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Schelte vom 'grossen Bruder'

Fijáte 272 vom 13. November 2002, Artikel 1, Seite 1

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Schelte vom 'grossen Bruder'

Weitere neunzig ehemalige DOAN-Agenten sollen auch in Zukunft bei der VGzivilen NationalpolizeiNF (PNC) angestellt bleiben.

Neu soll für die Bekämpfung des Drogenhandels eine (geheimdienstliche) Einheit gebildet werden, in der auch Mitglieder der PNC vertreten sind. Eine weitere Massnahme der DOAN-Schliessung ist die Bildung einer mobilen Einheit (UMO), die eng mit den anderen staatlichen Institutionen zusammenarbeitet, die sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben haben - unter anderem das Militär.

Um ihr Wahlversprechen, die Sicherheitslage zu verbessern, zu erfüllen und um die Lücke zu füllen, die die Auflösung der DOAN hinterlassen hatte, griff die FRG also einmal mehr zum Mittel der Militarisierung: Die neue Truppe zur Bekämpfung des Drogenhandels umfasst 1500 Polizisten und 450 Militärs. Dies ist eine klare Verletzung der VGFriedensabkommenNF, in denen die Aufgabe des Militärs auf den Schutz und die Verteidigung der Landesgrenzen festgelegt ist. Es ist zwar zu begrüssen, dass, wenn auch erst auf Druck der USA, endlich der Sicherheitsapparat 'gesäubert' wird, die grosse Frage ist aber, mit welchen Leuten ein neuer aufgebaut werden soll?

Generalstaatsanwalt De León steht der Schliessung der DOAN eher zynisch gegenüber: "Wir hatten nie Kontakt mit der DOAN, weil sie überhaupt nicht vertrauenswürdig war. Wir achteten immer darauf, dass die DOAN möglichst spät von unseren laufenden Untersuchungen in Drogenangelegenheiten erfuhr". Gleichzeitig informierte de León auch über die Entlassung einer ungenannten Anzahl von Staatsanwälten, die im Bereich Drogenhandel Untersuchungen tätigten.

Zufall oder nicht, kurz darauf berichteten die Medien über Fortschritte in der Bekämpfung des Drogenhandels: Im Departement VGSan MarcosNF hat die Polizei einen Ort ausgehoben, der mit Funkgeräten, Kompass und Fluglandepiste ausgerüstet, einen idealen Umschlagplatz für Drogen gewesen ist. Überhaupt hätten die Narcos in dieser Region ganze Gemeinden unter ihrer Kontrolle, hiess es.

Carlos de León informierte auch über weitere Änderungen in der Staatsanwaltschaft: Mynor Melgar, der sich stark im Prozess gegen die Mörder von Erzbischof VGJuan GerardiNF engagierte, wurde als Spezial-Staatsanwalt gegen den Bankier Franscisco Alvarado McDonald ernannt. Und Karen Fischer wurde mit den Untersuchungen der Geldhinterziehung im VGInnenministeriumNF beauftragt, der unter anderem Ex-Innenminister VGByron BarrientosNF beschuldigt wird. "Wir versuchen, die schwierigen Fälle an Staatsanwälte zu vergeben, die das Vertrauen der guatemaltekischen Bevölkerung besitzen und die den Ruf haben, unbestechlich zu sein. Damit wollen wir beweisen, dass wir den Willen haben, den Sachen auf den Grund zu gehen", erklärte De León.

Das Problem der VGStraflosigkeitNF, der Korruption und des Drogenhandels hängt direkt mit der Machtfrage zusammen. Die Unfähigkeit, den alten Sicherheitsapparat zu säubern, vereinfacht es den kriminellen Banden, sich in den klandestinen, nie wirklich aufgelösten Aufstandsbekämpfungsstrukturen (sprich: Geheimdiensten, Militär) zu halten und ihren Einfluss auf die Politik auszudehnen. Mit diesen Strukturen hat historischerweise auch die US-amerikanische Regierung immer zusammengearbeitet. Ob die Sorge der Vereinigten Staaten tatsächlich der Korruption und den verletzten Menschenrechten in Guatemala gilt oder nicht vielmehr der Tatsache, dass sie die Kontrolle über diese Strukturen verloren haben, ist wohl eine berechtigte Frage, die sich in Guatemala verschiedene AnalytikerInnen stellen.

In die selbe Richtung geht die Frage, ob es sich bei den jüngsten Wechseln an der guatemaltekischen Militärspitze tatsächlich um 'Routine' handelt, wie das die Militärbehörde weismachen will, finden sie doch zu einem sehr ungewöhnlichen Zeitpunkt statt. (Normalerweise werden Beförderungen, Pensionierungen und Auswechslungen im Militär jeweils Anfang des Jahres oder anlässlich des Tags der Armee, Ende Juni, bekannt gegeben.)

Bezüglich der Pensionierung und der Untersuchungen, die gegen die eingangs erwähnten vier Militäroffiziere eingeleitet werden (Soto Bilbao, Trujillo Salguero, Vaides Paz und Gómez Ayala) kursieren zwei Hypothesen: Entweder sie gehören tatsächlich der parallelen Machstruktur an und werden nun 'geopfert', nicht nur, um die US-amerikanische Regierung zufrieden zu stellen, sondern auch, um im nächsten Wahlkampf als Beweis zu dienen für die von der FRG 'erfolgreich durchgeführte Umstrukturierung des Militärs. Es wäre dann auch möglich, dass es innerhalb des Militärs noch weitere 'Säuberungen' gäbe, was aber nicht heissen muss, dass die 'Mafia' davon betroffen ist, vor allem dann nicht, wenn sie von gewissen Leuten innerhalb der Regierung geschützt wird.

Die zweite Hypothese ist, dass vom eingeleiteten Säuberungsprozess noch weitere, möglichst hochrangige Militärs betroffen sind, die aus dem Weg geschafft werden, um VGEnrique Ríos SosaNF, dem Sohn von General und Kongresspräsident Efraín Ríos Montt, für nächsten Januar den Weg zum Verteidigungsminister zu ebnen.

Und die USA? Der Staatssekretär für Lateinamerika, Otto Reich, gratulierte der guatemaltekischen Regierung zu den jüngsten Korruptions-Bekämpfungsmassnahmen. "Präsident Portillo hat positiv auf die Themen reagiert, die uns Sorge bereiten", erklärte der Funktionär in VGWashingtonNF. Es geht offenbar schnell und braucht nicht viel, um den 'grossen Bruder' zufrieden zu stellen.


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