da der Grossteil Guatemalas ländlich ist. Doch gibt es Regionen, die besonders betroffen sind? L.J.: Am stärksten sind die Departements Huehuetenango, Quiché, die Verapaces betroffen und auch der Osten. Aber auch an der Südküste, wo die meisten Arbeitenden auf den Fincas beschäftigt sind, ist die Situation gravierend. Vielen Dank für das Gespräch!


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