Rodrigo Asturias alias Gaspar Ilóm - ein Nachruf
Fijáte 337 vom 22. Juni 2005, Artikel 2, Seite 3
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Rodrigo Asturias alias Gaspar Ilóm - ein Nachruf
Gaspar Ilóm wurde zweimal erschaffen. Mit den Worten ,,Der Tanz geht los!" liess der guatemaltekische Literatur-Nobelpreisträger Miguel Angel Asturias seine Romangestalt 1949 (in: "Die Maismenschen", die Red.) zum Gewehr greifen. ,,Man muss die Erde Ilóms säubern von den Baumfällern und Waldbrennern, von denen, die das Wasser der Flüsse anhalten Wasser, das schlummert, solange es fliesst, aber die Augen aufschlägt, wenn es sich in den Tümpeln staut und vor Verlangen nach Schlaf zu faulen beginnt [...]. Entweder findet die Erde, [...] noch einen Ort, wo sie weiterträumen kann, oder es endet damit, dass die mich in ewigen Schlaf versenken", liess Asturias den Indígenaführer sprechen. Die Romangestalt Gaspar Ilóm überlebte in der Phantasie des Autors nicht. Wie viele andere ,,Maismenschen" starb er im Kampf gegen die Unterdrückung seines Volkes durch jene, die das Land verbrannten, um Anbauflächen für die Agraroligarchie und die internationalen Fruchtkonzerne zu roden." (http:// www.bo-alternativ.de/mfh/kampagne/texte/Chile_etc.html) Am 15. Juni 2005, um Mittag Ortszeit verstarb der Sohn des Literaturnobelpreisträgers Asturias, Rodrigo Asturias Amado, der in Anlehnung an die Romanfigur den Kriegsnamen Gaspar Ilóm annahm, nach seinem täglichen Schwimmtraining unerwartet an einem Herzinfarkt. Ebenso wie der Indígenaführer Ilóm in der guatemaltekischen Literatur wird der Guerillaführer Ilóm in der guatemaltekischen Geschichte unvergessen bleiben. Rodrigo Asturias Amado, alias Gaspar Ilóm, wurde am 30. Oktober 1939 geboren, war verheiratet und hatte zwei Söhne. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universidad de la Plata in Argentinien. Aufgrund seiner Teilnahme am ersten bewaffneten Aufstand in Guatemala 1962 in Concuá, Baja Verapaz, wurde er verurteilt, inhaftiert und nach Mexiko deportiert. Die sieben Jahre im Exil erlaubten ihm, an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) ein Wirtschaftsstudium zu absolvieren und in der Verlags- und akademischen Welt dieses Landes zu arbeiten. Er war Mitgründer des Verlagshauses Siglo XXI und hatte sechs Jahre lang den Posten des Generalgeschäftsführers inne. Als Vortragender gastierte er auf internationaler Bühne und publizierte zahlreiche Literaturkritiken und eigene Essays. 1971 trat er erneut in den revolutionären Kampf in Guatemala ein und gründete die Organisation des bewaffneten Volkes ORPA der er bis zu ihrer Auflösung 1997 vorsteht. An der Spitze der Organisation und neben dem Aufbau und der Ausbildung der KämpferInnen in den Bergen und der städtischen Kader, erarbeitete er theoretische Schriften ideologischen, politischen, organisatorischen und militaristischen Inhalts. Aus seinen Arbeiten stechen zwei Bücher über den Rassismus in Guatemala (Rassismus I und Rassismus II) hervor, die in den Jahren 1973 und ´74 im Untergrund publiziert wurden, ein Werk von über 500 Seiten, in dem er die politische, wirtschaftliche und soziale Situation Guatemalas analysiert. In diesem Kontext entwickelt er neben anderen Themen das von ihm als die ,,Militarisierung der Macht der Oligarchie" bezeichnete und erarbeitete diverse organisatorische Handbücher (,,Der Arbeitsstil", ,,Handbuch der Organisation" u. a.). Zu seinen Führungsaufgaben in der ORPA gehörte es, sich persönlich um die Propagandaapparate zu kümmern, darunter die Herausgabe der Zeitungen Erupción und Siembra ("Aussaat") sowie das interne Ausbildungsorgan Der Genosse. Ebenso förderte er das Guerilla-Radioprojekt Voz Popular. 1982 schlossen sich die Guerrillera-Armee der Armen (EGP), die Bewaffneten Streitkräfte der Rebellen (FAR), die Organisation des bewaffneten Volkes (ORPA) und die Guatemaltekische Arbeiterpartei (PGT) in der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) zusammen. Nach oben |
Ziel dieses Zusammenschlusses war die staatliche Machtkontrolle zu übernehmen und eine politische und soziale Revolution in Guatemala durchzuführen. Asturias war Mitglied der URNG-Generalkommandantur und nahm in dieser Funktion an den Verhandlungsgesprächen über die Friedensabkommen teil. Als 1996 der endgültige Friedensvertrag unterzeichnet wurde, war Rodrigo Asturias persönlich zwar nicht zugegen, das Ende des Krieges trägt jedoch entscheidend auch seine Handschrift, speziell in den Menschenrechtsabkommen von 1994. "Einer der Hauptfaktoren für die vielen Menschenrechtsverletzungen ist die Straflosigkeit der Täter", erklärte Comandante Gaspar noch im Laufe des Verhandlungsprozesses. ,,Deshalb müssen Initiativen ergriffen werden, um diese zu beenden und in Zukunft zu unterbinden. Man kann nicht dabei stehenbleiben. Es ist auch notwendig, dass die historische Wahrheit aufgeklärt wird." Der Realist Asturias warnte jedoch zugleich auch vor überzogenen Erwartungen. ,,Es gibt diese irrige Auffassung, dass das Ergebnis einer Verhandlung gleich die Unterzeichnung der Utopie sein muss." Asturias erlebte die Unterzeichnung der Friedensabkommen im mexikanischen "Exil", da ein Mitglied der ORPA 1996 in die Entführung der 86jährigen Olga Alvarado de Novella, Angehörige einer der bedeutendsten Industriefamilien des Landes, verwickelt war. Diese Aktion führte zum temporären Stillstand der Friedensverhandlungen. Nachträglich übernahm die URNG-Kommandantur zwar die politische Verantwortung für die Tat, suspendierte Asturias jedoch von den Verhandlungen. Er selbst leugnete 1997 seine persönliche Beteiligung und vertrat die Position, dass das Entführungskommando zwar der ORPA angehört, jedoch ohne Genehmigung des Oberkommandos gehandelt habe. Nichtsdestotrotz wurden die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen und am 29. Dezember 1996 unterzeichnet. Am 9. Dezember 1998 wurde die Guerilla-Organisation URNG aufgelöst und nahm 1999 als politische Partei URNG an den Präsidentschaftswahlen teil. Zwischen 1999 und 2001 fungierte Asturias als stellvertretender Generalsekretär der URNG. Als Mitglied des Nationalen Exekutivkomitees (CEN) vertrat er die URNG in der Begleitkommission der Friedensverträge und koordinierte bis zu seinem Tod die Friedenskommission sowie die Kommission der Internationalen Beziehungen der Partei. Nach einem bitteren und langen internen Kampf mit Jorge Ismael Soto (alias Pablo Monsanto) spaltete sich die URNG. Asturias und seine AnhängerInnen behielten die Rechte und den Namen der Partei, Soto wechselte mit seiner Basis zur Partei Allianz Neue Nation (ANN). An den Wahlen im Jahre 2003 nahm Asturias für die URNG als Präsidentschaftskandidat teil, erreichte 2,58 Prozent der Stimmen und somit zwei Abgeordnetensitze im Kongress. Aus der URNG-Pressemitteilung: ,,Der Tod des Genossen Gaspar erfüllt unsere gesamte Anhängerschaft mit Trauer und Schmerz, er hinterlässt eine Leere, die nicht gefüllt werden kann. Wir müssen seinen unwiederbringlichen Verlust ertragen, indem wir seinem Beispiel als unermüdlicher und einzigartiger Kämpfer folgen, seinem dynamischen Geist, der erfüllt war von einer menschlichen, solidarischen und brüderlichen Dimension. Der Kamerad Comandante Gaspar verfocht das Motto ,,Wir leben, um zu kämpfen wir kämpfen, um zu triumphieren". In diesem verkörpern sich sein Engagement und sein Vertrauen in die Kämpfe des Volkes Guatemalas. (...) Comandante Gaspar Presente" |
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