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Land her!

Fijáte 261 vom 5. Juni 2002, Artikel 1, Seite 1

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Land her!

FONTIERRAS - ein Auslaufmodell

Diese jüngste Diskussion um die Landproblematik und FONTIERRAS hat einmal mehr die Frage aufgeworfen, ob diese als Resultat der Friedensabkommen geschaffene Institution dem Problem überhaupt gerecht werden kann. Schon bevor FONTIERRAS per Regierungsdekret 24-99 geschaffen wurde, gab es Stimmen, die sagten, dass diese Institution an mangelnden finanziellen Ressourcen scheitern werde in einem Land wie Guatemala, das eine unzureichende Steuerpolitik betreibt. Ausserdem wurde darauf hingewiesen, dass das von der VGWeltbankNF geförderte und als 'neue, vom Markt gesteuerte Agrarreform' angepriesene Modell bereits in anderen lateinamerikanischen Ländern versagt hatte: Das Modell Kauf und Verkauf von Land, mit dem Staat als Zwischenhändler und Kreditgeber. Ausserdem wusste man auch, dass die internationale Gemeinschaft nicht bereit sein würde, Geld in Form von Spenden für den Kauf von Land zu geben, sondern nur in Form von Darlehen, was unweigerlich zu einer Verschuldung Guatemalas führen würde.

FONTIERRAS (und andere ähnlich problematische Institutionen) wurde trotzdem gegründet.

Angesichts der aktuellen Krise liess nun die staatliche US-amerikanische Entwicklungsbehörde VGAIDNF vom Boston Institute for Developing Economies eine Analyse über die Situation von FONTIERRAS machen, die im grossen und ganzen zu den selben Schlüssen kam, auf die SpezialistInnen der VGLandfrageNF schon früher hingewiesen haben:

Das heute angewendete System von Kauf von Land durch den Staat, das mit Abzahlungsverträgen und staatlichen Krediten an BäuerInnen weiterverkauft wird, ist für den Staat ein Verlustgeschäft, das durch keine andersweitigen Einnahmen ausgeglichen wird. Ein grosses Problem besteht auch darin, dass die Preise von Agrarland in Folge der Kaffeekrise eigentlich sinken, der Staat aber die Fincas meist zu überrissenen Preisen kauft, nicht selten von VGMilitärsNF und Grossgrundbesitzern, die dieses Land während des Krieges durch Enteignung der indigenen Bevölkerung in Besitz genommen haben. Weiter werfen die AutorInnen der Studie FONTIERRAS vor, zu grosszügig gegenüber ihren SchuldnerInnen zu sein. All dies führe logischerweise dazu, dass die BäuerInnen Fincas besetzten und Stra-ssensperren errichteten, kommt die Studie zum Schluss.

Die von der Studie abgegebenen Empfehlungen lassen erahnen, in welche Richtung eine von den internationalen Finanzinstitutionen unterstützte 'Lösung' des guatemaltekischen Landproblems in Zukunft gehen kann :

- Die vier Jahre Fristerstreckung (im Moment müssen die KreditnehmerInnen erst nach vier Jahren mit der Rückzahlung des Kredits beginnen) soll reduziert werden. KreditnehmerInnen, die bereit sind, die Fristerstreckung zu verkürzen, sollen bevorzugt behandelt werden. Wer ganz darauf verzichtet, bekommt den Kredit zu besseren Konditionen.

- Es sollen nicht mehr wie bisher nur an Gruppen Kredite vergeben werden, sondern auch an Einzelpersonen. Weiter sollen diejenigen bevorzugt werden, die um kleine Kredite nachsuchen, damit das Geld weiter reicht.

- SchuldnerInnen, die ihre Zinsen oder Rückzahlungen nicht fristgemäss bezahlen, sollen Verzugszinsen verrechnet werden.

- Gruppierungen, die Fincas besetzten oder mit anderen Aktionen Druck auf FONTIERRAS ausüben, sollen von sämtlichen Unterstützungsleistungen ausgeschlossen werden.

Diese Empfehlungen fehlt jeglicher Bezug zur Realität, in der die guatemaltekischen BäuerInnen leben und sind ein Beweis dafür, dass es sich hier um eine weitere Schreibtischstudie handelt, deren Umsetzung die Verzweiflung und Wut der Campesin@s noch weiter steigern würde.

Wie weiter?

In einem Radiointerview erklärte Präsident Portillo kürzlich, er habe mit der Annahme der neuen Finanzgesetze sein Regierungsziel erreicht. Die Lösung der weiteren Probleme nationalen Ausmasses, speziell die Landfrage, überlasse er seinem Nachfolger. So erstaunt es auch nicht, dass seine einzige Idee, dem sich zuspitzenden Konflikt zu begegnen, die Schaffung einer weiteren Regierungsinstanz ist: Das Sekretariat für Agrarfragen. Dessen Aufgabe ist die "Ermöglichung eines juristischen und institutionellen Rahmens für die Entwicklung und Stärkung des Landbesitzes". Dazu gehört u.a. die Einberufung eines Dialogs mit den involvierten Sektoren, um "gemeinsam an der Lösung der Landproblematik zu arbeiten". Als Leiter des Sekretariats für Agrarfragen wurde VGPedro Palma LauNF ernannt, was VGÖlNF ins Feuer sowohl der BäuerInnenorganisationen als auch der Landwirtschaftskammer giesst.

Die CNOC argumentiert, dass Palma Lau in seiner bisherigen Funktion als Chef von CONTIERRA bewiesen habe, dass er inkompetent sei und nichts zur Lösung der Landfrage habe beitragen können. Die Landwirtschaftskammer hingegen kritisiert die Ernennung von Palma Lau (Ex-Comandante Pancho), zum Leiter dieses Sekretariats und beschuldigt ihn, mit seiner VGGuerillaNF-Vergangenheit den Forderungen der BäuerInnen nahe zu stehen und gar die Fincabesetzungen zu begünstigen.

Nicht nur die Wahl des Leiters des Sekretariats, sondern auch die Tatsache, dass es sich sowohl CONTIERRA mitsamt seinem Budget sowie die technisch-juristische Abteilung der Katastereinheit einverleibt, stärken die Befürchtungen, dass es sich nicht wirklich um etwas 'Neues' handelt, das auch neue Impulse in die verfahrene Diskussion einbringen könnte. Nach einer über vierstündigen Sitzung mit der neuen Instanz zogen sich die VertreterInnen der BäuerInnenorganisationen denn auch prompt zurück und stellten der Regierung ein neues Ultimatum von 75 Tagen, das am 24. Juli abläuft, um die leeren Versprechungen beiseite zu lassen und die Landkrise zu lösen. Liegen bis dann keine gangbaren Lösungen vor, drohen die BäuerInnen mit konkreten Massnahmen wie z.B. einer grossen Demonstration aus den einzelnen Landesteilen in die Hauptstadt.

Auch Kongresspräsident VGRíos MonttNF liess seine Phantasie walten bei der Erarbeitung eines Vorschlags, wie der Landkrise zu begegnen sei: Sämtliche Ministerien und Sekretariate sollen eine Auflistung derjenigen Gelder machen, die sie voraussichtlich dieses Jahr nicht einsetzen würden. Mit diesem 'überschüssigen' Geld soll der Fonds von FONTIERRAS geöffnet und Fincas für die landlosen BäuerInnen gekauft werden.

Der Unionista-Abgeordnete im Kongress, Mariano Rayo, wurde noch konkreter: Er schlug vor, kurzerhand die Budgets des Präsidenten, der Armee und des Ministerium für Kommunikation u.a. zu kürzen und dafür dasjenige von FONTIERRAS um 500 Mio. Quetzales (rund 62 Mio. US$) zu erhöhen. Die VGFRGNF weigerte sich schlichtweg, diesen Vorschlag im Kongress zu diskutieren. Dafür wurde eine Kommission ernannt, die nach VGWashingtonNF zum Sitz der Weltbank reisen und dort um einen Kredit in dieser Höhe nachsuchen soll, der in den Landfonds einfliessen soll.

Eine einfache Lösung, mit der die 1,2 Milliarden Quetzales für den Kauf von genügend Land für die landlosen Campesin@s aufgebracht werden können, schlägt Rafael Gonzáles von der BäuerInnenorganisation vor: Keine weiteren Budgeterhöhungen für das Militär, keine Rundflüge im Präsidentenjet für Millionäre wie den Designer Oscar de la Renta oder den Sänger Julio Iglesias, keine zinsfreien Bankkonten für Ministerien und sonstige staatliche Instanzen und auch keine Ausreden mehr, es stünden keine finanziellen Mittel zur Verfügung!


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